LOVE GAMES 

Kapitel 21

Oktober – Nur eine Illusion...  

Am Freitag Nachmittag rief Hardy an. Er bekam Besuch heute, ein Freund aus seiner Studienzeit wollte mit seiner Frau vorbeikommen.

Ich sagte schnell okay und wünschte ihm viel Vergnügen, er wollte wohl noch etwas sagen, aber ich hatte schon eingehängt.

Aha, ein Cobber mit Frau kommt zu Besuch. Hoffentlich hat die Frau keine Probleme. Und wenn schon , was geht’s mich an. Falls sie Probleme hat, kommt sie bestimmt in den Genuss einer seiner heißgeliebten Tröstungen mit hinterherigem Armumlegen.

Natürlich werde ich ihn nicht fragen, wie es war. Hinterher sagt er mir noch die Wahrheit, und ich muss gestehen, ich habe Angst davor. Manchmal erzählt er, was er am Wochenende gemacht hat. Er fährt natürlich nicht jedes Wochenende mit den Cobbers weg, eigentlich eher selten, aber er trifft sich natürlich mit dem Mob, geht mit denen irgendwo hin, einmal war er ganz allein im Jedermann am Samstag. Na gut, ich habe so meine Zweifel, ob er lange alleine geblieben ist... Jedenfalls will ich es nicht wissen. Ist besser, es nicht zu wissen.

Irgendwie bin ich sauer...

Ich ging einkaufen, fand aber nichts Gescheites, außerdem muss ich sowieso sparen. Und ich werde ausziehen, früher als ich dachte. Gott sei Dank geht die Heizung wieder. Der kleine Ralf hat sie wieder zum Laufen gebracht.

Ich hatte irgendwie Hunger auf Pizza und kaufte alles ein, um selber Pizza zu machen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, mich verwöhnen zu müssen. Meine Pizza ist berühmt, und Parker liebte sie. Alles handgemacht, echter Hefeteig und mit allen Schikanen, Schinken, Salami, Thunfisch, Oliven, Pfefferschoten, selbst geriebener Käse natürlich und als Krönung – warum sollte ich’s mir nicht mal gönnen – große Riesengambas, die unglaublich teuer waren. Ich rief Karen an, aber die war nicht zu Hause. Ich ging kurz bei Susanne vorbei, aber die war auch nicht zu Hause. Susanne hatte sich in letzter Zeit wirklich rar gemacht.

Also gut, keiner da, und ich hatte auch keine Lust, alleine irgendwohin zu gehen, die Pizza wollte ich sowieso erst morgen machen, und vielleicht ließ sich ja morgen irgendeiner blicken.

Also legte ich in mich in meine Badewanne, pflegte mich und ging früh ins Bett, nachdem ich vor dem Fernseher eingeschlafen war. Die Katzen gingen auch mit mir ins Bett.

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Am nächsten Morgen kommt Karen mit ihrem neuen Typen vorbei. Tatsächlich hat sie jetzt was Festes, bin gespannt, wie lange das hält. Sie bringt mir zwei Kilo Krabben vorbei, sie ist nämlich mit dem neuen Typen gestern in Venlo einkaufen gewesen, und es gab Krabben im Sonderangebot. Sie haben nur den Nachteil, dass man sie noch pulen muss. Eine Heidenarbeit, aber manchmal mache ich so total langweilige mechanische Arbeiten ganz gerne, man kann so gut dabei nachdenken.

Allerdings komme ich nicht groß zum Nachdenken, es schellt, und es ist der große dünne nette Typ, der mich und mein Fahrrad letztens vom Klonck nach Hause gefahren hat.

Er setzt sich neben mich und schaut mir beim Krabbenpulen zu. Er ist bestimmt nicht von mir fasziniert, sondern von der Art, wie ich die Krabben pule. Ich weiß nicht, was dieser Typ überhaupt von mir will, aber er ist ganz nett und angenehm.

Dann schellt es wieder, und diesmal ist es, oh Wunder, Hardy. Ich bin wirklich überrascht. Er kommt einfach vorbei, ohne angerufen zu haben und dann noch am Samstag, das ist der Tag, den wir eigentlich immer getrennt verbringen. Abgesehen von den vielen anderen Tagen.

Hardy schaut erstaunt auf den langen Typen, dem jetzt ein wenig unbehaglich zumute wird unter Hardys Blick und der sich daraufhin auffällig schnell verabschiedet. Hardy hat so einen Blick, mit dem er jeden einschüchtern kann. Ich schätze mal, das ist angeboren oder man lernt es, wenn man Kindern Unterricht geben muss.

"Was wollte der denn?" fragt er belustigt, als der Lange weg ist.

"Ich glaube, der wollte mir beim Krabbenpulen zusehen", sage ich. Und das ist ja wohl auch die Wahrheit.

"Ja, das ist bestimmt faszinierend", sagt Hardy, holt sich eine Tasse, gießt sich den restlichen Kaffee ein, den ich eigentlich selber habe trinken wollen, greift sich die Westdeutsche Allgemeine und vertieft sich erst in den politischen Teil und geht dann zu den Sportnachrichten über.

Ja, wahnsinnig faszinierend! Ich bin fast fertig mit den Krabben und überlege, was ich damit anstellen soll, vielleicht Krabbensalat machen, aber das ist zu aufwendig. Ich werde die Krabben einfach auf die Brötchen legen, die ich vor einer Stunde geholt habe. Vielleicht ein bisschen Remoulade drunter, damit sie nicht runterfallen und Scheiben von gekochten Eiern drüber.

Gut, dass ich schon fix und fertig angezogen bin, sonst wäre Hardy vielleicht auf die Idee gekommen, der Typ hätte bei mir übernachtet. Oder hat er keinerlei Zweifel in Bezug auf meine ‚Treue’? Der hat vielleicht ein Selbstbewusstsein...

Hardy isst die Krabbenbrötchen mit dem ihm eigenen Appetit. Ich sehe ihm gerne beim Essen zu, es hat so was Sinnliches, wenn er die Sachen erst schmeckt, dann für gut befindet und dann genüsslich isst. Es ist wie beim Sex. Fasziniert schaue ich ihm zu. Wir haben noch nicht oft zusammen gegessen, manchmal haben wir uns eine Pizza von gegenüber geholt, natürlich hat jeder für sich bezahlt, ich habe ihm nicht den Hauch einer ‚Chance’ gegeben, für mich mit zu bezahlen, ich musste immer an die Zigarette denken, die er mir damals so widerwillig gedreht hat. Das passiert mir nicht noch einmal.

Aber heute werde ich vielleicht für uns kochen. Na ja, kochen ist zuviel gesagt, ich werde Pizza machen. Falls er solange bleibt. Für Robert habe ich übrigens nie gekocht. Aber wer ist Robert?

Als ich die Teller vom Frühstück wegräumen will, greift er nach mir und schiebt seine Hände unter mein T-Shirt, so sanft und doch so besitzergreifend, dass ich ihm nicht widerstehen kann....

Diesmal bin ich oben und kann ihn dabei anschauen, er hat die Augen geschlossen, und wenn er sie aufmacht, dann hat er so einen verschleierten Blick, er sieht aus, als ob er total weg wäre. Denkt er vielleicht gar nicht an mich, stellt er sich eine andere Frau vor, die auf ihm ist, und deren Brüste er sanft streichelt. Oh Gott, er streichelt meine Brüste so sanft, dass ich fast wahnsinnig werde und auch ich fange an, seine Brustwarzen zu streicheln. Es erregt ihn, und er fängt an zu stöhnen. Die meisten Männer haben laut eigener Aussage nur eine einzige erogene Zone, und zwar ihren Schwanz, aber bei Hardy trifft das nicht zu.

Ich höre auf mich zu bewegen und lasse mich tiefer sinken, so dass mein empfindlichster Punkt voll – ich bin immer noch so herrlich nackt ohne Haare, und alleine dieses Gefühl macht mich geil – voll auf seinem Schambein aufliegt. Oooohh, seine Augen sind offen, und er beobachtet mich, ich glaube, er liebt es, wenn ich komme, er liebt mein Schluchzen, mein Stöhnen, vielleicht sogar mein verzerrtes Gesicht. Und es dauert dann nicht lange, bis er selber anfängt zu schluchzen, und ich beobachte ihn dann immer fasziniert, wenn sich sein Gesicht zu dem eines kleinen Jungen verwandelt, so hilflos und verletzlich.

Eine Stunde später, als ich gerade herrlich ermattet neben Hardy im Bett liege, und unsere Körper sich enger berühren als sonst, geht das Telefon, und ich stehe auf, um dranzugehen. Es ist meine Arbeitskollegin Frau Schmittke. Meine Kolleginnen sind alle älter als ich, alle verheiratet, solide und langweilig. Wir haben außerhalb des Büros kaum Kontakt, und deshalb wundere ich mich, dass sie hier anruft.

"Irmaschatz, hör jetzt einfach mal zu", sagt Helga Schmittke zu mir.

"Okay", sage ich und bin gespannt auf das, was da kommen wird.

Zu meiner großen Überraschung höre ich eine Flöte, eine Altflöte wie mir scheint, die irgend etwas Klassisches spielt.

Ich bin baff! Meine Arbeitskollegin spielt mir am Telefon was auf ihrer Flöte vor. Wenn das nicht verrückt ist! Aber es scheint mir gut zu meiner Nacktheit zu passen, und ich muss kichern.

Ich gehe mit dem Telefon ins Schlafzimmer – die Schnur reicht gerade bis zum Bett – reiche Hardy den Hörer und deute mit dem Zeigefinger auf meine Lippen, was soviel heißt wie: Sei ruhig jetzt und höre!

Seine Augen nehmen einen ungläubigen Ausdruck an, und er lauscht fasziniert. Ich glaube, so etwas hat er noch nie am Telefon oder sonst wo gehört.

Ich nehme den Hörer wieder an mich, denn es scheint, als ob Hardy gerade einen Lachkrampf kriegt und gehe wieder ins Wohnzimmer, wo ich mir den Rest der Serenade anhöre und mich danach herzlich bei Helga bedanke.

"Das war eine Arbeitskollegin von mir. Ich arbeite nur mit Verrückten zusammen", erzähle ich Hardy hinterher.

"Oh ja, Mannomann..."

Hardy hat die Idee, ein bisschen an die frische Luft zugehen. dieses Ritual soll also wieder zelebriert werden. Aber diesmal bin ich körperlich viel besser drauf als damals vor zwei Monaten, diesmal werde ich nicht hilfeheischend nach seinem Arm greifen Und diesmal werde ich meine Zigaretten mitnehmen... Aber wir werden natürlich wieder das sizilianische Brautpaar sein. Die Unberührbaren, zumindest gegenseitig unberührbar.

Ich führe ihn nicht in das Wäldchen, sondern in den Gruga-Park, der sich mitten in E. befindet. Gruga bedeutet eigentlich: Große Ruhrländische Gartenbau Ausstellung,  und sie ist ein Relikt aus den 60iger Jahren. Mittlerweile ist die Gruga so herrlich verwildert, hat so wunderbare verwunschene Ecken, dass man sie tagelang erkunden könnte. Ich war mit Susanne ein paar Mal da, Susanne liebt die Gruga, und es ist nicht weit von uns, höchstens sieben Minuten.

Ich führe Hardy natürlich nicht zu einem der Haupteingänge, die sind zu weit weg, und man muss dort Eintritt bezahlen, zwar nur drei Mark, aber immerhin. Nein ich führe ihn zum Eingang der Gärtnerei, dort gibt es ein Tor mit einer Klingel, und wenn man auf die Klingel drückt, dann geht das Tor wie durch Zauberhand auf, man geht durch die Gärtnerei, meistens ist kein Mensch da, und wenn doch irgendwelche Gärtner da sind, dann lächelt man ihnen bezaubernd zu und wünscht ihnen einen guten Tag, geht dann zügig geradeaus, und schon ist man mitten in der Gruga. Es ist genial.

Hardy ist sehr beeindruckt. Ich zeige ihm die Dahlienarena, deren Höhepunkt blütenmäßig zwar schon überschritten ist, aber sie ist immer noch ein Meer aus fantastischen Dahlien, Chrysanthemen und Astern in allen Farben und Formen. Ich liebe Dahlien!

Ich zeige ihm den Kräutergarten, wo ich mir den Salbei heraussuche, einen Zweig zerquetsche und Hardy daran riechen lasse. Salbei hat einen überwältigenden Geruch. Aber zu welchen Essen könnte man ihn verwenden? Außer Saltim Bocca fällt mir nichts ein.

Ich zeige ihm den großen Teich, wo zwei Pelikane trübsinnig hin- und her schwimmen und anscheinend nicht mehr aus dem Teich herauskommen können, weil der teilweise gemauerte Rand zu glatt ist. Werden sie ihr ganzes Leben dort weiterschwimmen müssen?

Hardy lächelt über meine Besorgnis.

Ich zeige ihm das tiefergelegene und von einem Mäuerchen umgebene Gehege, wo die kleinen Ziegen und die Kaninchen sind.

Ich zeige ihm die Bimmelbahn

Nach drei Stunden sind wir wieder zu Hause, und ich habe ihm noch nicht mal ein Viertel der ganzen Herrlichkeiten des Gruga-Parks zeigen können.

Aber ich bin auch ganz schön geschafft. Es ist mittlerweile sechs Uhr, und ich könnte allmählich mit der Pizza anzufangen. Also fange ich an, den Teig zu machen, gebe Mehl in eine große Schüssel, gebe Hefe dazu, Zucker und Büchsenmilch und warmes Wasser und lasse das Zeug in Ruhe. Es braucht seine Zeit.

Hardy hat sich ins Wohnzimmer gesetzt und den Fernseher eingeschaltet. Er guckt irgendwas mit Sport.

Ich fange an, Kochschinken und Salami zu schneiden, ferner eine Zwiebel, mehrere Knoblauchzehen, weil ich die Riesengambas damit marinieren will, zerkleinere die Pfefferschoten und reibe schon mal den Käse. Ich öffne eine Dose Tomaten, zermansche sie, würze mit Salz, Pfeffer und Oregano nach und dicke das etwas dünnliche Zeug mit Tomatenmark wieder an. Es ist wirklich eine ziemliche Arbeit. Gut, soweit ist alles vorbereitet, der Belag ist geschnitten, der Teig geht sehr schön auf, die Gambas sind mariniert in einer Paste aus zerquetschtem Knoblauch, Salz, Zitronensaft und Olivenöl. Die Katzen sind auch befriedigt worden mit zwei Scheiben Kochschinken. Ich mache den Backofen auf höchster Stufe an. Dann fällt mir noch was ein. Ich gehe ins Wohnzimmer.

"Magst du Sardellen?" frage ich Hardy. Sardellen sind nicht jedermanns Sache, allerdings finde ich, ein Hauch von Sardellen muss auf einer Pizza sein.

"Ich denke schon", sagt er.

Das Telefon läutet. diesmal ist es keine verrückte Arbeitskollegin, sondern es ist Betty, die sich mal nach meinem Befinden erkundigen will. Und außerdem will sie mich an das Oldtimerrennen am nächsten Wochenende auf dem Nürburgring erinnern. Jetzt fällt es mir wieder ein. Als ich die Grillparty gegeben habe, haben wir darüber geredet. Ach, ich liebe Rupert und Betty. Ich sehe sie zwar nicht mehr oft, aber sie haben an mich gedacht, und in einer Woche werden wir zum Nürburgring fahren. Samstags ganz früh.

Hardy hat mir beim Telefonieren zugehört und zeigt sich interessiert. Ich zeige ihm ein altes Buch, das ich auf dem Flohmarkt gekauft habe und in dem alte Rennwagen abgebildet sind. Und ich zeige ihm ein altes Programmheft von diesem Rennen am Nürburgring. Es ist allerdings schon drei Jahre alt.

Dann gehe ich wieder in die Küche und fange an, den Teig auf dem Backblech auszurollen. Ich glaube, er wird fantastisch, nicht zu fest, aber auch nicht zu locker, man kann ihn gut ausrollen. Ich gebe die Tomatensoße darauf, dann den Thunfisch, die Schinken- und die Salamistreifen. Dann ein paar Sardellenfilets und Oliven, ferner ein paar Zwiebelringe und die Pfefferschoten (Pfefferschoten müssen auf eine Pizza, denn die erste Pizza in meinem Leben habe ich in Westberlin gegessen und da waren Pfefferschoten drauf – köstlich!) und schließlich den geriebenen Gouda. Der Ofen ist schon vorgeheizt auf höchster Stufe, leider habe ich nur Oberhitze, aber es muss gehen... Ich schiebe das Blech in den Ofen. Die marinierten Gambas kommen erst kurz vor Schluss auf die Pizza, sonst würden sie austrocknen und nicht mehr nach Gambas schmecken.

Fertig!

Ich räume ein wenig auf und spüle. Das ist ein seltsamer Samstag, es ist ja fast so, als wäre ich mit einem Mann verheiratet, der gerade die Sportschau guckt, und ich bin die Ehefrau, die gerade kocht. Ist wirklich seltsam, aber nicht unangenehm.

Dann fällt mir noch etwas ein, und ich gehe hinaus zu meinem Auto. Hardy fährt übrigens zu meiner größten Verwunderung einen Volvo, also kann ich meine Theorie über bestimmte Autos und ihre Besitzer auf den Müll werfen. Wie war das noch: Volvo ist zuverlässig... Lächerlich!

Es gibt da nämlich in meinem Auto im vorderen Kofferraum eine riesige Flasche Rosé. Die liegt da immer noch drin seit Madames Geburtstagparty an der Ruhr. Ich hatte sie glatt vergessen, nicht die Party, die kann man nicht so leicht vergessen, sondern den Rosé.

Ich gehe mit der Zweieinhalbliter-Flasche ins Wohnzimmer und reiche sie Hardy zum Entkorken. Zu irgendwas muss der ‚Mann’ ja schließlich gut sein. Billy liegt auf seinem Schoß, und Hardy wird bald mit Billyhaaren übersät sein, aber es scheint ihm nichts auszumachen. Im Geiste sehe ich ihn vor mir, wie er sich angewidert ein Billyhaar von der Schulter zupfte, damals, als wir uns gerade ‚kennengelernt’ hatten.

Ich hole Gläser, und wir probieren den Rosé. Er ist wirklich verdammt gut. Und ich glaube, die Pizza ist fast fertig, die ganze Wohnung duftet danach.

Hardy behauptet, er hätte fürchterlichen Hunger und dass, wenn die Pizza so gut schmeckt, wie sie riecht, er sie alleine aufessen würde...

Die Pizza ist wirklich so gut wie sie riecht. Der Teig ist nicht zu hart geworden, sondern noch ein bisschen aufgegangen, die Gambas sind gerade richtig, kurz gesagt, sie ist spitzenmäßig. Ich habe auch nichts anderes erwartet.

"Ist ein guter Tag für dich, nicht wahr?" sage ich zu Hardy, der versonnen ein Stück Pizza isst. "Erst die Krabbenbrötchen mit mehr Krabben als Brötchen und jetzt meine selbstgemachte Pizza. Und der Rosé...."

"Du hast recht, Süße. Es ist ein guter Tag, aber nicht nur essensmäßig."

Gerade will ich ihn fragen, warum es für ihn ein guter Tag ist, da geht das Telefon.

Es ist eine wohltönende Frauenstimme, die sich vorstellt mit: "Sander, guten Abend, kann ich bitte mal Hardy sprechen?"

Ich bin so erstaunt, dass ich Hardy wortlos den Hörer samt Telefon gebe und mich dann ins Wohnzimmer zurückziehe. Er soll nicht denken, dass ich neugierig bin.

Aber ich bin verdammt noch mal neugierig. Was zum Teufel soll das? Wieso gibt er anderen Frauen meine Telefonnummer? Und woher wissen andere Frauen, dass er hier ist? Also was zum Teufel soll das? Will er mich vorführen?

Und nach näherer Überlegung werde ich allmählich sauer. Bis jetzt habe ich nicht viel mitbekommen von dem, was er sonst noch treibt, ich glaube, ich wollte es auch gar nicht mitbekommen, ich habe es verdrängt, und außerdem habe ich mich selber auch vergnügt.

Aber ich lasse mich nicht bei ihm von anderen Männern anrufen. Welch absurde Idee. Das ist ja geradezu krankhaft. Aber er kann es mit mir machen.

Das ist... unmöglich! Und ich werde ihn gleich rausschmeißen. So wie in der ersten Nacht. Das kann er nicht mit mir machen. Es gibt Grenzen.

Kurz darauf kommt er ins Wohnzimmer. Das Gespräch mit dieser Frau ist wohl beendet, und er teilt mir mit: "Es ist ein Notfall. Ich muss weg. Tut mir leid, Süße..."

Ein Notfall? Ach, es tut ihm leid.... Na warte nur, du Hund, wie leid es dir noch tun wird!

"Okay", sage ich. Ich werde ihm nicht zeigen, wie sauer ich bin, das könnte ihm so passen.

"Ich komm nachher wieder, wenn es geht", sagt er etwas unschlüssig.

"Brauchst du nicht. Ich wollte noch weggehen." Wollte ich zwar nicht, aber jetzt muss ich weggehen, denn der Gedanke daran, hier rumzusitzen und darauf zu warten, dass Hardy wiederkommt... Nein danke. Das haben wir nicht nötig. Wir haben so etwas wie ihn nicht nötig. Er ist so überflüssig wie ein Kropf. Kann er überhaupt noch fahren?

"Nimm dir noch’n Stück Pizza mit!", sage ich. Es ist eher hämisch gemeint, aber tatsächlich greift er sich ein Stück Pizza, küsst mich auf die Stirn, und weg ist er.

Na fantastisch!!! Ich weiß nicht, wie ich mich fühle. Jedenfalls schaut die Flasche Rosé mich freundlich an, und ich schaue freundlich zurück. Wie viel hat er überhaupt getrunken? Kann er noch fahren? Er hat bestimmt nur ein Glas Rosé getrunken, er ist ja so maßvoll... Und wieso mache ich mir Gedanken über diesen Sack?

Was könnte ich heute Abend machen? Gut, erst einmal werde ich ein paar Gläser Rosé trinken, so zum Einstimmen, und dann rufe ich ein paar Leute an. Irgendwie habe ich in Erinnerung, dass jeden zweiten Samstag im Monat in der Zeche Franz eine Art Disco stattfindet. Mit richtig guter Musik und Tanzen und Saufen und so weiter. Und heute ist der zweite Samstag im Monat, und ich würde dort hingehen. Und ich würde tanzen und saufen und... mal gucken. Ich war bereit für alles. Dieser Hardy hatte mich nur aufgehalten und behindert, einen richtig guten Mann zu finden, einen Mann, der meine Qualitäten (was für welche auch immer) zu würdigen wusste und der nicht irgendwelche Frauen trösten musste durch Beischlaf und hinterher.... Der verdammte Hund!

Als erstes rief ich Karen an. Sie war, oh Wunder zu Hause, und sie hatte Lust mitzugehen. Hatte sich das mit ihrem Freund schon zerschlagen? Egal. Dann rief ich den kleinen Ralf an. Der wollte auch mitgehen. Manchmal habe ich das Gefühl, der kleine Ralf ist ein bisschen in mich verliebt, aber auch das ist egal.

Dann rief ich Fredo an, der war zwar zu Hause, hatte aber keine Lust, noch wegzugehen.

Ich lief zu Fuß zum kleinen Ralf und war sehr beschwingt, denn der Rosè, ja das war wirklich ein besonderer Wein... Ich trank bei Ralf noch ein Glas Rotwein, und dann liefen wir zu Karens Wohnung, es war nicht allzu weit. Bei Karen trank ich noch ein Glas Rotwein, und es zog sich hin. Sie war noch nicht fertig. also trank ich noch ein Glas Rotwein.... Mittlerweile war es mir egal, ob Rosé, Rot- oder Weißwein. Endlich saßen wir dann im Taxi, es war elf Uhr, also noch ziemlich früh und fuhren in Richtung Zeche Franz.

 

Und da war ganz schön was los. Ich war das erste Mal da, und es gefiel mir.. Also, zuerst musste man durch das Restaurant, das war aber nicht besonders vornehm, ich glaube, es war die ehemalige Waschkaue dieser ehemaligen Zeche, und dann kam man in den Tanzsaal, und da ging die Post so richtig ab... Dann kam man in einen schmaleren Raum, der praktisch nur aus einer langen Theke bestand. Theken sind Klasse. Man kann immer seinen Platz wechseln, wenn man sich langweilt, und es gibt an der Theke immer was zu trinken.

Ich trank wieder Rotwein.

Und ich hatte Lust zu tanzen. Nur war die Musik nicht danach. Sie spielten eher alte Sachen, Smoke on the water, na ja Deep Purple, die waren vor zehn Jahren mal mein Fall gewesen. Oder noch früher? Waren zwar immer noch gut, aber ich brauchte jetzt was anders zum Tanzen. Ich hatte zum Glück keine Tasche bei mir, nur Geld und ein Päckchen Tabak samt Zubehör in meiner Jackentasche und meinen Schlüssel in der Hosentasche. Und ein Taschentuch. Ich wollte frei und unbelastet sein.

Und dann auf einmal hörte ich Tears for fears. Die Göttlichen! Ich drängte mich durch die Menge in den Tanzsaal, bahnte mir einen Weg durch die Tanzenden, denn das war gerade die Musik, zu der ich tanzen wollte, nämlich: Everybody wants to roule the world.

Welch runder Rhythmus, welche immer wieder sich zurückrollende Komposition. Welch ein Zusammenklang von Gitarren, welch ein irrer Bass... Ach was weiß ich, ich wollte einfach nur tanzen.

boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp boboppbobopp.......................................................................   

Diese Gitarrenklänge, dieses Schlagzeug, dieser Bass!!!

Dieser Rhythmus!

Welcome to your life

There's no turning back

Nothing even lasts forever

Everybody wants to rule the world….

Verdammt noch mal, wer könnte dieses Stück jemals erklären oder beschreiben, es ist das ideale Tanzstück, es dreht sich im Kreis und frischt immer wieder auf, es wird immer jung und aktuell sein. Es wird noch in zwanzig Jahren eins meiner Lieblingsstücke sein.

Und ich bin inmitten der Tanzenden, inmitten der wogenden Menge und tanze....

Danach kommt ‚Blue Monday’ von New Order. Auch das ein Hammerstück. Ich tanze weiter. Ich muss das ausnutzen, diese guten Stücke, bevor sie wieder das alte Zeug spielen.

Auf einmal sehe ich am Rande der Tanzfläche jemanden, der mir zuwinkt. Und ich erkenne Bruce.

Er wartet auf mich, und wir gehen einträchtig zum Trinken an die Theke. Er legt den Arm um mich und erzählt mir von seinen Problemen.

Legt den Arm um mich und erzählt mir von seinen Problemen?

Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Nur ist da einiges falsch dran. Oder ist es so gerade richtig? Eigentlich müsste es nach dem Beischlaf sein. Und es müsste Hardy sein, der den Arm um mich legt. Und ich müsste es sein, die von ihren Problemen erzählt.

Ja Pustekuchen, das hätte er wohl gerne.

Man kann die Regeln auch ändern. Hahaha....

Ende Kapitel 21

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Kapitel 22

Oktober – welcher Wind hat dich in mein Bett geblasen?

Es ist wirklich ein Hammer von einem Problem: Bruce hat mit Susanne geschlafen, das muss so Ende Juli gewesen sein, Sie haben sich im Klonck irgendwie kennen gelernt, und Susanne ist schwanger im dritten Monat. Oh je! Davon wusste ich gar nichts. Gut, wir haben uns nicht oft gesehen in der letzten Zeit.

Susanne ist schwanger! Kaum zu glauben. Sie hat mir natürlich davon erzählt, dass sie ein Kind haben will. Ich konnte das nicht so richtig glauben, aber sie hat es wohl ernst gemeint.... Und sie hat Samen gesammelt, wie eine Biene den Nektar.

Bruce macht einen sehr geknickten Eindruck. Denn jetzt kommt der Witz an der Sache: Bruce ist nur einer von vier Männern, die als Vater in Frage kommen. Und er hat Angst. Susanne hat sich nämlich nach dem Beischlaf nicht mehr mit ihm getroffen, wollte also nichts mit ihm zu tun haben. Pech für ihn. Und dann das! Ich kann es nicht fassen.

"Eins zu vier... Du hast doch eine gute Chance, nicht der Vater zu sein"; sage ich tröstend zu ihm, obwohl ich es eigentlich nicht glaube, denn seltsamerweise weiß ich genau, dass Bruce der Vater des Kindes sein wird.

Und er tut mir leid.

Und gleichzeitig beneide ich ihn. Er wird vielleicht Vater. Werde ich jemals ein Kind haben? Werde ich jemals das überwinden können, was meine Mutter mir antat? Ist mein Herz vielleicht gar nicht so versteinert, wie ich glaubte, sondern gibt es noch Hoffnung?

Keine Ahnung. Aber Bruce tut mir wirklich leid. Er ist so süß. Und es ist das erste Mal, dass wir uns richtig gut unterhalten können. Außerdem küsst er mich, und ich erwidere den Kuss. Allerdings fühle ich nicht viel dabei, bin wohl schon ziemlich abgestumpft von dem vielen Wein, den ich intus habe...

Einträchtig uns an den Händen haltend gehen wir zum Ausgang, und Bruce erzählt mir irgendwelche Märchen aus längst vergangenen Tagen:

"Damals, im Pop-In, da habe ich ein niedliches Mädchen gesehen, mit langen blonden Haaren."

Das Pop-In ist eine Disco, die es seit mindestens acht Jahren nicht mehr gibt. Warum erzählt er mir davon? Bis mir dann ein Licht aufgeht: Das niedliche Mädchen mit den langen blonden Haaren muss ich selber gewesen sein. Ich habe so eine vage Vorstellung von einem selbstgenähten schwarzen Samtmantel mit Kapuze, den ich zu dieser Zeit immer trug, und ich hatte tatsächlich lange Haare. Es war die gleiche Zeit, als ich diesen One-night Stand mit Ulli hatte, ich hatte Krach mit Parker, und ich bin auch in diesem Mantel nach London gefahren, über Oostende und dann mit der Fähre. Ganz alleine bin ich nach London gefahren – ich war ziemlich verrückt vor zehn Jahren... Ich wusste gar nicht, dass Bruce mich damals schon wahrgenommen hatte. Ich kann mich nicht dran erinnern, ihn damals gekannt zu haben. Einwandfrei nicht.

Und Bruce kann ja richtig romantisch sein. Eine ganz neue Erfahrung für mich.

"Ich finde, die kurzen Haare stehen mir besser", werfe ich ein.

"Nein, finde ich nicht. Die langen Haare standen dir besser." Bruce verknüpft lange Haare wohl mit Weiblichkeit.

Lange Haare hin, lange Haare her - damals war ich mit Sicherheit nur ein junges blondes Nichts, und wahrscheinlich bin ich heute auch nicht viel mehr, nur nicht mehr so jung.

Wir nehmen uns ein Taxi und fahren zu mir. Ich werde nicht noch einmal den Fehler begehen, mit zu ihm zu fahren, in diese dämliche Wohngemeinschaft.

Natürlich bezahlt Bruce die Zeche.

Wir ziehen uns schon im Wohnzimmer aus und treiben es auf dem Sofa. Ein paar Stunden vorher hat Hardy auf diesem Sofa gesessen, und das bereitet mir große Genugtuung.

Oh jaa! Obwohl ich nicht viel spüre beim Bumsen. Es ist anscheinend wie immer mit Bruce. Wild und ausgelassen und absolut nicht befriedigend, außer für ihn natürlich. Ihm scheint es zu gefallen, er ist wirklich gut drauf, und ich glaube, er schafft es an die drei Mal zum Orgasmus.

Was ich von mir nicht behaupten kann. Kein einziges Mal behaupten kann. Ich bin anscheinend wirklich frigide. Zumindest bei Bruce.

Bruce hat die gleichen erotischen Fantasien wie Robert. Entweder haben die wirklich die gleichen Vorstellungen, oder beide haben den gleichen Pornofilm gesehen. Beide wollen mich auf einem Stuhl festbinden und sich dann auf allerlei Arten an mir ergötzen und mich erregen. Geil, irgendwie. Aber warum quatschen sie nur davon?

Hardy würde nicht darüber quatschen, sondern es tun.

Hardy würde mich auch wegen einer anderen Frau alleine zu Hause sitzen lassen...

Schließlich gehen wir ins Bett, ich drehe ihm den Rücken zu und versuche einzuschlafen, er nimmt mich in den Arm, und es ist so absolut nicht tröstlich, aber ich dulde es, und irgendwann schlafe ich dann doch ein.

Als ich am Morgen wach werde, stehe ich schnell auf, denn ich bin ein entsetzt. Wen habe ich da in meinem Bett? Es ist ein Fremder. Ich kenne ihn nicht. Er stammt zwar aus meinem alten Leben, aber mein altes Leben war nicht gut, und deswegen ist Bruce auch nicht gut für mich.

Und im Bett war er auch noch nie gut.

Ich betrachte den schlafenden Bruce ratlos. Was soll ich nun mit ihm machen? Eigentlich wollte ich das alles gar nicht, weil Bruce uninteressant für mich geworden ist. Er war eine fixe Idee von mir, von wegen Parker einen Freund wegnehmen.

Was habe ich getan?

Eine unbestimmte Reue überkommt mich, obwohl Reue ja wohl das letzte Gefühl sein müsste, das ich habe. Wer weiß, wo Hardy im Augenblick ist und wer in seinen Armen ist, in diesen Armen, in denen ich nie war, bis auf das eine Mal, als ich mich aus unbekannten Gründen hineingelegt habe. Und es noch rechtzeitig gemerkt habe.

Also brauche ich überhaupt kein Schuldbewusstsein haben. Ganz im Gegenteil. Es geschieht Hardy recht.

Ich mache Frühstück, Ich mache ein ganz ausgeflipptes Frühstück. Wenn ich gut drauf bin, esse ich zum Frühstück, natürlich nur am Wochenende oder im Urlaub, hartgekochte Eier, gebratenen Speck, schwedische Fischhäppchen, deutschen Kaviar, Lachsersatz und ostfälische Mettwurst – eben so ganz harte Sachen. Marmelade und Honig kommen mir nicht auf den Tisch, und Männer, die zum Frühstück Marmelade und Honig wollen, kommen mir nicht ins Haus.

Hardy hätte in den Genuss dieses Frühstücks kommen können, aber er zog es ja vor, zu einer anderen Frau zu gehen...

Ich wecke Bruce. Pepe turnt gerade auf dem Bett herum, und Bruce guckt etwas verwirrt.

"Hallo Minka, Schätzchen", sagt er zu Pepe. Tatsächlich hält er den Pepe für seine eigene Katze, weil die wohl auch schwarz ist.

"Quatsch Minka!" Ich bin empört darüber, dass er den Pepe mit seiner Minka verwechselt, weil der Pepe der schönste Kater der Welt ist, auch objektiv gesehen.

Bruce ist so verwirrt, dass er keinen Versuch macht, mich ins Bett zu ziehen. Er steht auf und sucht sich im Wohnzimmer seine Sachen zusammen. Meine Sachen, diese Zeugen einer heißen Nacht, liegen übrigens auch noch da herum, aber ich mache mir nicht die Mühe, sie wegzuschaffen. Die Sachen sehen irgendwie obszön aus, aber was soll’s, ich bin eben eine Schlampe.

Bruce ist anscheinend nicht der Marmelade und Honig-Typ, denn er probiert begeistert alles, was auf dem Wohnzimmertisch ist. Ja tatsächlich, es gibt zur Feier des Tages Frühstück im Wohnzimmer.

"Weißt du, dass du unheimlich weiblich bist?" Genüsslich zieht er sich ein Lachsbrot mit Eiern rein.

"Ja wirklich?" Ich bin etwas skeptisch. Vor ein paar Monaten war ich doch genauso weiblich, aber keiner hat es gemerkt. Vor allem Bruce hat es nicht gemerkt. Ich hab mich doch nicht verändert, oder doch?

Vielleicht ist ein ausgeflipptes Frühstück mit hartgesottenen Eiern und schwedischen Fischhäppchen weiblich. Oder eine Frau, die den Kaffee eingießt – angetan mit einem weißen Männerhemd von bester Qualität, das sie bei einem anderen Mann (Michael aus Frankreich) abgestaubt hat... Vielleicht ist das unheimlich weiblich.

"Und irgendwie liebe ich dich."

"Jetzt bleib mal auf’m Teppich!" Jetzt liebt er mich auf einmal. Das ist doch absurd! Was soll man davon halten? Am besten gar nichts.

"Ist aber wahr", spinnt Bruce weiter. Nun gut.

Er setzt sich zu mir aufs Sofa und will zärtlich werden.

"Ich könnte schon wieder..." meint er vielsagend.

Das glaube ich gerne, aber im Augenblick verspüre ich keinerlei Lust auf morgendliche Spielereien. Das wäre zu vertraulich. Heute nacht, das war okay, aber heute morgen, da sieht die Sache ganz anders aus. Und dennoch sitze ich immer noch auf seinem Schoß, und er hält mich eng umschlungen. Warum empfinde ich so gar nichts?

Bruce rühmt meine körperlichen Vorzüge, als ob ich die letztens noch nicht gehabt hätte.

"Zwanzigtausend Mark bist du wert", schwärmt er. Will er mich an einen Zuhälter verkaufen? Dann halte ich zwanzigtausend Mark für zu wenig, obwohl es in Anbetracht meines Alters ein fairer Preis wäre. Ich glaube, es ist gut jetzt, und ich entferne mich langsam aus seinen Armen.

Als Bruce endlich geht, verspricht er mir hoch und heilig, sich bald bei mir zu melden. Ich habe nichts dergleichen erwartet oder verlangt, aber diesmal glaube ich ihm aufs Wort.

Ich glaube auch, dass ich in nächster Zeit nicht viel zu Hause sein werde. Mit mutmaßlich werdenden Kindsvätern hab ich nicht viel am Hut.

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Ich ging die ganze nächste Woche nicht ans Telefon, obwohl es öfter läutete. Ich war auch öfter nicht zu Hause und konnte es deshalb nicht läuten hören. Ich war beim kleinen Ralf und bei Karen. Ich verstand mich immer besser mit Karen, vor allem wenn sie nüchtern war, und in der Woche war sie es meistens.

Ich wollte nicht mit Hardy sprechen, der sollte sich sauer einkochen lassen.

Aber vor allem wollte ich nicht mit Bruce sprechen.

Aber Hardy erwischte mich trotzdem am Freitag Nachmittag, als meine Aufmerksamkeit wohl ein wenig nachgelassen hatte, oder hatte ich im Unterbewusstsein auf seinen Anruf gewartet? Nein, natürlich nicht....

"Warum zum Teufel gehst du nicht ans Telefon?" fragt er mich irgendwie ärgerlich.

"Wie meinst du das? Ich war diese Woche viel beschäftigt..."

"Was ist, kommst du gleich vorbei?"

"Weiß nicht", ich glaube, meine Stimme klingt muffig. "Besser nicht. Ich will morgen mit Rupert und Betty zum Nürburgring fahren, und da muss ich ganz früh aufstehen."

Das ist ein gutes Argument, um nicht bei ihm vorbei zu kommen. Denn ich will ihn nicht sehen. Warum? Einerseits bin ich immer noch sauer auf ihn, und andererseits bin ich sauer auf mich selber. Wegen Bruce.

Und ich habe das Gefühl, Hardy könnte mir das irgendwie anmerken....

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Ach ja, der Nürburgring. Ich freute mich unheímlich darauf. Stinkende Autos in der Eifel zu sehen und zu riechen, das wäre mal was anderes als diese verdammten Discos, in denen man nur Mist baute.

Ich ging also früh ins Bett, denn Rupert und Betty wollten mich am Samstag auch ziemlich früh abholen.

Ich hatte mir schon alles zurechtgelegt, was ich anziehen wollte. Nämlich eine neue schwarze Jeans, die zwar röhrenmäßig schmal aber trotzdem nicht so eng war, dass sie zwackte, mein helltürkisenes Shirt und als Krönung die Fliegerjacke aus dem Ersten Weltkrieg, die mit dem leichten Riss auf dem Rücken. Dazu die geflochtenen Lederschuhe. Ich würde gut aussehen. Meine Haut war immer noch leicht braun, und meine Haare waren länger geworden. Ich freute mich auf den Ausflug. War mal was anderes.

Ob Parker auch da sein würde? Es ließ sich wohl nicht vermeiden, ihn zu treffen.

Rupert und Betty kamen pünktlich um neun Uhr vorbei, und wir brauchten etwas über zwei Stunden bis zum Nürburgring. Drei Kilometer vorher konnte man schon ein gewaltiges Röhren hören. Irgendein alter Mercedes-Bolide zog gerade seine Bahn auf der Nordschleife. Ich finde es immer wieder faszinierend, wenn man sich dem Ring nähert. Und wenn man dann endlich da ist, sind schon die Parkplätze überwältigend – was da an prachtvollen alten Gefährten herumsteht, ist einfach irre, und man braucht mindestens eine halbe Stunde, um sich alle anzusehen und zu staunen.

Und dann die Rennen, es ist göttlich. wie diese teilweise doch sehr alten Dinger da rumrasen. Die aus den 60iger Jahren sind natürlich verdammt schnell, die Lister-Jaguar, Aston Martins, Maseratis, Ferraris und so weiter und so fort. Es ist eine Pracht.

Auch das Wetter war an diesem Samstag Morgen prächtig. Es war einer dieser goldenen Oktobertage, an denen der Himmel so sagenhaft blau ist, dass man durch ihn schier geblendet wird. Alle Bäume leuchteten in irgendwelchen Farben. Und die Luft ist still, als atmete man kaum... Das ist allerdings aus einem Gedicht, weiß jetzt nicht mehr von wem. Jedenfalls war es ein überaus prächtiger Tag, in der Sonne angenehm warm – auch in der rauen Eifel – und im Schatten schon empfindlich kühl. Ich war froh, dass ich meine Fliegerjacke anhatte.

Mittags gingen wir in das Restaurant unter der Zuschauertribune. Es war dort saumäßig gemütlich, und das Essen, na ja, das war auch nicht schlecht.

Danach spazierten wir durch das Fahrerlager. Dort konnte man alle Autos von nahem sehen und ihre Besitzer auch. Die Besitzer hingen da rum und grillten oder schraubten an ihren Autos herum.

"Hey Ruppy!" rief jemand.

Es war Parker, er war alleine da ohne Cornelia, aber zu meinem Erschrecken ging hinter ihm jemand, den ich nur allzu gut kannte. Oder nicht kannte....

Nämlich Bruce.

Verflixt und zugenäht! Wie war das möglich?

Bruce begrüßte mich vertraulich besitzergreifend, er wollte mich in seine Arme nehmen und küssen, aber ich wich instinktiv vor ihm zurück und gesellte mich zu Parker.

Ich fragte Parker, was das alles sollte. Ich fragte ihn natürlich leise, denn ich wollte nicht, dass Bruce mich hören konnte.

"Er wollte dich unbedingt sehen", sagte Parker leise zu mir, und ich hörte in seinem Tonfall ein leichtes Bedauern, denn Parker erkennt sehr wohl den Wert von jemanden, und ich war lange Zeit sein Besitz gewesen – den er jetzt vielleicht an seinen Freund abgeben musste. Und Parker war noch nie jemand gewesen, der leicht etwas abgeben konnte.

"Oh Scheiße", sagte ich verzweifelt.

"Er konnte dich telefonisch nicht erreichen", sagte Parker und grinste hämisch.

"Oh Scheiße", sagte ich wieder.

Aber irgendwie war ich stolz. Ich hatte zwei Männer bei mir, die wirklich verdammt attraktiv waren, Parker sah ein bisschen aus wie Bruce Willis, hatte genau die gleiche Größe und das kurz geschorene Haar wie Bruce Willis, und Bruce war groß, muskulös, dunkelhaarig und sehr anziehend, und ich genoss es, mit ihnen zusammen zu sein. Ich habe immer schon gutaussehende Männer gemocht. Kein Mann, den ich je hatte, war nicht gutaussehend gewesen.

Und sie trugen beide Lederjacken. Parker trug eine kurze Motorradlederjacke, obwohl er überhaupt nicht Motorrad fuhr, und Bruce trug eine wunderbar genarbte längere Lederjacke, die bestimmt sehr teuer gewesen war – seltsamerweise war es keine Motorradlederjacke, obwohl er, wie ich wusste, eine dicke Maschine fuhr.

Und ich trug meine Wahnsinnsfliegerjacke aus dem Ersten Weltkrieg, und Parker schaute mich respektvoll an. Er lässt sich von solchen Äußerlichkeiten eben sehr leicht beeindrucken.

Als ob ich irgendwie besser wäre....

Und dann auf einmal kam’s mir... Bruce hieß mit Spitznamen nicht Bruce nach Bruce Willis sondern nach Bruce Springsteen, wieso war ich vorher nie drauf gekommen? Gut, wahrscheinlich hatte ich mich nicht dafür interessiert. Ich wollte ‚Bruce’ einfach nur haben und ihn meiner Sammlung von Männern zufügen. Und ich hatte ihn auch nie gefragt, wieso ihn alle Bruce nannten. Wieso hatte ich ihn nie danach gefragt? Weil es mich in Wirklichkeit überhaupt nicht interessierte?

Ich wandte mich wieder Bruce zu. Er hatte es nicht verdient, dass ich ihn so schnöde abwies. Na ja, es hatte nie wirklich mit uns geklappt, das waren nun mal die Fakten, ich mochte ihn gern, aber mit Liebe hatte das nichts zu tun. Ich wollte ihm eigentlich nur beibringen, dass ich nicht die richtige Frau für ihn war.

Aber er ließ sich nicht so leicht davon überzeugen.

"Versuch es mit Susanne", sagte ich zu ihm, während ich fasziniert einen Lister-Jaguar im Auge hatte, er hatte die gleiche Farbe wie mein Karmann, nämlich british racing green...

"Die ist mir total egal", behauptete er doch tatsächlich.

Aber er hatte Susanne angemacht, im Gegensatz zu mir. Mich hatte er noch nie angemacht. Ich meine, so richtig. Also was sollte das Geschwätz?

"Schau mal Bruce, der hat die gleiche Farbe wie mein Karmann!" Ich sprang auf ein Mäuerchen, um den Lister-Jaguar besser sehen zu können. Ich stütze mich dabei auf Parker, der immer noch auf meiner anderen Seite war.

"Der sieht so was von geil aus!" sagte ich zu Parker. Und Parker lächelte mich an, ich sprang in seine Arme, und kurz darauf wollte ich weg von ihm und wandte mich wieder Bruce zu.

Es war ein so wunderbarer Augenblick, dass ich es zuließ, dass Bruce mich umarmte.

Es war ein so wunderbarer Augenblick, dass ich ihn selber umarmte und ihn auf seine linke Wange küsste, wobei er mich noch enger an sich zog. Aber das wollte ich nicht, sondern befreite mich von ihm, streichelte ihm über sein dunkles Haar und küsste ihn kurz auf seine rechte Wange.

Im gleichen Augenblick fühlte ich, wie uns jemand intensiv anschaute. Was zum Teufel...

Ich blickte an Bruce vorbei und sah.... Oh nein!

Ich sah direkt ins Hardys Gesicht. Und zwar in seine Augen, diese wunderbaren blauen Augen, die aber jetzt aussahen, als ob er gerade im Begriff wäre, mich umzubringen.

Entnervt schaute ich zu Boden und hoffte, diese sonderbare Erscheinung würde von alleine verschwinden, denn Hardy hatte hier am Nürburgring nichts zu suchen. Der Nürburgring war einzig und alleine mein Revier.

"Hallo Irma", hörte ich. Es war nicht die Stimme von Hardy – dem Himmel sei Dank, ich hatte wohl eine Fata Morgana gesehen – aber sie kam mir trotzdem bekannt vor.

Es war die Stimme von Hardys Freund Clem, und der schaute mich gerade so unwahrscheinlich zufrieden an wie jemand, dessen arroganter Freund gerade fürchterlich einen draufgekriegt hatte.

Ich traute mich nicht, Hardy in die Augen zu schauen, aber ich wusste, dass er lächelte. Geradezu höhnisch lächelte. Und das war ein Zeichen, dass er fürchterlich sauer war.

Es war wohl doch keine Wahnvorstellung. Hardy war hier am Nürburgring, das war unvorstellbar. Was konnte er hier wollen?

Er war es wirklich! Oh nein! Und hinter ihm konnte ich ein paar andere Leute sehen, die wohl auch dazugehörten.

Übrigens schaute Cobber Clem immer noch sehr erfreut drein. War ja auch verständlich. Die Frau, mit der Hardy, sein Freund wohl ab und zu schlief, turnte hier am Nürburgring mit einem anderen Kerl herum, mit einem Kerl, der gar nicht mal so schlecht aussah. Ich spürte, wie Cobber Clem förmlich aufblühte.

Ich war erledigt. Das würde Hardy mir nie verzeihen.

Ich spürte irgendwie, dass sie an uns vorbeigingen, ohne uns weiter zu beachten, außer Clem, der den Kopf zurückwandte und mir zuzwinkerte, was ich fassungslos registrierte.

Hardy hatte kein einziges Wort zu mir gesagt. So, als ob er mich überhaupt nicht kennen würde.

Oh ja, diese Gerechten!

Ausgerechnet der musste hier den Gerechten spielen! Soll er sich doch an seine eigene Nase packen!  Doch trotz dieser aufmunternden Gedanken war der Tag für mich gelaufen. Die Sonne schien nicht mehr so hell wie noch vor ein paar Augenblicken. Es fröstelte mich auch in der Sonne, kurz gesagt, ich war geknickt.

Die Gegenwart dieser beiden wunderschönen Männer – der eine war mein Exmann und mir immer noch ein bisschen zugetan, der andere war sein Freund, der vor einer Woche noch behauptet hatte, mich irgendwie zu lieben – war nicht mehr tröstlich, geschweige denn anregend, und ich hatte das unbestimmte Gefühl, etwas verloren zu haben.

Warum musste ich auch auf einem Mäuerchen rumturnen? Weithin gut sichtbar! Das war unübertroffen blöde!

Eine Stunde später fuhr ich mit Ruppy und Betty nach Hause.

Ich glaube, Bruce hatte gemerkt, dass ich nicht mehr ansprechbar war, er hatte vielleicht gemerkt, dass ein gewisser dunkelblonder gutaussehender Typ meine gute Laune zerstört hatte, und dass ich daraufhin nicht mehr ansprechbar war.

Aber es war mir egal, was Bruce vielleicht gemerkt hatte.

Ich wollte nur noch in mein Bett, um zu schlafen.

Und um zu vergessen.

Ich hatte nur die Befürchtung, das Aufwachen würde nicht besonders gut sein...

Verdammt! Verdammt!

 

Ende Kapitel 22  LOVE GAMES © Ingrid Grote 2004

 

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