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Aktualisiert am 24. Juli 2015. Am besten läuft es unter dem Internet Explorer, mit anderen Browsern kann es Fehler in der Darstellung geben. Natürlich kann es auch von mir selbst produzierte Fehler geben. Falls also jemand etwas zu meckern hat, bitte melden...

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Diese armselige Geschichte möchte ich Daphne du Maurier widmen, deren Romane und vor allem Kurzgeschichten ich sehr liebe und bewundere. (Ich überarbeite die Geschichte im Moment, denn damals war ich noch sehr geschwätzig und hab’ alles tausendmal wiederholt. Also habet Geduld mit mir)

 

Der GARTEN

Sonne, Sonne, liebe Sonne! Die Temperaturen betrugen zwar keine dreizehn Grad im Schatten, aber der große Lebensbaum schützte die Sonnenterrasse vor kalten Winden, so dass Rebekka fast nackt dort liegen konnte. Sie räkelte sich lässig auf einem Holzsessel, bei dem man die Rückenlehne verstellen konnte, und ihre Beine lagen auf einem Korbstuhl. Es war alles noch ein bisschen provisorisch, denn Anfang April sonnt man sich noch nicht ekstatisch. Sie musste lächeln, aber IHR Garten war dafür optimal geeignet,  er schützte vor kalten Winden, und auf der Sonnenterrasse war es angenehmer als an einem vor Hitze flirrenden Julitag. Im Juli selber würde es natürlich viel zu heiß hier sein, aber der Garten war flexibel, er bot viele Plätze um zu träumen und vor allem, um nicht zu schwitzen in der Sommerglut.

Oh Gott, sie liebte den Garten! Ihren Garten. Denn schließlich hatte sie diesen Garten zu dem gemacht, was er jetzt war, zu einem bezaubernden Ort, den alle ihre Bekannten faszinierend und wunderbar fanden.

Als sie und ihr Mann das Haus kauften, war der Garten ein künstlich verunstaltetes Produkt gewesen mit viel Rasen, mit viel verschnörkelten kitschigen Laternen und einer Art aus Abfällen zusammengeschusterten Laube, einem entsetzlichen Ort mit riesigen Neonröhren, mit einem kaputten Plastikdach, mit Plastikfenstern, auf denen Embleme von Fußballvereinen klebten, um die Vögel davon abzuhalten, gegen die fast durchsichtigen Fensterscheiben zu fliegen und dann zu verenden. Und wo es keine Plastikfenster gab, da hatte man alte Zeltplanen eingearbeitet. Es war ein einziger die Sinne beleidigender Mist gewesen, der nichts anders verdiente, als vernichtet zu werden.

Das Telefon klingelte, und unwillig hob sie den Hörer ab. Sie telefonierte nicht gerne. Meistens riefen Leute an, die ihr viel Zeit stahlen durch unwichtiges Geschwätz.

Diesmal jedoch war es eine Freundin, zu der sie den Kontakt erst kürzlich wieder hergestellt hatte. Manchmal nämlich verlangte es sie danach, alte Freundschaften wieder aufleben zu lassen, denn alle ihre Bekannten schienen von hier fortzuziehen oder gar zu sterben.

„Du wolltest mich doch besuchen.“ Die Stimme ihrer Freundin klang ein bisschen vorwurfsvoll. Rebekka konnte das verstehen, denn Susan war schon zweimal hier zu Besuch gewesen, während sie selber...

„Natürlich komme ich dich besuchen. Aber du weißt ja, wie viel Arbeit ich habe...“

„Ach stell’ dich nicht so an!“

„Okay, ich komme.“ Es kostete Rebekka viel Kraft, das zu sagen, denn instinktiv wusste sie, dieser Besuch würde ein Fiasko werden.

 

Sie hatten die Dreckslaube abgerissen, und dann  entstand dort die Sonnenterrasse. Die Hausvorbesitzer hatten ihr Gerümpel just auf der einzigen Stelle erbaut, auf die den ganzen Tag die Sonne schien. Idioten, Banausen, Stümper!

Rebekka als neue Haus- und Gartenbesitzerin hatte im Grunde keine Ahnung, wie ein Garten behandelt und gepflegt werden musste. Sie versuchte es einfach auf die Art: Versuch und Irrtum. Sie kaufte jede Menge Blumen, die sie schön fand, sie grub Löcher in die Erde – natürlich nur dort, wo man Löcher graben konnte, denn der Garten wurde beherrscht von den riesigen Lebensbäumen, die ihr Wurzelwerk quer durch den Boden schickten – und sie pflanzte die neuen Blumen ein.

Fast nichts von ihnen überlebte. Entweder gingen sie an einem Mangel der Erde  zugrunde, oder sie wurden von gierigen Schädlingen aufgefressen, hauptsächlich von Kellerasseln. Rebekka hasste die schwarzen vielbeinigen Asseln, sie hielten sich gerne an feuchten Orten auf, und der Garten war feucht, sehr feucht.

Oder wies der Garten selber ab, was ihm nicht gefiel? Das war ein blöder Gedanke, Rebekka lächelte darüber und versuchte es mit anderen Blumen. Auch das misslang. Der Garten hatte wohl seine eigene Vorstellung von Schönheit. Es war zum Verzweifeln, nichts wuchs, alles vergammelte, wurde aufgefressen von Schädlingen oder litt an irgendwelchen schimmeligen Krankheiten.

Rebekka resignierte fast im zweiten Jahr. Dann versuchte sie es mit einer anderen Methode. Der Efeu, der sporadisch unter den alles bestimmenden Nadelbäumen wuchs, war bestimmt resistent genug, um im Garten zu überleben. Sie schnitt ein paar Triebe ab, legte sie in Wasser und wartete, bis sich Wurzeln bildeten. Und sie versuchte, auf dem Weg zum Baumarkt, den sie und ihr Mann mittlerweile bis zum Erbrechen kannten, kleine Babyfarne und  vielversprechende Gräser aus der Erde zu graben, um sie und später in den Garten zu pflanzen.

Es gelang. Der selbstgezüchtete Efeu ging an,  er trieb mächtige Ausläufer. Und auch die in der Umgebung gesammelten Farne und Gräser entwickelten sich zu stattlichen Exemplaren, die sich verführerisch im Wind bewegten. Der Garten hatte wohl Bedenken gegen bunte Blumen, die in seiner Erde wachsen sollten, aber gegen Farne und Gräser hatte er nichts einzuwenden.

Rebekka ließ das Grüne wachsen und besorgte sich neue bunte Blumen, die sie aber nicht direkt in die Erde des Gartens pflanzte, sondern in  dekorative Tontöpfe. Auch das gelang. Alles was nicht in direkten Kontakt mit der Gartenerde kam, gedieh prächtig.

Nach drei Jahren angestrengter Arbeit war der Garten ein Traum, der sich selber träumte, ein Traum von gezähmter Wildnis.

Alle Gäste schauten verzaubert in den Garten hinaus, wenn sie auf der Hausterrasse saßen. Sie bewunderten den üppigen Efeu, der die hässliche Garage mittlerweile ganz bedeckte, sie starrten ehrfürchtig auf den wilden Wein, der sich zwischen den Efeu drängte und in losen Kaskaden herunterhing.

Rebekka überlegte, während sie sich auf ihrem Holzsessel der kräftigen Aprilsonne aussetzte, warum sie eigentlich keine Kinder hatte. Nun ja, sie hatte nie so richtig den Trieb dazu gehabt. Als sie ihren Mann kennen lernte, war sie schon Mitte dreißig gewesen. Er hatte es ihr freigestellt, Kinder zu haben, so sehr liebte er sie. Auch er war nicht wirklich versessen auf Kinder, und deswegen war sie gerührt von seinem Vorschlag gewesen, hatte aber nicht ernsthaft darüber nachgedacht, denn sie war einfach nicht dieser auf Kinder versessene Frauentyp. Warum aber war sie das nicht? Es musste, so stellte sie bitter fest, an ihrer Kindheit liegen, an ihrer eigenen Mutter, die sie damals als Kind so... Nein, sie wollte nicht darüber nachdenken. Es war vorbei, und sie konnte nicht alle Misserfolge ihres Lebens auf das Verhältnis zu ihrer Mutter schieben. Es gab immerhin so etwas wie den Freien Willen. Oder? Rebekka war sich da nicht sicher. Der Freie Wille funktionierte wohl nur in negativer Hinsicht. Wenn man sich hinstellte und rief: Ich will glücklich werden, dann klappte das wohl kaum. Aber wenn man sich hinstellte und rief: Ich will unglücklich werden, dann hatte man bestimmt eine gute Chance...

Außerdem hätte ein Kind den Garten ruiniert. Falsch, dachte Rebekka, wenn wir ein Kind gehabt hätten, wäre der Garten in dieser Form nie entstanden. Sondern... ja was wohl? Eine karge plattgetretene Wiese mit einem Sandkasten darauf und einer hässlichen Schaukel? Ein Garten mit so wenig giftigen Pflanzen wie nur möglich? Sicherlich. In diesem Augenblick überkam sie eine andere Vision: Ein Kind umarmte sie, es lachte und lief dann dann in den Garten hinaus. Der Boden des Gartens war zwar plattgetreten, aber er wirkte kostbar... Nur eine Illusion natürlich, Wunschvorstellungen... Rebekka schüttelte  den Kopf, sie wäre vielleicht in der Lage gewesen, ein Kind zu lieben, vielleicht hätte sie dann auch ein besseres Verhältnis zu ihrem Mann bekommen, aber es war eben nicht passiert, und jetzt hatte sie den Garten. Diesen wunderschönen Garten, den sie alleine erschaffen hatte und der irgendwie ihr Kind war.

 

Natürlich war der Besuch bei ihrer Freundin ein Fiasko. Die Wohnung von Susan lag im vierten Stock einer Mietskaserne, besaß noch nicht einmal einen Balkon, und Rebekka fühlte sich nach kurzer Zeit eingesperrt und verloren. Was tat sie hier? Es war alles so hässlich! Nach zwei grauenhaft langen Stunden verabschiedete sie sich von Susan mit dem Versprechen, sie bald wieder anzurufen. Doch als sie auf der Straße stand, war dieses Versprechen schon vergessen. Noch einmal in diese Wohnung? Das konnte sie nicht. Und Freunde waren irgendwie lästig. Aber warum? Früher war sie doch gern mit Susan zusammen gewesen. sie hatten viel unternommen, sie hatten sich sogar zwei Liebhaber geteilt, und es hatte ihrer Freundschaft keinerlei Abbruch getan. Doch jetzt ging es einfach nicht mehr.

 

Es war gut, wieder zu Hause zu sein, in ihrem Garten zu sein. Sie machte eine kurze Runde, inspizierte alles, versorgte die bunten Blumen in ihren Tontöpfen mit Wasser und setzte sich schließlich befriedigt auf die Stufe, die von der Hausterrasse in den Garten hinab führte.

Evelyn ließ sich von der sanften Abendbrise umschmeicheln, die gerade durch den Garten wehte. Sie hörte ein leises Glockengeläut, als ob der Garten selber alle lästigen lauten Geräusche ausfilterte und nur einen wunderbaren Hauch davon zuließ. Es war wie in einem Traum. Es war perfekt zu dieser Abendstunde.

Wieder ging das Telefon.

VERDAMMT NOCH MAL! KÖNNT IHR MICH NICHT IN RUHE LASSEN?  Rebekka ging ans Telefon gehen, ging aber schließlich doch dran, weil sie genervt war von dem ekelhaften permanenten Klingelton.

Diesmal war es ihr Vater, und seine Stimme hörte sich sehr besorgt an.

„Rebekka, oh Gott, es ist etwas schreckliches passiert...“

„Was denn Daddy?“ Rebekka liebte ihren Vater, obwohl sie ihm nie verziehen hatte, dass er sie nie vor ihrer Mutter beschützt hatte.

„Deine Mutter liegt im Krankenhaus“, die Stimme ihres Vaters hörte sich gequält an. „Sie hatte einen Herzinfarkt.“

„Oooh.“ Rebekka wusste nicht, was sie sagen sollte. Eigentlich interessierte es sie einen Dreck, was ihrer Mutter passiert war. Und doch war sie ein wenig betroffen, denn sie hatte das Gefühl, sie müsste entsetzt und bestürzt sein. Aber das war sie nicht. Dafür war das Verhältnis zu ihrer Mutter zu unterkühlt. Richtig war, vor allem war sie betroffen über ihre mangelnde Teilnahme an der Krankheit ihrer Mutter.

„Du solltest herkommen“, meinte ihr Vater besorgt, und sie sah ihn deutlich vor sich, er war nie sehr groß gewesen, und kleine Männer haben es an sich, im Laufe des Alterns immer kleiner zu werden, ganz im Gegensatz zu ihren größeren Ehefrauen. Irgendwie ungerecht.

„Ich werde sehen“, sagte sie unbestimmt, und sie fühlte wie eine große Last sie überkam. Nein, Last war falsch, sie war einfach nur ärgerlich. Was verlangte man da von ihr! Ihre Mutter liebte sie nicht, hatte sie noch nie geliebt und würde sie auch nicht brauchen. Denn man braucht nur diejenigen, die man liebt.

Also was sollte sie dort bei ihrer Mutter? Krampfhaft überlegte Rebekka, sich vielleicht ein ärztliches Attest zu besorgen, irgendwas wegen einer Krankheit, die es ihr unmöglich machen würde, ans Krankenbett ihrer Mutter zu eilen. Oder sollte sie ihrem Vater einfach sagen, dass sie keine Zeit hatte zu kommen?

 

Natürlich fuhr sie nicht zu ihrer Mutter. Sie konnte es einfach nicht tun. Zwei Tage später war ihre Mutter tot.

Rebekka sah in ihren Garten. Wie wunderschön er doch war! Sie brauchte nirgendwohin gehen, der Garten hatte Schönheit genug für sie. Eigentlich, dieser Gedanke kam ihr völlig überraschend, hielt der Garten sie davon ab, ein normales Leben zu führen, spazieren zu gehen, Fahrradtouren zu unternehmen, oder einfach mal zu verreisen. Ein ungewöhnlicher Gedanke, und sie war ein bisschen erstaunt.

Die Schatten unter den Bäumen vertieften sich unmerklich, der Klang des leichten Windes nahm einen pfeifenden Ton an, die Wärme des Nachmittags verwandelte sich unmerklich in einen kalten Hauch, und Rebekka fröstelte.

So ein Quatsch, dachte sie. Wozu brauche ich das? Hier ist alles, was ich je gebraucht habe. Und zur Beerdigung werde ich auch nicht fahren. Basta! Aus! Schließlich konnte sie den Garten nicht alleine lassen. Nicht zu dieser Jahreszeit. Und eigentlich auch zu keiner anderen Jahreszeit.

Leute starben eben, und wenn sie tot waren, waren sie tot, und es war ihnen bestimmt egal, wer zu ihrer Beerdigung kam.

Die Schatten unter den Bäumen erhellten sich unmerklich, der kalte Hauch des leichten Windes verwandelte sich eine schmeichelhafte erfrischende Brise, und Rebekka fühlte sich jung, beschützt und zufrieden. In Schönheit...

 

~*~*~*~ ENDE? ~*~*~*~

 

<zum Vergleich die neue Fassung>

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