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Kapitel 9

Juli – Das Fest, la Fête, la festa, the party...

Na endlich, heute ist Samstag, und heute ist das Fest.

Eingekauft habe ich schon alles, eine Palette Bratwürste und ein paar Koteletts und Baguettes, ferner Soßen, zwei Kästen Bier, Cola, Wein (in der Pappschachtel), alles ist mehr oder weniger gut im Kühlschrank verstaut, und der Grill samt Grillkohle steht schon draußen. Ich habe allen Leuten gesagt oder mitteilen lassen, dass sie sich ihre Fressalien selber mitbringen sollten, falls sie etwas besonders wünschten, ich hätte nur stinknormales Zeug da.

Ich ließ mir Wasser ein, legte mich in meine Badewanne, und überlegte mir beim Baden, was ich anziehen sollte. Es musste bequem sein, sollte aber trotzdem meine Vorzüge betonen. Robert hatte mal zu mir gesagt, ich sollte nur helle Sachen tragen. Das würde ich heute beherzigen, danke für den Rat, Robert, schade dass du nicht in den Genuss kommen wirst, mich in hell zu sehen.

Also Hose: Ich hatte mir eine neue gekauft, billig natürlich, weichfallend mit angekraustem Bund, an der Seite zum Knöpfen, sie war schwarz und hatte graue kleine Punkte. Ich mag keine engen Hosen, ich sehe darin zu dünn aus, und ich war froh, als vor circa zwei Jahren die enge unten ausgestellte Schlaghose endlich durch die bequemere (und auch schmeichelhaftere) Bundfaltenhose abgelöst wurde. Ich hoffe, die Schlaghose erhebt nie wieder ihr grausiges Haupt....

Gut, Hose geklärt, meine schlanke Taille kommt durch sie hervorragend zur Geltung.

Oberteil? Ich schwankte zwischen einem helltürkisfarbenen Shirt und einem hellrosafarbenen Hemd aus zartem weichen Stoff. Ich probierte beides an. Für das helltürkisene Shirt war ich nicht braun genug. Eigentlich war ich überhaupt nicht braun. Scheiß Sommer! Vielleicht sollte ich mal in eines dieser neuartigen Sonnenstudios gehen, aber die waren ziemlich teuer.

Ich zog also das weichfallende Hemd an, krempelte die Ärmel ordentlich hoch, stopfte es in die Hose und fühlte mich darin geborgen. Es war so hellrosa, dass es schon fast weiß aussah, aber nur fast. Und es machte eine gute Haut.

Schuhe: Knifflig. Ich schwankte zwischen meinen teuren geflochtenen Lederschuhen und einfachen Ballettschuhen. Ballettschuhe hört sich vielleicht komisch an, aber ich bin durch Madame draufgekommen. Bei einem unserer mir endlos erscheinenden Einkaufsbummeln durch die City von E. gingen wir auch in ein Fachgeschäft für Ballettbedarf, und da hatten sie wirklich gute Sachen, enganliegende Shirts und Trikots, geile Trainingshosen, die ich noch nirgendwo anders gesehen hatte, und eben diese weichen Ballettschuhe aus schwarzem Leder, sehr bequem, allerdings mit hauchdünnen Sohlen, sie sind natürlich nicht für Spaziergänge geeignet, aber für zu Hause echt Klasse. Sie werden ganz normal zugebunden mit einem Lederriemen. Und sie machen einen schönen Fuß und das ganz ohne Absätze. Gut, also die Ballettschuhe.

Ich betrachtete mich in dem großen Dielenspiegel.

Gute Figur, Brüste für meinen Geschmack einen Tick zu groß, aber die Männer fanden’s immer gut, Taille sehr schmal, Hintern, obwohl ich dünn bin mit Kleidergröße 36, eindeutig vorhanden, gute Linie von hinten, Beine auch gut, schlank, obwohl meine Waden, wie ich finde, auch einen Tick zu dick sind, aber ich bin eben sehr kritisch mit mir selber.

Größe: 1,70 Meter. Mit dieser Größe bin ich größer als Susanne und Karen, genauso groß wie Madame und kleiner als Betty, die 1,80 groß ist und große Komplexe deswegen hat.

Haare: Kurz und blond mit helleren Strähnen, die manchmal leicht rötlich sind. Weiß nicht, woher das kommt.. Warte auf Sonne, damit sie ganz hell werden.

Augen: Blau. Nicht sehr groß, mehr schlitzig

Wangenknochen: Gut ausgeprägt, ist mein slawisches Erbgut.

Mund: Das beste an meinem Gesicht, schöne Form, nicht zu groß, nicht zu klein. Schöne Farbe, brauche keinen Lippenstift.

Nase: Zu breit, lässt mich manchmal aussehen wie eine Katze. Und man sagt, ich hätte ein süßes und ein grausames Profil, je nachdem von welcher Seite man mich ansieht.

Besonderheiten: Total altmodische Grübchen.

Vorteile: Schöne Arme, wirklich perfekte Arme, aber leider konnte man die nicht sehen, denn es war ein bisschen zu kalt für ein ärmelloses Shirt. Immerhin regnete es nicht.

Also, mein Gesicht ist nicht gerade von klassischer Schönheit. Aber man sagt mir nach, eine gewisse Ähnlichkeit mit Mia Farrow, Glenda Jackson und Elke Heidenreich zu haben. Letzteres kann ich nicht nachvollziehen, aber eine meiner Arbeitskolleginnen behauptet es steif und fest...

Ich legte mich ein bisschen aufs große Sofa und las in Lems Kyberiade, ich hab’s natürlich aus der Leihbücherei. Neue Bücher leiste ich mir im Augenblick nicht, höchstens preisreduzierte ‚Remittenden‘ bis zwei Mark. SF gibt es reichlich in reduzierter Form. Ich liebe SF.

Um vier Uhr läutete das Telefon, und es war – ich glaubte es einfach nicht und musste meine Überraschung verbergen – Hardy! Dieser Blödmann, wirklich gutaussehend zwar, aber was für ein Blödmann.

Wir unterhielten uns recht artig. Er war ausgesprochen höflich, erkundigte sich bei mir, ob ich ihn überhaupt noch kenne. Klar, sagte ich. Was es denn für ein Fest wäre. Ich sagte, es würden vielleicht fünfzehn Leute kommen. Ach eins von der kleineren Sorte, sagte er. Ja, wenn du das so siehst, sagte ich. Mir kam dieses Fest mit fünfzehn Leuten schon verdammt groß vor. Ich sagte ihm auch, dass ich nicht viel zum Grillen da hätte, und dass er sich, falls er Besonderheiten wollte, schon was mitbringen müsste. Okay, sagte er. Dann also bis heute Abend. Und legte auf.

Nach diesem Anruf war ich etwas nachdenklich. Verdammt noch mal, da war doch was faul! Das war doch nicht normal. Ich hatte ihn hinausgeworfen, wir hatten uns verschiedene nicht sehr nette Sachen an den Kopf geworfen, und jetzt war er so freundlich zu mir? Da war doch was im Busch!

Aber ich war ja vorbereitet und wusste, mit wem ich es zu tun hatte. Oh, ich freute mich schon wahnsinnig auf diesen Abend. Was würde wohl passieren? Ich hatte keine Ahnung. Aber ich rechnete mit allem, und das erfüllte mich mit großer Freude. Das Leben hatte plötzlich an Würze gewonnen. Das Leben war einfach herrlich!

Ja!!!!!!

Ich versuchte, Karen anzurufen, aber es ging keiner ran. Sie lag bestimmt noch in Essig und Öl, oder sie war bei irgendeinem Typen versackt. Und lag dort in Essig und Öl.

Susanne erschien wenig später. Sie schien in finanziellen Schwierigkeiten zu sein, denn sie hatte eine alte Fliegerjacke aus dem Ersten Weltkrieg dabei, und sie wollte sie mir für nur fünfzig Mark verkaufen mit dem Hinweis: "Ich habe damals an die dreihundert dafür bezahlt."

Es war ein schönes Stück, zwar ein wenig zerstört durch einen Riss auf dem Rücken, aber ich verliebte mich sofort in die Jacke. Sie hatte einen Gummizug in der Taille und war wohl für einen schmächtigen Mann gemacht worden. Ich gab Susanne hundert Mark dafür. Man gönnt sich ja sonst nichts...

Zwei Stunden später treffen die ersten Gäste ein, und zwar die ziemlich üppige Freundin von Susanne – üppig ist stark untertrieben.

"Sie ist schwanger", flüstert Susanne mir zu. Oh ja, wirklich? Fällt kaum auf. Susannes Freundin hat so eine günstige Figur, dass man eine Schwangerschaft kaum bemerkt.

Kurz danach kommen Rupert und Betty. Ich liebe die beiden. Betty hat sich öfter bei mir gemeldet, und ich glaube, die beiden verteilen ihre Gunst ziemlich gerecht auf zwischen Parker und mir.

Dann kommt der kleine Ralf mit zwei anderen Bekannten, er ist wirklich ein netter Typ und versorgt mich immer mit bester Musik. Heute hat er mir eine Kassette mit Colourbox und Spandau Ballet mitgebracht. Irgendwie passend zu meinen Schuhen...

Dann kommen zwei Leute, die Susanne kennt. Einer ist wohl ein Exfreund von ihr, und er scheint wirklich gut drauf zu sein.

Clem erscheint mit drei Leuten, einem eher unscheinbaren Typen und zwei Frauen. Eine davon ist rothaarig, hübsch und recht schnippisch, und die andere ist ... auch ganz hübsch.

Die vier besetzen meinen Küchentisch, auf dem mein Bakelitradio steht und tun so, als wären sie hier zu Hause. Na gut.... Die Gäste sollen sich wohl fühlen.

Ich setze mich zu Rupert und Betty auf die Terrasse und unterhalte mich mit ihnen. Sie fühlen sich nicht ganz wohl hier. Ich kann das nachvollziehen, denn ich fühle mich auch nicht ganz wohl hier. Aber das kann sich ändern.

Rupert kümmert sich um den Grill, er hat die meiste Erfahrung damit.

Nachdem der Grill an ist, begebe ich mich wieder in die Küche – ich muss mal erklären, wie meine Wohnung so gelagert ist: Also, man kommt direkt in die große Diele mit dem Spiegel und einem kleinen antiken Schrank. Von der Diele gehen vier Türen ab. Eine führt geradeaus in mein Wohnzimmer, das L-förmig und recht groß ist, Die Tür daneben führt in mein Schlafzimmer, ferner führt eine kleine Tür in das winzige Klo – immerhin hat es ein Waschbecken, ein richtig gutes von Villeroy und Boch, und dann gibt es noch die Tür zur Küche, es ist eine große Küche, mindestens vierzehn Quadratmeter groß. In der Küche gibt es nur eine weiße Arbeitszeile, ein dunkelblau gestrichenes Eichenbüffet und einen großen dunkelblau gestrichenen Küchentisch mit vier weißen Gartenstühlen aus Kunststoff, sie sehen ganz gut aus und waren verhältnismäßig teuer. Die Tapete ist zartblau-weiß gestreift. Von der Küche zweigt noch ein winziger Raum ab, in dem mein Gefrierschrank (den ich absolut nicht brauche) und meine Waschmaschine stehen. Es gibt dort statt eines Fensters eingemauerte Glasbausteine, die man auf ‚offen’ stellen kann und durch die Öffnung können meine Katzen jederzeit rein und raus. Und vor dieser komfortabel großen Küche liegt nun die Terrasse mit dem Garten nach hinten raus. Das Badezimmer ist übrigens durch das Schlafzimmer zu erreichen. Es ist eine interessante Wohnung, sehr großzügig aufgeteilt und mit hohen Wänden. Nur leider viel zu teuer für mich alleine.

Ich begebe mich also wieder in die Küche, stelle mich an den Küchentisch und versuche, ein Gespräch in Gang zu bringen. So als Gastgeberin.

Das soll mir schlecht bekommen, weil die anscheinend nicht auf Gespräche mit mir scharf sind. Die rothaarige Perle, die anscheinend zu Clem gehört, bläst mich hinweg mit einer blöden Bemerkung. Was hat die blöde Kuh gegen mich? Hab ich ihr irgendwas getan? Ich kenne sie doch gar nicht. Oder hat Clem irgendwas erzählt über diese Nacht vor zwei Monaten? Und wenn schon, was geht es sie an?

Ich ziehe mich wieder auf die Terrasse zurück – die Katzen sind auch da und beäugen die Koteletts – und unterhalte mich wieder mit Rupert und Betty. Der Grill kokelt auch sehr schön vor sich hin.

Clem hat ein paar dekorative Tellerchen mitgebracht, die beladen sind mit tollen Sachen, mit Salaten, Fleisch und allem möglichen Zeugs, und Rupert traut sich gar nicht, die ganze Herrlichkeit auseinander zu reißen.

"Wie wär’s, wenn wir den ganzen Teller auf den Grill legen?" regt er an. Rupert ist ein Supertyp irgendwie.

"Ja, wenn die aus Pappe wären..." Ich muss lachen. Denn die sind nicht von Pappe sondern von Plastik.

Aus der Küche höre ich jemanden fragen: "Wo ist Irma?"

"Draußen", meint jemand.

Hardy erscheint auf der Terrasse, er orientiert sich mit einem kurzen Blick, und er ist blendend aussehend, wie ich ihn in Erinnerung habe, nur seine Haare sind kürzer. Er ist ganz schlicht angezogen, Jeans, ein T-Shirt und darüber eine gerade geschnittene dunkle Jacke. Sieht elegant aus, aber es liegt wohl daran, wie er diese schlichten Sachen trägt...

Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und entfernt sich eilig wieder in die Küche.

Betty guckt mich zweifelnd an. Oder skeptisch.

"Er ist Mathelehrer", sage ich zu ihr, erhebe mich langsam und laufe ihm hinterher.

"Kommst du klar?" frage ich Hardy, der sich gerade am Kühlschrank zu schaffen macht.

"Sicher."

Daraufhin verziehe ich mich wieder nach draußen und unterhalte mich weiter mich Rupert und Betty. Die scheinen immer noch zu hoffen, dass ich wieder mit Parker zusammenkomme. Wir plaudern hauptsächlich über das Oldtimerrennen am Nürburgring, wo wir bis jetzt jedes Jahr gewesen sind und das dieses Jahr sehr spät stattfindet. Ich möchte unbedingt dort hin und zwar mit den beiden. Und Betty bewundert meine Schuhe, so was Flaches hätte sie noch nie gesehen. Betty sucht wegen ihrer Größe immer flache, aber elegante Schuhe...

Ich gehe mit dem kleinen Ralf ins Wohnzimmer, um die neuen Kassetten zu checken, ach ja, ohne ihn wäre meine Musik viel ärmer.

Hardy kennt wohl diesen Freund von Susanne. Man steht lässig gelehnt am Eichenbüffet und unterhält sich angeregt. Seltsam, dass die sich alle untereinander kennen.

Susanne steht neben den beiden, hilflos ans Eichenbüffet gelehnt, und sie macht ganz große Augen. Diese Pose und diesen Gesichtsausdruck kenne ich doch... Aber woher?

Ja genau, damals, als wir im Kalei zusammen tanzten, da sah sie genauso aus. Das ist ihre Anmache. Aber wen will sie anmachen?

Ich muss ein Lachen unterdrücken.

Das Objekt ihrer Begierde kümmert sich absolut nicht um sie, aber ich wette, dieser Schweinhund registriert jeden Blick, den eine Frau ihm zuwirft. Oder wie in diesem Falle nicht zuwirft....

Die Viererbande am Küchentisch ist sehr lustig, aber da gehe ich nicht mehr hin, diese blöde rothaarige Kuh...

Hardy läuft mit Susannes Freund im Garten herum. Ich sehe das rein zufällig. Verdammt noch mal, er ist ja auch nicht zu übersehen.

Ich unterhalte mich mit Rupert, Betty und Ralf über Parker und versuche, nicht allzu gemeine Details unserer Beziehung auszuplaudern. Ralf ist eindeutig auf meiner Seite und meint, ich sollte diesen Arsch nie mehr an mich ranlassen.

Die üppige Freundin von Susanne kommt ganz gut bei den Leuten an. Sogar Hardy unterhält sich mit ihr. Vielleicht sollte ich selber mal ein bisschen üppiger werden, ich bin zu dünn...

Allmählich werde ich lockerer, wahrscheinlich durch den Rotwein.

"Du sieht besser aus als damals", sagt Hardy zu mir, als wir uns mal über den Weg laufen.

"Oh, ja wirklich?" Sah ich vor zwei Monaten wirklich so schlecht aus?

Und weg ist er. Ich habe das Gefühl, er geht mir aus dem Weg. Und ich habe auch das Gefühl, er hat irgendwas vor, denn wieso sonst sieht er aus wie ein Kater, der sich in Kürze ein Schüsselchen Sahne einverleiben wird?

Aber wo ist die Sahne?

Das Fest ist irgendwie gut. Ich muss mich nicht viel um die Gäste kümmern, und die Gäste kümmern sich nicht viel um mich.

Dieser Hardy kommt mit jedem gut klar – nur ein einziges Mal begibt er sich an den Küchentisch, erzählt ein bisschen, und die Weiber himmeln ihn an und hängen an seinen Lippen. Es ist zum Piepen.

Der Exfreund oder Freund von Susanne dreht sich einen Joint. Susanne ist begeistert. Hardy auch. Er gesellt sich zu den beiden und raucht locker mit.

Rupert und Betty gucken mich entsetzt an. Sie sind in einer Rauschgifthöhle gelandet. Ich zucke mit den Schultern. Wenn die wüssten, wer alles raucht. Vom Arbeiter bis zum Universitätsprofessor. Ich kann allerdings nicht so richtig Geschmack daran finden, ich trinke lieber.

 

Es ist schon spät geworden, und die Reihen lichten sich allmählich. Als erste sind Rupert und Betty verschwunden. Ralf geht ein bisschen später.

Dann bricht die Vierergruppe vom Küchentisch auf, Clem allerdings geht nicht mit ihnen.

Ich weiß nicht, wer als nächstes geht, ich kriege das alles nicht mehr so richtig mit.

Nachdem dann Susanne mit ihrem Exfreund gegangen ist, sehe ich mich auf einmal mit Clem und Hardy alleine. Wie vor zwei Monaten...

Wir gehen ins Wohnzimmer, und ich setze mich ziemlich weit weg von Hardy hin.

Clem macht einen recht niedergeschlagenen Eindruck, und er scheint ziemlich sauer zu sein.

"Warum bist du nicht mitgegangen?" kann ich mich nicht enthalten zu fragen.

"Sie wollte alleine weg ", seine Stimme klingt verkniffen, und nach einer kleinen Pause sagt er irgendwie noch verkniffener: "Ist eben freie Liebe."

Das hätte er nicht sagen sollen, denn Hardy fängt sofort schallend an zu lachen. Und ich weiß auch genau warum. Dieser Idiot Clem ist gerade von seiner Perle zurückgelassen worden und bezeichnet diese Niederlage als ‚Freie Liebe‘. Das würde Hardy natürlich nie passieren.

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mitlache. Denn der Ausdruck ‚Freie Liebe ist genauso beschissen wie der Ausdruck ‚Selbstverwirklichung’. Ein Bekannter von mir, der hatte immer junge Freundinnen, die sich nach einer Weile immer verpissten mit der Bemerkung: Ich muss mich jetzt selbst verwirklichen. Ja klar, die hatten einfach nur die Schnauze voll von ihm und wollten es nicht so hart ausdrücken. Aber Männern kann man wohl alles erzählen...

Mittlerweile bin ich sicher, dass Hardy als letzter hier sitzen wird und dann... Ja was dann? Lassen wir uns überraschen.

Bald darauf geht auch Clem, nicht ohne uns vorher einen misstrauischen Blick zugeworfen zu haben. Ich und Hardy sind uns den ganzen Abend über beflissentlich aus dem Weg gegangen. Clem kann sich wohl nicht vorstellen, was zwischen uns so abgeht. Ehrlich gesagt, ich auch nicht...

Hardy gähnt und fragt dann so nebenbei: "Hättest du was dagegen, wenn ich hier schlafe? Ich könnte meinen Schlafsack aus dem Auto holen."

"Du kannst im Bett schlafen." Ich deute großzügig in Richtung Schlafzimmertür. Und wundere mich, warum ich das gesagt habe.

Ein befriedigtes Lächeln überzieht sein Gesicht.

Ich lächele ihn hinterhältig lieb an, denn ich weiß genau, was er denkt. Er denkt: Ich wusste es, die blöde Kuh war von Anfang an scharf auf mich...

Aber er weiß nicht, was ich denke. Allerdings weiß ich das auch nicht so genau. Ich habe spontan gesprochen und habe keine Ahnung, was bei der Sache herauskommen wird. Aber ich bin gewarnt. Er ist gefährlich.

"Ich muss noch aufräumen." Ich räume ziemlich lange auf, spüle Geschirr und so weiter, es dauert mindestens eine halbe Stunde, denn ich habe die Hoffnung, dass er bis dahin schon eingeschlafen ist. Ich weiß nicht recht, wie ich mich verhalten soll, was ich tun soll.

Ich schaue nach den Katzen, die sitzen draußen auf der Bank, sie können durch die Glasbausteinöffnung hinein, die steht fast immer offen. Ich hoffe, dass eventuelle Einbrecher da nicht durchpassen, es sei denn, sie wären ganz klein.... Oh Gott ich muss jetzt allmählich ins Schlafzimmer gehen.

Über meinem Bett hängt übrigens ein Plakat von ‚the Fall’, Punkgruppe mit irren Texten: I hate Containers and their drivers... Super Plakat, expressionistisch gemalt irgendwie, ein Penner sitzt vor einem Slumviertel und um ihn herum liegen viele Flaschen und viel Müll. Bruce fand es geil, ich hoffe Hardy auch... Und wenn nicht – auch egal.

Er schläft wahrscheinlich schon. Ich laufe leise durchs Schlafzimmer in das Badezimmer, lasse mir ein bisschen kaltes Wasser übers Gesicht laufen, ziehe das bestickte dünne indische Hemd an, das aussieht wie ein Minikleid, denn ich habe keine Lust, mich nackt neben ihn ins Bett zu legen, und außerdem friere ich immer leicht an den Schultern.

Gut, ich gehe leise wieder zurück und schlüpfe unter die Bettdecke. Leise, ganz leise...

Ende Kapitel 9

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Kapitel 10

Juli – there was a young man named Skinner....

 

Gut, ich gehe also leise wieder ins Schlafzimmer und schlüpfe unter die Bettdecke. Leise, ganz leise.

Der und schlafen! Kaum liege ich, da ist schon über mir, und er macht sich noch nicht mal die Mühe, mir mein indisches Hemd auszuziehen.

Er ist so leicht in mir, dass ich es nicht glauben kann.

"Äääh ,Moment mal", stammle ich, aber das wird natürlich ignoriert, denn schließlich habe ich ja nicht ‚nein’ gesagt.

Er hat mich zurecht gelegt und stößt in mich hinein. Und irgendwie bewundere ich seine Geschicklichkeit. Er muss verdammt viel Erfahrung mit Frauen haben. Und das ärgert mich irgendwie auch.

Was habe ich ihm damals eigentlich erzählt, ich versuche, es mir in Erinnerung zu bringen, während ich auch versuche, meinen Körper ganz ruhig zu halten und ja nicht in seinen Rhythmus einzusteigen. Ich bin ja so was von passiv, obwohl ein Instinkt mich fast dazu treibt, sich ihm entgegenzubiegen und... nein, nein, nein, das könnte ihm so passen!

Also was habe ich damals erzählt? Ach du lieber Himmel, war ich damals total bescheuert?

"Jeder Mann, der mit mir schläft, verliebt sich in mich. Und das kann ich keinem zumuten."

Ja sicher, klar doch, seitdem ist viel passiert, und Bruce hat sich einen Dreck in mich verliebt. Dieses blöde Gewäsch kann Hardy doch nicht ernst genommen haben... oder?

"Und außerdem bin ich sowieso frigide!"

Auch das kann er nicht ernstgenommen haben. Ich versuche immer noch, mich nicht zu bewegen. Warum schreie ich nicht um Hilfe? Warum versuche ich nicht, ihm in die Eier zu treten. Das könnte ich, wenn ich es wollte. Und trotzdem liege ich hier und lasse mich von ihm ficken und habe seltsame Gedanken dabei...

Ich denke an einen Limerick, den ich aber nicht mehr richtig zusammenbekomme.

There was a young man named Skinner

who took a nice lady to dinner

but before dinner Skinner was in her….

Da stimmt was nicht. Das ganze Versmaß stimmt nicht. Ein Limerick ist ein Fünfzeiler, glaube ich, und da fehlt ja fast die Hälfte.... aber wie treffend! Ich glaube, ich muss kichern, tue es aber vorsichtshalber nicht...

Das Ganze spielt sich ohne Anfassen ab, bis auf die primären Geschlechtsteile natürlich. Das ist wohl unumgänglich, aber er berührt noch nicht mal meine Brüste.

Hardy ist wahrscheinlich meine passive Reaktion leid. Er hält einen Augenblick inne, greift sich dann mein rechtes Bein und hebt es in einem wie mir scheint komplizierten Akt hoch, führt es so vor sich her und legt es dann über mein anderes Bein – gut dass ich so gelenkig bin – so dass er jetzt ... irgendwie.. unter mir ist.

Ich soll mich also selber stimulieren, indem ich ein Bein eng über das andere lege. Hey, das ist gar nicht so schlecht. Das habe ich noch nie gemacht... Aber ich lass mich von dem nicht rumkommandieren.

"Was zum Teufel...." sage ich empört.

"Ach sei ruhig." Er würgt meine Worte einfach ab.

Na gut, auf diese nette Aussage hin entspanne ich mich vollkommen, denn das ist für mich eigentlich der sicherste Weg, nicht zum Orgasmus zu kommen, doch wer beschreibt mein Erstaunen, als es plötzlich, vielleicht wirklich ausgelöst durch meine Passivität, nein... Scheiße... nicht das. Er soll es nicht merken. Ich halte mir die Hand vor den Mund, um mein Stöhnen zu verbergen, aber automatisch drücke ich meine Schenkel doch enger übereinander und fasse als Krönung auch noch mit der Hand dazwischen... Was zum Teufel tue ich da?

Natürlich spürt er es. Das ist keiner, der auf einem Eimer schläft. Und warum empfinde ich keinen Widerwillen gegen ihn. Er müsste mir total fremd sein. Gut, das ist er auch, aber sein Körper ist mir vertraut. Warum?

Egal, er hat es gemerkt, und er fängt auch an zu stöhnen. Er hat mich zum Orgasmus gebracht und das, obwohl ich ziemlich besoffen bin – und das in diesem Zustand normalerweise nicht schaffen würde. Das ist ungewöhnlich.

Er zieht sich aus mir zurück und lässt sich neben mich fallen.

Wir berühren uns in keinster Weise, wir drehen uns in verschiedene Richtungen, und ich glaube, ich schlafe schnell ein.

*****************************************************

So um acht Uhr, keine sechs Stunden später wache ich auf.

Mein Kopf ist in keiner guten Verfassung, und ich habe einen widerlichen Geschmack im Mund.

Er ist nicht im Bett. Ist er etwa schon weg? Nein, ist er nicht. Ich höre Geräusche aus der Küche. Es ist die Kühlschranktür.

Als er wieder ins Schlafzimmer kommt, stockt mir der Atem. Was habe ich getan? Ich habe mich mit einem Gott eingelassen. Ich, eine Sterbliche.

Denn es ist Apollo, der Sonnengott persönlich, der gerade nackt ins Schlafzimmer kommt. Allein seine Haltung ist göttlich. Die meisten Männer sehen nackt irgendwie lächerlich aus, sie schämen sich wahrscheinlich aus irgendwelchen Gründen. Sie laufen ungeschickt und tölpisch daher, und irgendwie hat man keine Achtung vor ihnen, nein ganz im Gegenteil.

Aber er... Er hat eine göttliche Figur, eine vollkommen ungezwungene Haltung, er ist so von sich überzeugt, und er hat verdammt noch mal recht, er ist göttlich – und ich lasse automatisch meinen Blick tiefer schweifen... Warum tue ich das? Auch das ist göttlich. Er sieht natürlich, dass mein Blick tiefer geschweift ist, verzieht den Mund zu einem spöttischen Grinsen und kommt auf mich zu.

Apollo selbst kommt zu mir ins Bett. Aber ich bin nur eine ganz normale Sterbliche, und ich bin heute Morgen ganz besonders sterblich...

Ich wende geblendet die Augen ab. Außerdem habe ich Kopfschmerzen. Und ich fühle mich hundsmiserabel, elend und beschissen.

Ich schwinge mich aus dem Bett, gehe aufs Klo und danach ins Badezimmer, wobei ich durchs Schlafzimmer gehe, ohne ihn anzuschauen, putze mir die Zähne und lasse mir fünf Minuten lang eiskaltes Wasser über mein Gesicht laufen.

Dann muss ich zurückkehren ins Schlafzimmer.

Er misst mich mit seinen Blicken, er misst meinen Körper, der anscheinend von hinten von der Sonne bestrahlt wird und deutlich zu erkennen ist, er misst mich mit triumphierenden begehrlichen Blicken, klar doch, ich habe eine gute Figur – ich lasse mich ins Bett fallen und drehe ihm meinen Rücken zu. Das ist vielleicht ein Fehler. Oder auch nicht.

Es ist egal, er schiebt seinen linken Arm unter meine Hüfte, drängt sich nahe an mich heran, und ich spüre sein Glied an meinem Hintern.

Ich greife hinter mich, und ich fasse es an und streichle es. Er weicht ein bisschen nach hinten aus, damit ich Platz genug habe. Es fühlt sich wunderbar an. Es ist groß, es ist fantastisch groß, aber nicht zu groß, es ist einfach perfekt und hat die ideale Form. Und ich habe es noch nicht einmal richtig gesehen – nur vorhin ganz flüchtig, als er ins Schlafzimmer kam und ich meine Augen züchtig und verlegen zumachte – nur in mir gefühlt heute Nacht, und jetzt fühle ich es in meiner Hand.

Mit der rechten Hand streichelt er meine rechte Brust und die linke, die er unter meine Hüfte geschoben hat, greift um mich herum und öffnet sachte meine Schamlippen, so dass ich mich wahrhaftig nackt fühle, und mein empfindlichster Punkt fängt an zu pochen, obwohl er mich noch gar nicht dort berührt hat. Vielleicht ist gar keine Berührung besser als eine zu heftige. Das machen die meisten Männer falsch. Die denken, eine Frau wäre dort genauso robust und widerstandsfähig wie ein Mann an seinem Schwanz, aber das stimmt nicht, zumindest nicht bei mir.

Ich glaube, ich atme heftiger. Instinktiv hebe ich mein Hinterteil etwas an und dränge mich dann an sein Glied. Ich will es in mir haben. Ich lasse es widerstrebend los, hebe mein rechtes Bein an und lege es über seine Hüfte.

Das ist wohl das Zeichen, er entfernt seine Hand von meiner rechten Brust, oh das ist gemein und schiebt dann gekonnt sein Glied mit der jetzt freien Hand in mich, er macht es ganz langsam; und ich glaube, ich helfe ihm dabei. Aber er hätte es bestimmt auch alleine gekonnt. Er kann das. Er ist kein Stümper.

Er ist in mir, und er füllt mich verdammt gut aus, er macht nicht viel, und gerade das erregt mich besonders. Ich fange an, mein Hinterteil rhythmisch gegen ihn zu bewegen, und er macht immer noch nicht viel, und das macht mich rasend, Er fängt wieder an, meine Brustwarze zu streicheln und das durch den Stoff meines dünnen indischen Hemds hindurch, und das macht die Sache noch geiler.

Mit der linken Hand, sein Arm liegt immer noch unter meiner Hüfte, spreizt er wieder meine Schamlippen, doch diesmal legt er einen Finger auf meine Klitoris und lässt ihn da einfach ruhig liegen. Das ist nicht fair, ich winde mich, um mich an seinem Finger zu reiben, es ist nicht fair, verdammt noch mal, warum ist er so gut. Er macht immer noch Pausen, in denen er mit seinem Schwanz sekundenlang ganz in mir ist, aber ich spüre, dass es nicht mehr lange bei ihm dauern kann und schlage mein rechtes Bein über mein linkes und nehme seinen blöden Finger in meiner Scham gefangen...oooh, das.. ist.. es.. jaaaa., und dann kommt es. Ich höre irgendwie, wie ich anfange zu stöhnen, ich habe seinen Finger mit meinen Schenkeln gefangen genommen und ich spüre, wie ich anfange, unter diesem Finger zu pulsieren, und dann vergehe ich in süßen qualvollen Zuckungen.... Kurz darauf lässt er sich endlich gehen und spritzt in mich hinein, und auch das macht mich noch erschaudern, obwohl ich eigentlich total fertig sein müsste. Aber er ist gut, verdammt gut. Er ächzt, während er kommt und macht so wimmernde Laute bei seinem Höhepunkt

Es ist wunderbar, seine Laute zu hören. Er wirkt so hilflos.

"Du hast einen schönen Busen." sagt er ein wenig später, und seine rechte Hand hält immer noch meine rechte Brust umfasst.

"Ja wirklich?...." Ich versuche, mit ruhiger Stimme zu sprechen, denn ich bin noch ein wenig außer Atem, aber das will ich ihm nicht zeigen. Und ich bewege mich nicht. Er ist noch in mir, und ich will ihn nicht verlieren, sondern noch eine Zeitlang in mir behalten. Er scheint es zu genießen, aber ich glaube, er genießt alles, was neu für ihn ist (ist es neu?), er ist ein total sinnlicher Typ.

Schließlich nach fünf Minuten stehe ich dann auf und mache Kaffee. Vielleicht hilft mir der Kaffee, meine Kopfschmerzen zu überwinden. Ich kehre mit einer großen Kaffeetasse ins Schlafzimmer zurück.

"Willst du auch eine?" frage ich ihn.

Er liegt so wunderbar entspannt in meinem Bett. Schade, dass ich seinen Körper nicht sehen kann. Er schüttelt den Kopf.

Seltsam, mit Bruce ging überhaupt nichts, es war unbefriedigend mit ihm zu schlafen, und er ist nicht über Nacht geblieben, obwohl ich es mir so gewünscht hatte, mal nicht alleine aufzuwachen.

Und jetzt hatte ich mir gar nichts gewünscht und mir gar nichts vorgestellt, und trotzdem hatte ich außergewöhnlich guten Sex, und der Mann dem ich dieses verdanke, ist sogar über Nacht geblieben. Bekommt man nur etwas, wenn man sich gar nichts gewünscht hat? Vielleicht sollte ich mir nichts mehr wünschen und mir nichts mehr vorstellen. Vielleicht ist das das Geheimnis.

Und dabei kann ich ihn überhaupt nicht ausstehen!

Wir liegen wieder nebeneinander, ohne uns zu berühren.

"Du und Susanne, ich wart die interessantesten Frauen gestern Abend", sagt er nach einer Weile und schaut mich dabei an, hinterlistig an, wie mir scheint.

Er findet mich interessant? Hmmm... Ich muss jetzt gut überlegen, was ich sage. Eigentlich fasse ich es als Kompliment auf, denn normalerweise sieht Susanne zehnmal besser aus als ich. Aber vielleicht geht es ja gar nicht ums Aussehen.

"Vielleicht hättest du besser Susanne anmachen sollen... Die ist besser drauf als ich", schlage ich locker vor. Er soll wissen, das ich keinerlei Eifersucht auf Susanne hege.

"Hmmm", sagt er nach einer kleinen Denkpause. "Ich dachte, die wäre mit diesem Typen zusammen."

"Nicht, dass ich wüsste. Schade, da hast du Pech gehabt." Oh das ist gut! Er wollte mich eifersüchtig machen, wollte mich meine Nichtigkeit fühlen lassen, aber ich habe es ihm zurückgegeben.

Er schaut mich etwas zweifelnd an, lässt dann dieses Thema fallen, und wir unterhalten uns über die Gäste, die sonst noch da waren. Die üppige Freundin von Susanne wird nur am Rande erwähnt, er lächelt wirklich verlegen, und ich mag ihn auf einmal dafür. Nicht wirklich natürlich.

Die rothaarige Freundin von Clem wird nicht erwähnt, die andere Frau auch nicht – die haben sich anscheinend schon dadurch disqualifiziert, weil sie mit Clem zusammen waren.

Irgendwie kriege ich das alles nicht so richtig mit, ich habe immer noch Kopfschmerzen, und mir ist nicht gerade gut so vom Magen her.

Er erzählt von seinem Vater, und dass der prächtige Haare hätte, und dass er selbst wohl auch keine Glatze kriegen würde.

Er erzählt von einem nicht gesehenen Fußballspiel bei Kollegen, weil der Fernseher just in diesem Moment kaputtging.

Ich erzähle ihm von meinem Fernseher, der zwar ein sagenhaft stromlinienförmiges silbernes Design hat, aber leider auch die Angewohnheit, einfach auszugehen, wenn jemand im Raum mit irgendwas klappert oder klingelt. Er hat nämlich noch eine vorsintflutliche Ultraschallbedienung

Er lächelt darüber, dann deutet er auf seine Taille und meint, er wäre fett geworden.

"Zeig mal," sage ich spontan und bereue es sofort. Er denkt bestimmt, ich wollte seinen prächtigen Körper sehen. Dafür geht es mir eigentlich zu schlecht, aber trotzdem bin ich beeindruckt, er hat kein Gramm Fett am Leib, und sein Bauch ist traumhaft durchtrainiert. Aber was für ein eitler Fatzke!

"Ich sehe nichts", sage ich. "Außerdem mag ich stattliche Männer...." Und muss dabei automatisch an Bruce denken, einen wirklich stattlichen Mann, dessen Stattlichkeit schon fast in Massigkeit übergeht.

"Stattliche Männer!" Hardy fängt an zu lachen. "Und wie nennt man das noch mal bei Frauen?" Hier fragt der Lehrer, und ich habe irgendwie das Gefühl, geprüft zu werden.

"Vollschlank", sage ich nach kurzem Überlegen.

"Ja genau.... Stattliche Männer und vollschlanke Frauen."

Kriege ich jetzt ein Fleißkärtchen? Aber eigentlich ist er recht nett zu mir, ist ja auch kein Wunder, er hat seinen Spaß gehabt, ist vielleicht besänftigt und denkt, er hätte mich feste im Sack. Ja Pustekuchen! Gar nix hat er!

 

Irgendwann schlägt er vor, aufzustehen und zu frühstücken. Will er denn gar nicht nach Hause gehen?

Na gut, ich erhebe mich, mache wieder Kaffee, und diesmal trinkt er den Kaffee. Was isst er da eigentlich. Ich habe den Tisch nicht gedeckt. Soll er doch selber sehen, was da ist. Wahrscheinlich isst er irgendwas, was von gestern übrig geblieben ist. Also, ich könnte jetzt nichts runterkriegen, und ich könnte auch nicht rauchen, allein schon der Gedanke daran ist widerlich..

"Kann man hier irgendwo spazieren gehen?" fragt er.

Spazieren gehen gehört bestimmt zu dem Ritual nach einer Nacht mit einer bescheuerten Frau.

Ja wo? Ich überlege. Doch, ein paar Minuten von hier ist ein kleines Wäldchen, wo man vorzüglich spazieren gehen kann. Ich war einmal mit Susanne da. Es ist natürlich kein Wald, wie ich ihn aus meinem Geburtsort kenne, kein finsterer romantischer Fichtenwald mit Himbeerbüschen und Stechfliegen, sondern ein aufgelockertes Laubwäldchen und somit natürlicher als der nach dem zweiten Weltkrieg künstlich angelegte Fichtenwald meiner Heimat.

"Raff dich auf und zieh dir was an."

"Ich soll mitkommen?" frage ich entsetzt. Ich habe es also mit einem Sadisten zu tun, der mich in meinem Katerzustand durch die Gegend schleifen will.

"Na klar."

Tatsächlich habe ich immer noch mein dünnes besticktes indisches Minikleid an. Hardy verschwendet keinen Blick an meine körperlichen Reize, und deswegen kann es mir auch egal sein, was ich anhabe. Ich könnte auch nackt hier sitzen.

Also stehe ich auf und gehe ins Schlafzimmer, um mich anzukleiden. Ich ziehe meine teuerste und schönste Hose an, ein braunrosafarbenes Stück, das wie für mich gemacht ist. Man sieht meine schmale Taille, meine Hüften werden sanft von dem Stoff eingehüllt, und meine Beine zeigen sich von ihrer besten Seite. Immerhin hat diese Hose auch in preisreduziertem Zustand noch 98 Mark gekostet.

Ein weißes T-Shirt dazu und die Jacke meines naturfarbenen Hosenanzugs. Und blaue knöchelhohe Stoffturnschuhe.

Meine Haare sehen noch gut aus, stehen zwar ein bisschen in die Höhe, aber es geht, und mein Gesicht sieht nicht so müde aus, wie ich mich fühle, sieht eigentlich gut durchblutet aus. Aus was für Gründen auch immer.

Wir marschieren also los.

Natürlich halten wir einen respektablen Abstand voneinander. Das ist Pflicht. Und es ist irgendwie lustig. Ich fühle mich tatsächlich wie der weibliche Teil eines verlobten sizilianischen Paares. Unwillkürlich drehe ich mich um und schaue nach, ob irgendwelche schwarz gekleideten Vetteln uns folgen und jede unserer Bewegungen mit den Augen verfolgen. Um dann sofort einzuschreiten, wenn der Sicherheitsabstand zwischen den Verlobten zu gering ist.

Da besteht bei uns natürlich keine Gefahr. Unwillkürlich muss ich lächeln.

Zwei hübsche Mädchen kommen uns entgegen, und ich spüre, dass sie ihn anstarren. Ich glaube, mich mustern sie ein wenig verächtlich, klar, was will so ein Prachtexemplar von Mann mit so einer unscheinbaren Tussi?

Hardy scheint ihre Blicke weder zu erwidern noch zu bemerken, aber ich bin sicher, der registriert jeden bewundernden Blick, der auf ihn fällt.

Gott, ist er groß!

Das Wäldchen ist wirklich schön, und das Wetter ist auch gut. Tatsächlich kommt die Sonne immer stärker zum Vorschein. Klar, morgen muss ich wieder arbeiten.

Einmal, als ich wir irgendeinen Weg abkürzen wollen und eine holprige Steigung nehmen, strauchle ich fast und greife instinktiv nach seinem Arm. Er hilft mir kurz und lässt mich dann los wie eine heiße Kartoffel und lächelt irgendwie gemein.

Verdammt, ich wollte nichts von ihm!

Schließlich setzen wir uns auf eine Bank. Ich bin zwar ziemlich fertig, aber mittlerweile geht es mir tatsächlich besser, wohl durch die frische Luft.

Hardy erzählt über seine Schüler, die er mal nach draußen locken wollte, aber sie wollten lieber mit ihrem Gameboy spielen.

Hardy erzählt über eine Fernsehserie namens ‚Per Anhalter durch die Galaxis’.

Darüber weiß ich Bescheid. Hab’s zwar nicht selber gesehen, aber ein junger Freund von Parker, Ted Broll, ein Genie am Synthesizer, hat mir alles darüber erzählt. Auch er war begeistert. Ich glaube, ich muss mir mal die Bücher zulegen.

Also reden wir über Marvin, den depressiven Roboter, der in Millionen von Jahren nur eine einzige intelligente Unterhaltung hatte, und zwar mit einer Kaffeemaschine, und wir reden über den Chef der Vogonischen Raumflotte, der bei Disziplinarmaßnahmen über die Hälfte seiner Besatzung umgebracht hatte. Das ist wirklich witzig.

"Zweiundvierzig", fällt mir dann ein.

"Äääh was?" Er weiß tatsächlich nicht, was ich meine.

Ich kläre ihn darüber auf, dass 42die Antwort auf die Frage ist, die Antwort auf die Große Frage nach dem Leben, dem Universum und allem...

"Jau, tatsächlich. Nur ist die Frage falsch gestellt." Er dreht sich gerade eine Zigarette, und sofort bekomme ich auch Hunger auf eine.

"Jau. Kannst du mir auch eine drehen?" Mist, ich habe in Selbstüber- oder unterschätzung keine Zigaretten mitgenommen, und jetzt muss ich ihn anbetteln.

Er dreht mir eine – wie es scheint, tut er es sehr widerwillig, und er überreicht mir das fertige Produkt wie einen Tausendmarkschein.

Mist, ich habe natürlich auch kein Feuerzeug dabei, und als er keinerlei Anstalten macht, mir Feuer zu geben, nehme ich ihm das Feuerzeug aus der Hand und zünde es selber an. Was für ein Arschloch. Ich selber hätte keine Probleme damit, einem Mann Feuer zu geben, also was soll der Scheiß? Elender... Aber ich kann mich darauf einstellen, ich werde es nie wieder zulassen, dass ich ihn um irgendwas bitten muss, denn er ist der Typ, der mir alles verweigern wird. Man muss es nur wissen...

Ich glaube, ich habe allmählich die Schnauze voll. Ich will nach Hause, sage ich und erhebe mich. Wir sagen nicht mehr viel, und es ist kein peinliches Schweigen, nur ein Schweigen.

Ich dachte eigentlich, er steigt direkt in sein Auto, um wegzufahren, aber nein, er kommt wieder mit in meine Wohnung, wo ich mich entnervt ins Wohnzimmer schleppe, dann die Kassette mit ‚the The’ auflege und mich endlich auf mein Dreiersofa fallen lasse, nicht ohne vorher dekorativ meine Beine angewinkelt zu haben, denn ich weiß, dass ich so einen unwiderstehlichen Anblick bilde. Die Linie meiner Beine ist nämlich perfekt...

Er guckt noch nicht mal hin. Glaube ich jedenfalls.

Ich komme mir in seiner Gegenwart so klein vor. Fast wie ein Schulkind. Und durch seine gerade unbeugsame, gewissermaßen autoritäre Haltung wird dieser Eindruck noch verdoppelt. Er ist so fürchterlich dominierend. Das ist doch wohl nicht ganz normal!

Er lauscht der Kassette und fragt nach dem Namen der Gruppe.

"Kannst du vielleicht massieren?" fragt er mich dann und legt die Hand in seinen Nacken, anscheinend hat er Probleme mit seiner Muskulatur.

"Nein, ich kann nicht massieren." sage ich nach einer kleinen Gedankenpause und wie ich hoffe hämisch lächelnd und nicht bedauernd lächelnd. Natürlich könnte ich ihn massieren, kann ja nicht so schwer sein, seine herrlichen Muskeln weich zu kneten, aber warum sollte ich das tun. Soll er doch an Verspannungen leiden, der Idiot.

Er überlegt, das sieht man.

"So", meint er plötzlich. "Morgen fliege ich nach Mallorca. Er scheint tatsächlich deswegen etwas verlegen zu sein.

"Wieso? Mallorca ist doch sehr schön." Warum bin ich so nett zu ihm? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er mich manipulieren könnte durch sein verlegenes Aussehen. Und ich möchte mich nicht von ihm manipulieren lassen... Aber trotzdem bin ich nett zu ihm. Warum? Denn die Vorstellung, ihn auf Mallorca zu sehen, macht mich eigentlich rasend. Eingeborene, bringt eure Frauen und Töchter in Sicherheit, Hardy ist im Anmarsch... Aber das sollte mich eigentlich nicht interessieren.

"Schickst du mir ’ne Ansichtskarte?"

Das hätte ich besser nicht fragen sollen, war ja auch nicht ernst gemeint, aber wieder lächelt er boshaft und erhebt sch langsam. Er will tatsächlich gehen. Endlich!

Ich begleite ihn zu Haustür, wo er mir wieder diesen obligatorischen Kuss auf die Stirn gibt.

"Ich ruf dich an." sagt er.

Und weg ist er. Endlich.

Ich glaube, auch diesmal werden meine Augen trocken bleiben.

 

Ende Kapitel 10  LOVE GAMES © Ingrid Grote 2004

 

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