LOVE GAMES

Kapitel 17

Blau-weiß-rot... Erinnerungen unangenehmer Art.

Als ich am Freitag um sechs Uhr vor Hardys Haus ankomme, sehe ich dort einen kleinen Jungen stehen, er hat wohl versucht zu klingeln, aber die Türschelle hat ab und zu kleine Aussetzer – das sollten sie mal endlich reparieren lassen – und deswegen habe ich auch von Hardy zwei Schlüssel bekommen, einen für außen und einen für innen. Ich besitze also tatsächlich Schlüssel zu seiner Wohnung. Ich nehme an, Hardy rechnet nicht damit, dass ich ihn jemals bei irgendwas überraschen werde. Vermutlich vertraut er mir in dieser Beziehung.

"Willst du zu Herrn Hartmann?" frage ich den Kleinen. Er ist circa neun Jahre alt und macht einen etwas verstörten Eindruck.

Er nickt. Er ist ein süßer Kerl, so zart und hübsch. Es passiert selten, dass ich Mutterinstinkte bekomme, aber dieser kleine Junge erweckt sie sofort.

"Manchmal geht die Klingel nicht", sage ich. "Aber ich habe zum Glück einen Schlüssel."

Hardy sitzt am Schreibtisch, hat irgendwelche Schulhefte vor sich und schaut überrascht hoch, als ich mit dem Kleinen hereinkomme.

"Was ist los, Max?"

Er kennt den Kleinen also, es ist wahrscheinlich einer seiner Schüler, ich lasse die beiden alleine und gehe in die Küche, um mir was zu trinken zu holen. Ich trödele ein bisschen herum, denn ich möchte keinen neugierigen Eindruck erwecken, und gehe dann so circa fünf Minuten später zurück ins Wohnzimmer.

"Irma... Du kannst doch bestimmt nähen?" fragt Hardy mich.

"Ich denke schon...."

"Max hat sich sein Hemd zerrissen, und er hat Befürchtungen, dass er zu Hause Ärger kriegt."

Seltsam, irgendwas kommt mir an der Sache bekannt vor, und ein beklemmendes Gefühl beschleicht mich. Er hat sein Hemd zerrissen...

"Hast du denn was zu nähen da?"

"Ich werde mal beim Proff gucken." Mit diesen Worten geht Hardy mal beim Proff gucken. Der Proff ist sein Vater und wohnt im selben Haus. Er ist der andere ‚Hartmann’, und er ist Hardys Erzählungen nach Professor der Gynäkologie, also ein ziemlich hohes Tier.

Ich wende mich dem Kleinen zu. Mittlerweile weiß ich, an was ich denken musste und woher das beklemmende Gefühl kam.

Meine Mutter...

Der Kleine trägt ein blau-weiß-rot gestreiftes Hemd, und das Muster kommt mir seltsam bekannt vor. Ich hatte mal ein Kleid, das war genauso gestreift wie dieses Hemd, und da war ich ungefähr genauso alt wie dieser Junge.

Blau-weiß-rot...

Es war in meinem Heimatdorf. Ich war in den Ferien mit meinen Eltern dort. Es wurde gerade Schützenfest gefeiert, und ich saß ausnahmsweise nicht auf einem dieser hin und her schwingenden weißen Karussellpferdchen, sondern in der sogenannten Kaffeemühle, einem runden Ding, bei dem sich in der Mitte eine Stange befand, und damit konnte man die Kaffeemühle zum Drehen bringen.

Raatttsch!!! Mein Kleid hatte sich irgendwo verfangen, es gab ein hässliches Geräusch, als etwas riss, und ich war zu Tode erschrocken. Meine Mutter würde mich umbringen.

Vorsichtig schaute ich an mir herunter, ich hatte Glück gehabt, nicht der Stoff selber war zerrissen, sondern nur eine Naht war aufgeplatzt auf circa fünfzehn Zentimetern Länge.

Sie würde mich trotzdem umbringen. Was sollte ich tun?

Ich schlich mich heimlich zum Haus meiner Oma, die nicht mit zum Schützenfest gegangen war. Ich suchte nach Nähzeug, wurde fündig in einem alten Nähkästchen, schloss mich im Klo ein, zog mein Kleid aus und nähte es . Ich nähte die aufgeplatzte Naht wahrscheinlich ziemlich plump und stümperhaft, aber ich nähte sie so, dass niemand etwas merkte. Sogar meine Mutter, deren scharfe Augen ich fürchtete, entdeckte nicht, dass ich sie reingelegt hatte. Irgendwann beim Waschen des Kleides bemerkte meine Tante zu meiner Mutter, dass die Sachen heutzutage sehr schlecht genäht wären, aber meine Mutter brachte das nicht mit mir in Zusammenhang. Ich hatte Glück gehabt...

Blau-weiß-rot...

Wieso habe ich gerade diese Szene im Sinn, als ich meine Mutter reingelegt hatte und nicht die vielen anderen, wo ich sie nicht reinlegen konnte?

Wie betäubt schaue ich auf die feinen Streifen, dann in das Gesicht des Jungen, und ich sehe, dass er geweint hat.

"So schlimm wird es nicht sein", sage ich beruhigend zu ihm. "Meine Mutter hat sich auch immer aufgeregt, wenn ich was zerrissen hatte."

Er schaut mich an, und seine Augen werden nass. Ich kann nicht anders, ich muss ihn in den Arm nehmen. Er ist so zart und verwundbar.

"Dann zieh dein Hemd doch mal aus", sage ich schließlich und schiebe ich ihn weg von mir. Das Hemd ist nicht zerrissen, wie ich befürchtet hatte, sondern genauso an der Naht aufgeplatzt wie mein Kleid damals. Aber auch wenn es zerrissen wäre, würde ich es so lange stopfen und nähen, bis kein Schaden mehr zu sehen wären.

"Ist es deine Mutter?" Ich kann mir die Frage nicht verkneifen, ich tippe auf seine Mutter, weil die Väter meistens nicht den Blick für so was haben.

Langsam nickt er.

Herrgott, was soll ich ihm sagen? Dass seine Mutter vielleicht überlastet ist? Oder hysterisch? Oder einfach nur gemein, weil ein Kind immer schwächer als ein Erwachsener ist? Dass sie ihn vielleicht doch liebt? Obwohl man das gar nicht glauben kann. Ich zumindest glaube das nicht. Das kann keine Liebe sein, wenn sie sich in solchen Dingen entlädt. Und es ist egal, wie sich die Misshandlung äußert, es müssen nicht immer gleich Schläge sein, nein auch die Androhung von Liebesentzug kann fürchterlich sein... Bei mir waren es allerdings immer Schläge. Mit Liebesentzug konnte sie mir nicht drohen, denn ich glaubte nicht daran, dass sie mich liebte. Nach einiger Zeit glaubte ich es einfach nicht mehr...

Wieso muss ich jetzt daran denken? Es war alles verkapselt in mir eingeschlossen, all die Jahre. Als ich erwachsen wurde, hatte ich es vergessen oder verdrängt. Ich bin früh von zu Hause ausgezogen – mit neunzehn, als ich den Job in meiner Firma bekam und selber Geld verdiente, nahm ich mir sofort meine erste Wohnung. Ich verdiente zwar nicht viel, aber es war alles besser, als zuhause bei meinen Eltern, genauer gesagt bei meiner Mutter zu sein.

Hardy kommt herein, und er hat es tatsächlich geschafft, Nähgarn und eine Nadel zu besorgen.

Das Nähen der Naht ist absolut kein Problem für mich, da hab ich schon ganz andere Sachen genäht, und auch diesmal würde es keine neugierige Mutter merken. Es ist perfekt geworden.

"Vielleicht sollte ich mal mit seiner Mutter reden", sage ich zu Hardy, als der Kleine gegangen ist.

"Er hat Angst vor seiner Mutter? Woher weißt du das? Mir wollte er nichts genaues sagen." Hardy wundert sich. Er hat sich wieder an seinen Schreibtisch gesetzt, weil er wahrscheinlich noch zu tun hat. Er greift sich an den Nacken und stöhnt leise.

"War so eine Vermutung von mir." Natürlich werde ich Hardy nichts über meine Probleme mit meiner Mutter erzählen, Hardy werde ich überhaupt keine Probleme von mir erzählen.

Stattdessen stelle ich mich hinter ihn und fange an, sanft seinen Nacken zu massieren. Er zuckt zusammen, aber er lässt es sich gefallen und entspannt sich. Ich glaube, ich kann ganz gut massieren, zumindest richtet es wohl keinen Schaden an.

Und es scheint ihn zu erregen, denn nach ein paar Minuten dreht er sich zu mir um und sagt: "Und jetzt werde ich dich massieren..."

Wir hören ‚the The’ dabei.

Something always goes wrong when things are going right
You've swallowed your pride to quell the pain inside
someone captured your heart like a thief in the night.
and squeezed all the juice out – until it ran dry.

Ha, bei mir quetscht keiner den Saft aus meinem Herzen, oder was auch immer das bedeuten soll..

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"Sag mal, kennst du den Ausdruck penetrieren? Kann es sein, dass er auch eine sexuelle Bedeutung hat?" Wieder führen wir eines unserer Nachdemsexgespräche. Ich muss nur aufpassen, dass ich keine Probleme von mir aus Versehen ausplaudere. Aber da er ja auch keinen Arm um mich gelegt hat, könnte ich theoretisch über meine Probleme reden. Wenn ich welche hätte....

"Hat irgendwas mit Bumsen zu tun. Wie kommst du drauf?" Hardy scheint interessiert zu sein.

"Ich war da am Samstag mit Madame auf so ’ner seltsamen Grillparty, und da war so ein Idiot, der hat gesagt, sie hätten früher die Frauen penetriert. Weißt du, nach dem Motto: Gern hab ich die Fraun penetriert, da gibt es doch so ein Operettenlied..."

Hardy muss lachen. "Aber dieses Wort kann man wirklich in diesem Zusammenhang benutzen."

"Das ist doch Scheiße! Das heißt doch eigentlich, jemanden auf die Nerven gehen. Wenn schon, dann würde ich eher perforieren nehmen. Perforieren heißt doch durchbohren, oder?"

Wieder muss Hardy lachen. "Das trifft vielleicht nicht die Größenverhältnisse."

"Quatsch, also ich muss bei Perforieren immer an Schneewittchen denken."

"Wieso?"

"Na ja, ein Jungfernhäutchen mit sieben Löchern drin..."

"Du bist verrückt, Irma." Hardy schaut mich aufmerksam an und fragt dann etwas für mich ziemlich unerwartetes, nämlich: "Wie war eigentlich dein erstes Mal?"

"Oh, da muss ich erst mal nachdenken....Da war ich vielleicht siebzehn oder achtzehn sogar – ich war immer schon ein Spätzünder, und der Typ, ja wie hieß er noch mal, ich glaube Wolfgang, war ein Arschloch, hatte lange blonde Haare, war sehr groß, und er war ein richtiger Späthippie. Und es war im Wald, an dieser Ruine. Ich weiß nicht mehr, wie es war, also war es wohl nichts Tolles." Ich überlege ein bisschen, bis mir noch was einfällt: "Ich weiß nur, dass ich am selben Abend mit meinen Eltern zusammen in deren Stammrestaurant war, um dort das beste Schaschlik der Welt zu essen. Und ich hatte saumäßig gute Laune."

"Warst du länger mit ihm zusammen?"

"Warte mal... Ich glaube, keine drei Monate, er hatte, glaube ich noch eine andere Perle, und so toll war er nicht, dass ich mir dass gefallen lassen hätte..." Spreche ich hier eine Warnung an Hardy aus? Wenn ja, dann ist sie nicht beabsichtigt.

 
Ich wache früh auf, nachdem ich sehr gut geschlafen habe. Ich muss immer noch an den kleinen Jungen denken mit seinem zerrissenen Hemd und an die Angst in seinen Augen. Was könnte man da tun? Hardy wusste es auch nicht. Er meinte, wenn man zum Jugendamt geht, dann muss er vielleicht weg von zu Hause, und das wäre vielleicht noch schlimmer als dazubleiben. Vielleicht hat er recht. Aber ich habe wirklich nicht übel Lust, mal mit dieser Frau zu reden und ihr klarzumachen, was sie ihrem Kind antut. Ich habe da so meine eigenen Erfahrungen. Lange verdrängt, aber heute ist seit langer Zeit alles wieder aufgebrochen.

Ob ich den Kleinen noch mal wiedersehe?

Ich kann nicht mehr schlafen. Also stehe ich auf, ziehe Hardys Hemd an, es liegt auf der Erde, weil wir es ziemlich eilig hatten, ins Bett zu kommen, und es ist weich, und es riecht gut.

Ich gehe ins Kellergeschoss, um am Billardtisch weiter nachzudenken.

Als ich gerade ein paar Kugeln spiele, höre ich, wie hinter mir jemand in den Raum kommt. Es ist ein älterer gutaussehender Mann mit längerem Haar, der große Ähnlichkeit mit Hardy hat. Aua, das ist dann wohl sein Vater, der Proff genannt wird.

"Ja, wer ist denn das?"

"Ooh," ich bin verlegen. "Ich wollte nicht.... ich gehe sofort..."

"Bleib ruhig hier. Bist du mit Oliver zusammen?"

Gute Frage. Was könnte ich darauf antworten? "Nicht wirklich", sage ich dann schließlich.

"Mein Sohn ist recht eingebildet, was?"

"Ich komm’ schon damit klar..." Er sieht Hardy wirklich sehr ähnlich. Und er hat Charme, Hardy hat wahrscheinlich auch Charme, aber an mir lässt er den nicht aus. Nee, bestimmt nicht!

"Ein Onkel von mir hat auch einen Billardtisch, der ist auch Frauenarzt. Ich war so enttäuscht, als ich ihn gesehen habe, das ist nämlich einer ohne Löcher." Nach zwei Sekunden fällt mir dazu noch ein: "Ich meine natürlich den Tisch und nicht den Onkel."

Der Proff fängt an zu lachen. "Wie heißt denn dein Onkel?" Er duzt mich einfach, er scheint mehr der volkstümliche Arzttyp zu sein, so wie dieser Professor Doktor Sauerbruch, oder wie der hieß.

"Norbert Schlemmer."

"Was? Den kenne ich! Wir haben in Dortmund zusammen studiert. Das ist ja wohl ein Ding! Was macht er denn noch so?"

"Wohnt in der Nähe von Heidelberg und hat eine gutgehende Praxis."

"Das ist ein Onkel von dir?"

"Nur ein angeheirateter. Aus meiner Familie kommen keine Ärzte, wir sind waschechte Proletarier."

Der Proff fängt wieder an zu lachen. "Na, dann lass’ uns mal Billard spielen, du waschechtes Proletarierkind. Und sag bitte du zu mir und nenn’ mich Proff. Hast du auch einen Namen?"

"Irma heiße ich." Ich baue die Kugeln auf und lasse ihn anstoßen. Er spielt saumäßig gut, und ich muss mich anstrengen, um mithalten zu können.

Ich bitte den Proff so nebenbei, Hardy nicht zu sagen, dass ich ihn hier getroffen habe.

"Warum nicht?"

"Ich möchte es nicht. Vielleicht würde er dann denken, ich wollte mich bei Ihnen einschleimen.”

"Bei dir einschleimen", verbessert er mich. "Hast wohl einen Heidenrespekt vor meinem Sohn, was?"

"Irgendwie schon... Er ist so verdammt dominierend", gebe ich zu.

"Respekt ist manchmal besser als Liebe."

Ich gucke ihn ungläubig an. Ich habe nichts von Liebe gesagt, ha, das wäre zu abartig im Zusammenhang mit Hardy, aber einen gewissen Respekt habe ich schon vor ihm. Er hat so eine gewaltige Autorität, das muss ich anerkennen.

"Du bist schon öfter hier gewesen", sagt der Proff und spielt gekonnt eine seiner Kugeln über die Bande ins Loch.

"Drei oder viermal." Er spielt so gut, dass ich Angst habe, in diesem Spiel nicht mehr dranzukommen.

"Dann gehört dir also das niedliche Auto, der Karmann?"

"Ja, das ist meiner", bestätige ich. Endlich komme ich dran, und ich kann sogar vier Kugeln hintereinander einlochen, aber danach zieht er mich voll ab.

"Hast du die Adresse von deinem Onkel zufällig bei dir?"

"Nee, die hab’ ich nur zu Hause, aber ich könnte sie beim nächsten Mal mitbringen – falls ich noch mal hier hinkomme."

"Warum solltest du nicht mehr hier hinkommen? Du bist schon länger hier als alle anderen, die er angeschleppt hat."

"Wirklich?" frage ich ungläubig.

"Er bringt nicht gerne Frauen hierhin, ich glaube, er hat Angst, dass er sie dann nicht mehr los wird, wenn sie erst seine Adresse wissen."

"Wo ist übrigens seine Mutter?" Die Frage kann ich mir nicht verkneifen.

"Sie ist gestorben, als er vier war."

"Oh Gott!" Sofort tut Hardy mir leid. Es war bestimmt nicht leicht für ihn, im Alter von vier Jahren ohne Mutter dazustehen. Vielleicht ist er deswegen so arrogant und hart. Kann aber auch sein, dass er einfach ohne Grund so arrogant und hart ist.

Das Spiel verliere ich natürlich.

Ich gehe ins Bett zurück zu Hardy. Dieser Tag war seltsam. Erst der kleine Junge, der alles in mir wieder aufgeweckt hat, was ich eigentlich für tot und begraben hielt. Dann die Begegnung mit dem Proff. Er ist echt nett. Und Hardy ist ohne Mutter aufgewachsen.

Dabei fällt mir wieder meine eigene Mutter ein. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie wäre auch gestorben, als ich vier war, denn sie hat mir einiges angetan. Es hört sich vielleicht grausam an, wenn ein Kind so von seiner Mutter spricht, aber meine Mutter hat mich mit Sicherheit zu dem gemacht, was ich heute bin. In vielen Familien werden Kinder misshandelt, meistens durch den Vater, aber bei mir war es durch meine Mutter. Was hatte ich ihr getan? Warum hasste sie mich so? Ich habe jahrelang nicht mehr daran gedacht, ich habe alles erfolgreich verdrängt, ihr Verhalten, die Schläge, die ich von ihr bekam wegen irgendwelcher nichtigen Sachen. War sie eifersüchtig auf mich? Herrgott ich war ein Kind und ihr hilflos ausgeliefert! Sie hatte keinerlei finanzielle Sorgen, gut, sie hatte öfter Stress mit meinem Vater, der wohl öfter fremdgegangen ist, aber musste sie das an mir auslassen? Hat sie überhaupt jemals daran gedacht, was man einem kleinen Mädchen als Mutter antun kann? Im schlimmsten Fall kann man das Leben des kleinen Mädchens kaputtmachen. Oder gab sie einfach nur das weiter, was sie mit ihrer eigenen Mutter erlebt hatte? Das wäre dann genauso schlimm, nämlich eine nie endende Spirale von Gewalt und Demütigungen.

Aber sie konnte mich nicht demütigen, und sie konnte mich nicht klein kriegen! Ich habe einfach alles abgeschaltet, was mit Gefühlen zu tun hatte, ich verhärtete mein Herz, um nicht von ihr verletzt werden zu können. Und sie beschimpfte mich postwendend als abgebrühtes Luder, weil sie mich nicht zum Weinen bringen konnte. Ich verabscheue sie. Was hat sie mir angetan? Denn man kann nicht einfach sein Herz verhärten, ohne dafür etwas anderes einzubüßen. Gefühle zu verlieren. Bin ich vielleicht deswegen so hartherzig gegenüber meinen Männern gewesen? Möglich... Das Schlimme ist, dass sie keine Ahnung davon hat, was sie mir antat, und sie hat auch keinerlei Schuldbewusstsein, sie fühlt sich total im Recht.

Aber ich werde mich an ihr rächen. Denn sie wird kein Enkelkind von mir bekommen, nein niemals. Diese Frau besaß tatsächlich die Frechheit, mir vorzuschlagen, wenn ich ein Kind kriegen sollte, dann könnte ich es ruhig zu ihr bringen. sie würde es aufziehen. Klar! Als ob ich mein Kind ihr überlassen würde, damit sie es total verklemmt und verkorkst erzieht. Nein, niemals! Außerdem habe ich nicht den Wunsch, ein Kind zu haben. Vielleicht habe ich Angst davor, dass ich nach dem gleichen Muster handeln würde, nach dem meine Mutter gehandelt hat, und das könnte ich meinem Kind niemals antun. Also besser kein Kind haben.

Keiner hat mich je zum Weinen gebracht. Auch Parker nicht, und der hat sich bestimmt bemüht. Bei Gott, er hat sich immer und immer wieder bemüht! Aber den Gefallen habe ich ihm nicht getan.

Keiner bringt mich zum Weinen!

Hardy ist wach, als ich ins Bett krieche.

"Hast du Lust, mir einen zu blasen?" fragt er nach einer Weile.

Ach, ich liebe seine direkte Art.

Ende Kapitel 17

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Kapitel 18

Sex im September. Achtung, absolut nicht jugendfrei!

Na klar habe ich Lust dazu, obwohl der Ausdruck ‚blasen’ mir schon immer Kopfzerbrechen bereitet hat – man kann die Burschen doch nicht aufblasen, bis sie platzen, oder? Nun, ich werde es auf meine Art tun.

Er überlässt mir die Kontrolle. Endlich! Hatte er vorher Schiss gehabt, ich würde ihm was abbeißen? Na klar werde ich es ausnutzen, er soll sich genauso hilflos fühlen wie ich, wenn er mich fickt.

Ich rutsche nach unten, begutachte die Lage und ergreife dann sanft seinen Schwanz...

"Weißt du, dass jeder Penis anders ist", ich habe vor, ihm dabei einiges erzählen und lutsche genüsslich seine Stange ab. "Ich glaube, damit kennst du dich nicht so aus." Das ist natürlich nur eine Vermutung von mir.

Er schnaubt unwillig. Das will er wohl nicht hören. Er denkt natürlich, dass er jedem anderem Mann sexuell überlegen ist. Dass stimmt natürlich. Er ist besser im Bett als jeder Mann, den ich bisher hatte, aber das waren nicht viele. Vielleicht werde ich ihm jetzt den Eindruck vermitteln, dass es ein paar mehr waren. Kann nicht schaden...

"Manche sind natürlich klein". Ich massiere ihn hingebungsvoll.

Er schnaubt verächtlich, er hat sich also entschlossen, mich reden zu lassen.

"Manche sind groß", ich lecke über seine Eichel und nehme seine Hoden in die Hand, wie um ihr Gewicht zu messen. Er hat wunderschöne Hoden.

Er stöhnt.

"Manche sind krumm und manche sind gerade..." Ich sauge ein bisschen an der Spitze seines Schwanzes, und es gefällt mir nicht übel.

"Manche haben überhaupt keine Struktur und sind glatt von der Wurzel bis zu Spitze." Abwechselnd nehme ich ihn in den Mund und massiere ihn mit der Hand, wenn ich rede.

"Hmmm!" ächzt er.

"Man sagt, dass diese strukturlosen Schwänze den Frauen nicht so viel Vergnügen bereiten können wie die anderen..."

Langsam und vorsichtig schiebe ich meinen rechten Zeigefinger in seinen After. Zuerst reagiert er gar nicht darauf, er ist wahrscheinlich so auf seinen Schwanz in meinem Mund fixiert, dass er meinen zudringlichen Finger nicht bemerkt...

"Im Gegensatz zu den gegliederten, die sollen den Frauen viel Vergnügen bereiten..."

Er atmet heftig ein, richtet sich etwas auf, starrt mich an und keucht.

"Ich schätze mal, du hast so einen..."

Ich schiebe meinen Zeigefinger vorsichtig etwas tiefer in sein Loch und nehme gleichzeitig wieder seinen Schwanz in den Mund.

Diesmal bin ich nicht ganz so sanft wie vorher.

Er soll sich heute nur wie ein Schwanz fühlen, er soll sich so fühlen wie ich, wenn ich mit ihm zusammen bin, ich fühle mich dann nämlich, als würde ich nur aus Titten und Scham bestehen, aus sekundären und primären Geschlechtsteilen. Das ist zwar geil aber auch irgendwie demütigend.... Aber vor allem geil.

"Du hast so einen... Ich kann bestätigen, dass er mir sehr viel Vergnügen bereitet." Ich fange an, meinen Finger in ihm zu bewegen und beiße ich leicht in seine Eichel.

Er zuckt zusammen, verdreht die Augen und ächzt hilflos.

Er drängt seinen Unterleib mir entgegen, meinen Finger aber habe ich immer noch in ihm, und er wird ihn nicht los, wahrscheinlich will er ihn auch gar nicht loswerden, und ich schiebe ihn sanft noch tiefer in ihn hinein. Seine Innenwände fühlen sich zart und verletzlich an, und ich bin sehr vorsichtig. Zum Glück habe ich kurze Fingernägel...

Er fängt lauter an zu wimmern, aber er hebt den Kopf und sieht zu, wie ich seinen Schwanz in meinem Mund habe, dann lässt er sich zurückfallen, bäumt sich noch einmal auf und ich spüre unter meiner Zunge, wie sein wunderbares Glied pulsiert und anfängt zu zucken.

Als er kommt, ist es wie eine Explosion. Ich bekomme fast alles in den Mund, zuerst will ich es aus meinem Mund haben, eigentlich ekele ich mich vor Sperma, aber dann behalte ich doch etwas, denn es schmeckt nicht so unangenehm, wie ich es aus alten Erinnerungen habe.

Hardy riecht gut, und er schmeckt auch gut...

Er sieht so jung aus jetzt, eigentlich will ich ihn auf den Mund küssen, aber dann würde er bestimmt denken, ich wäre ihm verfallen. Das bin ich zwar, aber nicht so, wie er denken würde. Er sieht so wehrlos aus nach seinem Höhepunkt, und statt ihn zu küssen, umfasse ich sanft und beschützend seine Hoden. Warum habe ich das Gefühl, ihn beschützen zu müssen. Das hatte ich noch bei keinem Mann. Und er ist einer, der es bestimmt nicht nötig hat, dass man ihn beschützt.

Du musst aufpassen. Vorsicht Irma, du darfst dich nicht von seinem hilflosen jungen Gesicht reinlegen lassen, du musst aufpassen...

Ich fange an zu träumen, während ich ihn immer noch sanft und beschützend streichele. Brauchst du denn keine Zärtlichkeit? Das hat mich Robert einmal gefragt, als unser Verhältnis schon in die tote Saison abgedriftet war.

Nein. Das war meine Antwort.

Zumindest brauchte ich sie nicht von Robert.

Wenn ich’s mir so überlege, könnte ich sehr lange ohne Zärtlichkeiten auskommen, ungefähr solange wie ein Kamel ohne Wasser auskommen kann. Wobei das Kamel im Nachteil ist, irgendwann wird es Wasser brauchen. Ich jedoch brauche fast keine Zärtlichkeiten, und wenn ich sie brauche, dann hole ich sie mir bei meinen Katzen. Hardy guckt immer seltsam, wenn ich mit dem schwarzen Pepe herumschmuse, er guckt verständnislos. Klar, er braucht keine Schmuseeinheiten, zumindest nicht von mir. Ein Fremder würde wahrscheinlich denken, Hardy wäre eifersüchtig auf den Kater. Dass ich nicht lache. Der und eifersüchtig? Dazu ist er viel zu eingebildet.

Aber vielleicht holt er sich die Streicheleinheiten von anderen Frauen.

Danach habe ich meinen Arm um sie gelegt, und sie hat mir von ihren Problemen erzählt.

Diesen Spruch habe ich nicht vergessen. Der hat sich in mein Gehirn eingeätzt.

Aber ich brauche keine Zärtlichkeiten, vor allem nicht vom ihm... Es reicht schon, dass er im Bett so gnadenlos gut ist. Dabei sollte man es lassen.

Einmal habe ich mich jedoch nachts dabei ertappt, dass ich auf einmal ganz nah bei ihm lag, oh Schreck, ich lag sogar in seinen Armen.

Ich hatte wieder diesen miesen Traum gehabt, den Traum von den Türen, die sich in Wände verwandeln, von dieser grauenhaften Plattform - und habe wahrscheinlich instinktiv bei ihm Schutz gesucht. Jedenfalls lag ich ganz nah an ihn geschmiegt, und er hatte den Arm um mich gelegt. Huch! Gut, dass er es nicht gemerkt hat. Ich war recht schnell wieder auf meiner Seite des Bettes, und mein Herz klopfte seltsamerweise stark. Nicht auszudenken, wenn er es gemerkt hätte, er hätte bestimmt mit unendlicher Langsamkeit seinen Arm von mir entfernt und mich dabei höhnisch angegrinst. Ich bin froh, dass er es nicht gemerkt hat. Ich glaube, Hardy mag mich nicht besonders, abgesehen vom Bett natürlich. Da mag er mich wohl ganz gerne. Aber das ist auch schon alles. Vielleicht mag er aber auch nur die Einzigartigkeit unserer Beziehung, purer Sex gepaart mit Gefühlsarmut und keinerlei Verpflichtungen. Er hat wohl immer schon den ultimativen Kick gesucht.

Moment mal, warum lasse ich mir das eigentlich bieten? Wo ist der Vorteil dabei für mich? Der Vorteil dabei ist vielleicht, dass unser Verhältnis recht konstant ist. Kein sentimentales Gesabbel. Kein gefühlsduseliger Mist. Denn vielleicht hätte ich schon die Nase von ihm voll, wenn alles normal abgelaufen wäre. So wie mit Robert. Vielleicht aber auch nicht, ist ja auch egal, ich werde es nie erfahren. Robert war mir trotz seiner körperlichen Größe und Stärke hoffnungslos unterlegen. Das kann ich von Hardy nicht behaupten, er ist mir zumindest ebenbürtig, wenn nicht sogar stärker und härter als ich. Mit dem könnte ich nicht so umspringen wie mit Robert... Ich habe reichlich Respekt vor Hardy, wie der Proff ja schon festgestellt hat.

Und ich habe mit Hardy ziemlich viel Freiheiten. Ich kann die Wochenenden gestalten wie ich will, weil er mit seinem Mob unterwegs ist. Manchmal frage ich mich, was er dann so treibt. Die haben doch bestimmt Frauen dabei. Oder lernen welche kennen. Ich frage ihn natürlich nie danach, er könnte dann denken, es interessiert mich. Und ich selber erzähle ihm ja auch nichts über gewisse Sachen, die ich so treibe. Das geht ihn nichts an. Der wird noch mit fünfzig mit den Cobbers unterwegs sein. Allerdings werden es bestimmt immer weniger werden, denn ein paar haben wohl jetzt schon feste Freundinnen (bis auf Hardy natürlich!), und irgendwann wird es aus sein mit den Wochenendtrips. Dann wird er es schwer bereuen, dass er mich nie in sein Leben lassen wollte. Dann wird er alleine sein.

Ach Quatsch, er wird immer ein williges Weib finden, um nicht alleine zu sein.

Verdammt, was denke ich da überhaupt? Will ich in sein Leben? Bis jetzt habe ich es konstant vermieden, und ich glaube, er will es auch nicht. Aber wie soll es in Zukunft weitergehen. Ich glaube nicht, dass ich mich mit einer rein sexuellen Beziehung auf Dauer glücklich fühlen könnte – und da ich von Hardy nicht mehr bekommen werde, muss ich mir das, was ich will eben woanders suchen.

Einen Augenblick lang fühle ich mich entsetzlich. So einen wie Hardy werde ich nie wieder finden, er ist einmalig. Im Bett natürlich nur...

Und ich lege hier zusammengekrümmt und streichle zärtlich seine Eier, ausgerechnet ich, die überhaupt keine Zärtlichkeiten braucht. Ich höre schließlich auf, ihn sanft zu streicheln und lege mich neben ihn. Er scheint ein wenig abwesend zu sein. Hardy, was ist los mit dir? War es nicht gut? Er hat bestimmt schon besseres erlebt mit anderen Frauen, da mache ich mir keinerlei Illusionen.

"Hab ich dir schon von Madames Psychologen erzählt?" Er schreckt zusammen, aber dann schaut er mich aufmerksam an.

"Nein", sagt er.

"Also, Madames Psychologe – wo ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Psychiater und einem Psychologen? Ach was soll’s. Jedenfalls behandelt er sie umsonst. Wie findest du das?"

"Weiß nicht..."

"Also, ich finde es unangemessen. Wer sich mit der abgibt, sollte Geld dafür kriegen und nicht noch was draufzahlen." Ich bin ein wenig aufgebracht. Es scheint, als ob Madame viele Verehrer hat. Na gut, ich habe auch ein paar Verehrer. Als ich am Mittwoch im Klonck war, ich war seltsamerweise mit meinem Fahrrad da, ich hatte es im Keller gefunden, die Reifen waren noch in Ordnung und mussten nur aufgepumpt werden, da habe ich einen jungen Typen kennen gelernt, er war groß, recht dünn und sehr intelligent. Außerdem viel jünger als ich. Und er hatte einen Lieferwagen dabei. Mit diesem Lieferwagen brachte er mich und mein Fahrrad nach Hause. Ich wollte zuerst zwar nicht, aber es war besser so, ich glaube, ich hätte nicht mehr richtig fahren können. Ich lud ihn noch auf eine Tasse Kaffee ein, und er war total fasziniert von meiner Musik. Ich glaube, es war die Musik , die ihn faszinierte. Oder ich vielleicht? Ist egal. Außer Kaffeetrinken war wirklich nichts.

"Wo war ich? Ach ja, sie ist mit ihrem Psychologen durch die Innenstadt von E. marschiert, und sie haben alte Leute angerempelt. Er hat es ihr befohlen und meinte, es wäre gut für sie. Wie findest du das?"

Hardy schweigt. Es ist ungewohnt, dass er mir nicht zuhört.

"Hardy?"

Was hat er? Habe ich mich zu weit vorgelehnt mit diesem Sexspielchen? Habe ich seinen Stolz verletzt?

"Das ist ja wohl ein Ding", sagt er nach einer Weile. "Alte Leute anzurempeln... Was ist denn das für ein Psychologe?"

Verdammt noch mal, was ist mit ihm los? Seit wann ist er von meinem Geschwätz gelangweilt. Bis jetzt hat er sich immer gut darüber amüsiert. Ist er meiner überdrüssig? Jetzt wird mir auch ein bisschen komisch zumute.

"Und was machen die wohl als nächstes? Vielleicht ’ne Bank überfallen?" sage ich, nur um etwas zu sagen.

"Natürlich nur zur Stärkung des Selbstbewusstseins", meint Hardy irgendwie nachdenklich und ist immer noch nicht so interessiert, wie ich ihn gerne hätte.

"Natürlich... Und außerdem weiß ich jetzt, wo man in Europa am billigsten saufen kann." Ich lasse das uninteressante Thema über Madames Psychologen fallen und fange was neues an. "Außer vielleicht auf Mallorca..."

Er schaut mich mit einem Funken von Interesse an. Klar, er ist ein Geizhals, er ist bestimmt immer schon ein Geizhals gewesen, nicht nur in geldmäßiger sondern auch in gefühlsmäßiger Beziehung und vor allem in gefühlsmäßiger Beziehung zu mir.

"Und wo ist das bitte?"

"Das rätst du nie!"

"Na, sag’s schon!"

"Es sind die Hundeplätze." Ich entschließe mich, sparsam mit meinen Enthüllungen über die billigsten Saufplätze in Europa zu sein.

"Häääh?!"

"Es sind die Hundeplätze. Ja tatsächlich! Da gibt es immer ein Vereinshaus mit Theke, und während die Kampfdackel draußen abgerichtet werden, kann man im Vereinslokal was zu sich nehmen. Und zwar ganz billig."

"Is nich wahr!" Hardy verfällt in den typischen Ruhrgebietsslang, den jeder Außenstehende uns anhören kann, auch wenn wir meinen, total korrektes Hochdeutsch gesprochen zu haben...

Na ja, immerhin scheint er geistig wieder da zu sein.

"Ein Pils kostet fünfzig Pfennig, und ein Schnaps kostet auch fünfzig Pfennig. Leider haben die nur so ekliges Zeug wie Korn...."

"Das ist wirklich sagenhaft billig.... Und man benötigt keinen Hund dazu?" Hardy scheint interessiert zu sein. Er ist wieder dabei. Gedanket sei dem Herrn.

"Na gut, Madame hatte die Venus dabei. Aber sie ist nicht Mitglied geworden. Sie hat sich nur beraten lassen. Ach was soll’s .Diese Hundedressurtypen waren total langweilig..."

Er schweigt wieder. Das ist ja nicht zum Aushalten. Vielleicht sollte ich ihm ein Geheimnis verraten, das ich eigentlich ungern preisgebe.

"Hab ich dir eigentlich schon meinen wahren Namen gesagt?"

Hardy stutzt, schaut mich verblüfft an und sagt:" Was soll denn das für ein Name sein? So was wie Rumpelstilzchen?"

"Nein, nicht direkt. Aber ähnlich schlimm. Ich heiße nämlich Irma Wilma Lina...."

"Das hört sich äääh... nett an", sagt er spöttisch lächelnd.

"Wenn ich mal Kinder hab, dann nenn’ ich die Pebbles und vielleicht Bambam. Ach nee, ist unwahrscheinlich, dass ich mal Kinder habe. Vielleicht werde ich irgendwann mal eine Katze Pebbles nennen." Ich glaube, ich langweile Hardy, denn er ist wieder still geworden. Verdammt noch mal, was ist mit ihm los? Allmählich wird mir die Sache unheimlich. Für irgendwas muss ich ihn doch interessieren können. Vielleicht für Urlaub?

Ich erzähle ihm, wie ich in Jugoslawien war. In der nördlichsten Ecke, da wo der ganze Scheiß, den die Schiffe in die Adria schmeißen, angeschwemmt wird. Und dass man eigentlich nur mit D-Mark bezahlen konnte, über das jugoslawische Geld rümpften die Jugoslawen die Nase. Und alles sah gleich aus. Jedes Grilllokal spielte die gleiche Musik, servierte das gleiche Essen und hatte die gleichen Angestellten. Ich hatte schon nach ein paar Tagen die Nase voll. Außerdem gab es keinen Sandstrand, nur betonierte Mauern und außerhalb der Mauern hundsgemeine Seeigel, und es sah im Prinzip aus wie im Freibad am See. Und die Sonne ging auf der falschen Seite unter, nämlich nicht über dem Meer, sondern auf der anderen Seite.

Natürlich hatte ich auch Ärger mit Parker gehabt, aber das erzähle ich Hardy natürlich nicht. Jedenfalls war es ein beschissener Urlaub.

Darauf beglückt Hardy mich mit einer anderen Geschichte. Er hat seine seltsame abwesende Phase anscheinend überwunden und ist jetzt wieder ganz er selbst. Er erzählt mir die Geschichte von Onkel Günner.

Also, sie wollten mit Onkel Günner vor zwei Jahren zum Camping nach Spanien fahren. Onkel Günner war ein Einzelgänger, aber gut drauf. Onkel Günner hatte in seinem Auto das Zelt untergebracht und den Gasherd, und Hardy und sein Cobber hatten die Heringe, das Kochgeschirr und die Schlafsäcke im Auto untergebracht. Es war eine fantastische Aufteilung. Nur was passiert, wenn’s schief geht?

Kurz hinter Basel verloren sich die beiden Autos, Onkel Günner war links über die Schweiz gefahren, Hardy und sein Cobber waren rechts über die unausweichlichen und teuren Autobahnen von Frankreich gefahren. Das Zelt und der Gasherd waren futsch. Genauso wie Onkel Günner. Man stellte sich auf einen recht einseitigen teuren Urlaub in einem Hotel ein.

Aber wie durch ein Wunder vierundzwanzig Stunden später, nach einer Nacht im Auto in Frankreich und mitten auf der französischen Autobahn, mitten im Trubel und mitten im französischen Geschwindigkeitsrausch überholten sie – was für ein Wunder – Onkel Günner. Er trug schon ein Hawaiihemd, sein linkes Bein baumelte aus dem Fenster, und er pfiff fröhlich ein Liedchen vor sich hin.

Das Zelt, der Gasherd und vor allem der Urlaub, es war alles gerettet.

Man ließ übrigens Onkel Günner in Spanien zurück. Er hatte wohl genug Dreck am Stecken, um besser nie wieder nach Deutschland zurückzukehren. Und man hatte seitdem nie wieder was von ihm gehört

Ich fand es lustig. Obwohl mich andere Gedanken plagten. Seltsamerweise.

Was macht man so als junger Stier in Spanien? Wie oft hatte Hardy wohl reingehalten? Woher kamen seine guten Kenntnisse so sexmäßig? Und warum hielt er sich dann mit so einer wie mir auf, die relativ unerfahren in dieser Beziehung war? Und auf einmal war ich es, die eine seltsam abwesende Phase hatte wurde und merkwürdig uninteressiert war.

Zwei Stunden später, so um elf Uhr verabschiedete ich mich von ihm. Ich wollte zu Hause baden, und ich hatte noch eine Verabredung mit Karen, die ich nicht aufgeben wollte.

Aber zumindest meine Hände wusch ich mir sehr aufmerksam...

 

Ende Kapitel 18  LOVE GAMES © Ingrid Grote 2004

 

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