LOVE GAMES  

Kapitel 13

Das Grauen an der Ruhr

Ich könnte mich schwarz ärgern, dass ich zu diesem blöden Grillfest an der Ruhr muss. Madams unerträgliche Gegenwart wird mir den ganzen Tag versauen.

Aber eigentlich bin ich topfit. Die paar Stunden Schlaf in Hardys Bett waren so erquickend wie lange nicht mehr. Ich bin normalerweise keine gute Schläferin, kann nicht lange schlafen und stehe immer früh auf.

Wieder zögere ich das Baden hinaus. Ich weiß auch nicht warum.

Um fünf kommt Susanne, und wir brechen auf, um Madame abzuholen. Man wartet schon vor der Tür. Susanne muss sich hinten auf die winzige Rückbank meines Karmanns setzen, und Madame mit ihrer Rottweilerdame Venus sitzt natürlich vorne neben mir. Sie sitzen alle auf Decken, die Madame mitgebracht hat. Madames Stecher fährt mit dem Fahrrad samt Grill zur Ruhr. Der Sohn ist wohl in der Sommerfrische.

Fünf bauchige Zweieinhalbliter-Flaschen spanischer Rosé – ich glaube, der knallt ganz schon rein – liegen schon seit zwei Tagen auf dem Boden des Karmanns. Kurz gesagt, wer einen Karmann kennt, weiß, dass es sich um einen Zweisitzer handelt, bei dem man vorne zwar wahnsinnig viel Platz hat, aber hinten is nix.... Und Kofferraum hat er auch nicht, falls man nicht das bisschen Platz unter der vorderen Haube als Kofferraum bezeichnen will.

Es ist fürchterlich schwül...

Die große Wiese an der Ruhr ist gerade gemäht worden, und überall liegen riesige Mengen Heu herum. Riecht gut.

Wir bauen Sitzmöbel aus Heu, legen Decken drauf, und sie sehen richtig bequem aus.

Grummel, grummel. Was höre ich da? Wird doch wohl nicht mein Magen sein?

Ich schaue vorsichtshalber zum Himmel empor. Auweia, der hat sich während unserer eifrigen Nestbauerei leicht grünlich verfärbt mit einem schwefelgelben Beistich. Der Himmel spuckt wieder ein leichtes Räuspern aus.

Ist mal wieder typisch. Plane eine Picknick oder eine Grillparty, dann fällt sie garantiert ins Wasser. Das ist wie ein Regenzauber.

"Unter die Brücke", rufe ich. "Aber schnell!"

In Windeseile packen wir die Decken wieder ins Auto, und ich fahre den Karmann über einen holprigen Feldweg, der bestimmt nicht für Autos geeignet ist, in Richtung Schnellstraßenbrücke, die so breit ist, dass man mit Sicherheit darunter nicht nass wird. Beim Rangieren fahre ich eine der Roséflaschen platt, die irgendein Idiot hinter das Auto gestellt hat. Zum Glück habe ich keinen Platten, aber um den Wein tut es mir echt leid.

Und dann geht es los! Der Himmel hat sich mittlerweile schwarzblau verfärbt. Ein Gleißen, ein Krachen, ein Gedonner. Blitze schlagen in der Ruhr ein. Susanne und ich klatschen begeistert. Diese Naturschauspiele sind wirklich faszinierend, bis es uns dann doch zu unheimlich wird und wir uns ins Auto setzen, in diesen sicheren, wie heißt er noch, ach ja Faradeischen Käfig, der wie ein Blitzableiter funktioniert.

Und dann fängt es an zu regnen. Was heißt regnen? Das Wasser kommt wie eine Wand hinunter, man sieht nichts anderes mehr als Wasser. Ich glaube, ich habe vergessen, das Schlafzimmerfenster zuzumachen.

 

Irgendwann ist das Unwetter vorbei.

 

Nach und nach trudeln die Geburtstaggäste ein. Seltsame Gestalten. Aus der Therapie? Madame war auch schon mal in der gleichen psychiatrischen Suchtklinik wie Gudrun-Olivia, meine frühere Wohnungsgenossin. Im Volksmund wird diese Klinik die ‚Nasenbleiche’ genannt. Ich muss kichern. Nasenbleiche!

Ich glaube, dass insgesamt vielleicht zehn bis zwölf Leute da sind, ich kann das nicht so genau abschätzen, weil ich mit dem Zählen nie zu Ende komme, denn dieser herrlichkräftige vollmundige Rosé haut ganz schön rein.

Susanne hat ihren Überseekoffer von einem Kassettenrecorder mitgebracht, der passte gerade noch ins Auto. Und ich habe meine ganzen Kassetten mitgebracht.

Ich fange an herumzumeckern, weise auf die segensreiche Erfindung einer Schnellstraßenbrücke hin und darauf, wie feindselig uns die Natur gesonnen wäre....

Es scheinen alles fundamentale Naturliebhaber und alternative Müslifresser zu sein, fast alle sind mit dem Fahrrad gekommen. Und sie verstehen mich natürlich nicht, aber sie suhlen sich jetzt alle unter diesem Stück Technik im Trockenen herum.

Madame sitzt auf ihrer Wolldecke und hält Hof wie eine Königin.

Ein seltsam mickrig asketisch aussehender Typ küsst ihr die Hand, die sie ihm gnädig entgegenstreckt. Nein, er küsst nicht nur die Hand, sondern schleckt ihr den ganzen Arm ab. Igittigititt...

Georg, das ist ihr Stecher, guckt ziemlich grimmig drein, sagt aber nichts.

Warum küsst mir eigentlich nie jemand die Hand? Doch, Robert hat es öfter getan, nach unseren Liebesspielen, aber Robert zählt nicht...

Susanne und ich essen je ein gegrilltes Kotelett. Irgendwie haben sie den Grill trotz der widrigen feuchten Umstände doch noch in Gang gebracht. Natürlich haben wir die Koteletts selber mitgebracht, das heißt, ich hab sie mitgebracht.

Madame wundert sich, dass so wenig Leute zu ihrer offenen Party erschienen sind, wo sie doch mindestens dreißig oder vierzig eingeladen hat. Übrigens ist auch eine Siamkatze samt Frauchen erschienen. Warum wundert mich das nicht?

Wir gehen zu fünft – ich glaube, es sind Susanne, Madame, zwei andere Frauen und ich – in die nächste und einzige Kneipe im Umkreis. Madame fragt die Wirtin, die recht erstaunt ist ob dieser gewaltigen Ansammlung von Irren, ob sich irgendwelche Leuten hier hätten blicken lassen. Die Wirtin hat keinen gesehen und weiß von nichts. Also laufen wir wieder zurück zu unserer Schnellstraßenbrücke.

 

Ich breche allein auf zu einem Spaziergang durch die Natur an der Ruhr. Es ist schon fast dunkel, alles ist noch triefend nass, und von den Bäumen und Büschen gluckst das Wasser herunter und tröpfelt mir in den Nacken.

Auf den Wiesen liegt herbstartiger Nebel, so richtig erlkönigmäßig. Diese seltsamen Pflanzen, die jetzt so unheimlich vor dem dämmrigen Hintergrund aussehen, die mag ich nicht. Sehen aus wie riesige Sonnenblumen mit gefährlich gezackten Blättern, die halbvergammelt aus den monströsen Stengeln ragen. Ich gehe diesen Pflanzen instinktiv aus dem Weg.

Und plötzlich habe ich das Gefühl, jemand geht an meiner rechten Seite, es ist natürlich ein Mann, ein sehr großer Mann, und vorsichtig schaue ich nach rechts. Oh nein, was will der denn hier? Der hat mir gerade noch gefehlt, das Unwetter hat mich wohl mürbe gemacht. Was könnte der jetzt wohl zu mir sagen, oh, er hat den Arm um mich gelegt, und ich fühle mich erstaunlich zufrieden und irgendwie wunschlos glücklich.

Was sagt er da? "Komm. lass uns hinter diesen Busch gehen und es dort treiben!"

Ich schmeiße die Vision in den besagten Busch. Soll sie doch da liegen bleiben und vermodern.

Verdammt noch mal, bleib mir ja aus meinen Träumen!

Ich schlendere wieder zurück in Richtung Schnellstraßenbrücke, wo die anderen Wahnsinnigen sich versammelt haben. Unter starker Roséeinwirkung und unter Einfluss des Nebels, der auf den Wiesen liegt, kichere ich blödsinnig vor mich hin: Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an, Erlkönig hat mir ein Leids getan. Wieso anfassen? Wieso Erlkönig? Wieso Leids?

 

Oh Gott, sind diese Leute ätzend, mit denen kann ich nichts anfangen, na, immerhin finden sie meine Musik gut.

Später am Abend sitzt Susanne ziemlich trübsinnig im Karmann und sieht recht mitgenommen aus. Das war bestimmt der Rosé.

"Ich bin müde", murmelt sie.

"Leg dich nach hinten und versuch zu schlafen". Ich küsse sie sanft auf die Stirn. Ich glaube, ich habe diese Unsitte des Auf-die-Stirn-Küssens von Hardy übernommen. Sie lässt sich von mir umarmen und hat wieder dies hingebungsvolle Mach-mich-an-Gesicht aufgesetzt.

"Mir ist schlecht", sagt sie dann, beugt sich leicht aus meinem Auto und kotzt mit einer anmutigen Gebärde den ganzen Roséwein und als Zugabe ein zerkleinertes Kotelett aus.

So was von Kotzen habe ich noch nie gesehen. Alles kommt auf einmal raus . RUMMSS!

Na ja, mit den Großen saufen, das kannst du nicht, Susanne. Scheiße, jetzt wird mir selber leicht schlecht, und ich schlage mich in die Büsche, teils um dort zu pinkeln und teils um mir einen Finger in den Hals zu stecken, um auch kotzen zu können...

Als ich zurückkehre, liegt Susanne zusammengekrümmt auf der winzigen Rückbank meines Karmanns, und die meisten Gäste brechen auf gerade auf. Sie schwingen sich auf ihre Fahrräder oder verschwinden einfach in der Dunkelheit. Ist mir egal, wohin die verschwinden.

Als alle weg sind, überlegen wir, wo und wie wir schlafen sollen, denn Auto fahren kann ich auf keinen Fall mehr... Bin ziemlich betrunken, aber nicht berauscht irgendwie...

Madame entschließt sich, auf dem Beifahrersitz meines Karmanns zu übernachten. Ihre Rottweilerhündin und ihr Stecher Georg dürfen auf dem harten Steinpflaster unter der Schnellstraßenbrücke übernachten. Als Kopfkissen bekommt Stecher Georg ihre Reisetasche, und eine Decke, das glaube ich jedenfalls, schmeißt sie ihm auch noch raus. Oder vielmehr nicht ihm, sondern ihrer Hündin Venus.

 

Mit Sicherheit habe ich den schlechtesten Teil erwischt. Ich habe nämlich das Lenkrad zwischen meinen Beinen, und das ist umso ärgerlicher, weil ich heute früh am Tag schon ganz was anderes zwischen meinen Beinen hatte...

Zum Glück ist es nicht kalt in dieser Nacht, und ich dusele so vor mich hin. Bis ich aufwache. Ich habe einen sehr leichten Schlaf. Madame will gerade aussteigen. Was will sie draußen? Frage ich sie das? Keine Ahnung. Draußen wird es schon hell.

"Ich muss an meine Reisetasche!" sagt sie energisch.

Daraufhin döse ich wieder ein, bis ich von einem fürchterlichen Gezeter geweckt werde.

"Du Schwein! Du verdammtes Schwein!... Aaarrrggg!"

Dann ein Kreischen, es hört sich an wie ein abgestochenes Schwein – ich weiß zufällig, wie ein abgestochenes Schwein sich anhört, weil ich das als Kind mal mitgekriegt habe.

Susanne ist aufgewacht, und wir schauen uns schreckerfüllt an. Was ist los. Ist es ein Überfall? Nachts an der Ruhr und im Morgengrauen?

Plötzlich wird die Beifahrertür aufgerissen, und Madame wälzt sich in mein Auto hinein.

"Das Schwein wollte mich umbringen", kreischt sie. "Dabei wollte ich doch nur an meine Tasche..." Sie heult und schluchzt.

"Welches Schwein?" frage ich vorsichtshalber, obwohl nur ein Schwein in Frage kommt, nämlich ihr Stecher Georg, er ist der einzige, der noch hier verblieben ist.

"Dieses Schwein von Georg!" Madame ist total außer Fassung. "Aber ich muss an meine Tasche...", sie öffnet die Autotüre wieder und springt hinaus, bevor ich sie daran hindern kann.

Susanne und ich gucken uns fassungslos an. Wir hören wieder ein Kreischen von draußen.

"Du verdammtes Schwein! Gib mir meine Tasche!"

Oh Gott! Georg war wohl ausgeflippt. Mist, Mist aber auch!

Sie erscheint wieder, total aufgelöst und schwingt sich ins Auto. Sie bittet mich heulend, zu ihrem Stecher hinauszugehen und ihre Brille zu holen, die sie bei dem Gefecht wohl verloren hat.

Ich tue es widerwillig. Madame ist zwar meine Geschlechtsgenossin, aber ich kann sie nicht so gut leiden, dass ich mir von ihrem Stecher was antun lassen möchte. Ich kenne die Gewalt und möchte ihr am liebsten aus dem Wege gehen... Parker war nicht direkt gewalttätig, aber einmal hat er mich einfach aus dem Häuschen ausgeschlossen, Gott sei Dank war es im Sommer, und ich traf die Katzen draußen in der Nacht und lernte ihre nächtlichen Wege kennen. Als ich nach Stunden versuchte, durch das geöffnete Oberfenster im Erdgeschoss ins Haus zu gelangen – es klappte auf Anhieb – musste ich feststellen, dass Parker überhaupt nicht mehr da war. Er hatte das Ganze wohl inszeniert, um zu einer seiner Geliebten gehen zu können. Wie bescheuert war ich damals eigentlich?

Na klar habe ich Probleme, aber diese Probleme sind so tief in mir eingeschlossen, dass ich sie niemanden mitteilen werde, weil ich sie auch vor mir selber verdränge.

Ich steige also widerwillig aus und nähere mich vorsichtig diesem Georg.

Er macht eigentlich einen ziemlich friedlichen Eindruck.

"Was machst du denn für Sachen?" Ich versuche meine Stimme sanft klingen zu lassen, als ob ich eine aufgebrachte Katze beruhigen müsste. Die Hündin Venus liegt übrigens ganz entspannt neben ihm. Sollte die nicht ihr Frauchen beschützen?

"Weiß nicht", sagt Georg.

"Wo ist die gottverdammt Brille?"

"Hier." Er reicht sie mir oder vielmehr das, was davon übrig geblieben ist. Ein Glas fehlt, der Rest ist ziemlich verbogen, und die Scherben liegen wie Diamantensplitter auf den Steinen.

"Die ist wohl hin!" Ich kehre mit dem Brillenfragment ins Auto zurück.

"Das wird er mir bezahlen!" kreischt Madame. "Das verdammte Schwein! Ich will jetzt weg hier! Komm, wir fahren weg hier! Venus! Komm her!" Venus kommt widerwillig und springt zu ihr ins Auto. Dann knallt sie die Tür zu.

Und ich dämliche Ziege gehorche ihren Gekreisch. Himmel, eigentlich dürfte ich noch gar nicht fahren bei dem Alkoholpegel im Blut, aber ich fahre trotzdem. Wir ruckeln über den holprigen Feldweg, dann müssen wir über den Parkplatz von dieser Kneipe fahren – das Blöde ist, der normalerweise steinharte Lehmboden ist von dem Regenguss so aufgeweicht, dass da jetzt nur noch ein dreißig Zentimeter tiefer gelber Matsch ist.

Nach ein paar Metern bleibe ich in dem gelben Matsch stecken...

Madame springt aus dem Auto, Susanne folgt ihr, und die beiden schieben das Auto an, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Oder der Georg.

Der Karmann ist sehr leicht, und ich komme gut aus der Pampe raus, ich muss zugeben, dass ich bisschen mehr Gas gebe als nötig, und die beiden Mädels werden vollgespritzt bis zu den Hüften.

Gut, wir haben die Straße erreicht, und ich hoffe nur, dass am Sonntag morgen um sieben Uhr noch keine Polizeistreife unterwegs ist. Vorsichtshalber stecke ich mir ein Kaugummi in den Mund.

Das Auto ist jetzt innen wie außen versaut. Na wirklich toll.

Wir fahren zu Madames Wohnung, und von dort aus ruft sie das diensthabende Polizeirevier an. Ob sie es voll durchzieht? Ist nicht jederfraus Sache, so mit Anzeige. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, was das bringen soll.

"Ich bin geschlagen worden", heult und jammert sie ins Telefon. Und obwohl ich Mitleid mit ihr habe, geht mir dieser falsche gekünstelte Unterton in ihrer Stimme schwer auf die Nerven. Das Gejammer hör sich an wie eine Laienaufführung in Hintertupfingen. Oder wie aus einem Fassbinder-Film.

Der diensthabende Polizist schlägt ihr wohl vor, mal auf der Wache vorbeizukommen, um die ganze Geschichte zu Protokoll zu geben.

Und wer muss wieder fahren? Ich erspare mir die Antwort. Ich stecke mir ein neues Kaugummi in den Mund und hoffe, dass sie mich nicht ins Röhrchen blasen lassen.

Der Oberbulle auf der Wache nimmt Madame nicht ganz für voll. Jetzt hasse ich beide, den Bullen, weil er ich so ungläubig anstellt und Madame auch, weil sie so gekünstelt rumheult.

Sie deutet auf ihre Ohrläppchen. Man sieht ein bisschen Blut, und die kaputte Brille zeigt sie auch vor.

Eine Polizeistreife will an die Ruhr fahren, um den Übeltäter zu schnappen. Was wollen sie mit ihm tun? Ihn verhaften? Außerdem ist der bestimmt schon weg.

Wir fahren also zurück zu Madames Behausung, anders kann ich ihre ‚Wohnung’ nicht bezeichnen.

"Ich hab auch schon viel Scheiße erlebt!" Susanne überrascht uns mit diesem lauten Ausspruch. Sie ist aufgestanden und starrt vor sich hin.

Ich gucke sie fassungslos an. Was, du auch? Ich hab immer gedacht, sie wäre so souverän in ihren Beziehungen, und dann kommt das? Vielleicht ist jetzt die große Bekennungsstunde, aber die sollen sie gefälligst unter sich abhalten. Ich werde nichts bekennen von der Scheiße, die ich mit Parker erlebt habe, ich habe keine Probleme und wenn ich welche hätte, dann würde ich sie auch unter Hypnose nicht bekennen, denn alles ist in mir ganz tief eingeschlossen, verkapselt....

Madame hat sich mittlerweile beruhigt. Jetzt will sie wohl doch keine Anzeige mehr erstatten. Die Bullen rufen an – natürlich haben sie niemanden mehr an der Ruhr angetroffen, sogar der Müll vom Fest war weg.

Madame ergeht sich in vagen Vorstellung, wie sie den Georg privat fertig machen will

"Sei vorsichtig", warne ich sie. "Er hat jetzt Blut geleckt..."

"Das Schwein mache ich fertig!" tobt sie.

"Aber wie denn?"

Ich habe da schon ein paar Ideen", sagt Madame finster brütend.

 

Eine halbe Stunde später fahre ich mit Susanne nach Hause.

Das war vielleicht ein Wochenende! Den Rest des Sonntags verbrachte ich halb im Bett, halb vor dem Fernseher, wo ich beim Fernsehen auch noch las.

Natürlich rief keiner an.

Ende Kapitel 13

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Kapitel 14

Telefongespräche und Thesen...

Am Dienstag traf ich mich mit Karen. Sie ist sehr intelligent und feinfühlig, aber leider geht das alles den Bach runter, wenn sie einen gesoffen hat. Dann wird sie geil und penetrant lästig. Sie ist wie Dr. Jekyll und Mr. Hide. Aber wenn sie Jekyll ist, dann ist sie wirklich großartig. Das Seltsame ist, wir haben festgestellt, dass sie den Exfreund meiner Schwester kennt, den Typen Michael, der später auch der Freund von Strickliesel Wally war und der jetzt mit seiner französischen Freundin in Frankreich lebt. Karen war immer in der Kneipe, wo Michael sich mit seinen Kumpels getroffen hat. Und da hat sie dann ihre große Liebe kennen gelernt. Die große Liebe hat sie allerdings nicht so gewürdigt, wie sie es wollte, sondern eigentlich nur zum Bumsen benutzt. Und ich kenne den Kerl, das war so eine kleine fiese Ratte, die mir in dieser Kneipe mal die Tür vor der Nase zugeknallt hat. Karen meint, er wäre ungeheuer intelligent. Das sei dahingestellt, ich jedenfalls konnte den Kerl nicht leiden. Jedenfalls habe ich Karen nie dort gesehen, war ja auch kein Wunder, denn so oft waren Parker und ich nicht in dieser Kneipe.

Ich machte mir einen Spaß daraus, mit Karen meine Schwester zu besuchen. Ich war lange nicht mehr bei Donni gewesen, früher als ich noch mit Parker zusammen war, hatte ich meine Schwester jeden Dienstag besucht und bei ihr ‚Dallas’ geguckt. Parker hat am Dienstag immer in einer Kneipe Karten gespielt. Oder was ähnliches gemacht.

Jedenfalls war dieser Dienstag mit Karen ein Fiasko, und ich amüsierte mich köstlich. Strickliesel Wally war nämlich auch da, und sie erkannte Karen auf Anhieb als die böse Frau, die mit allen Männern rumgemacht hatte und sogar mit Michael, der zu dieser Zeit Waltrauts Freund gewesen war.

Ein Teil ihrer Verachtung schwappte auch auf mich über, aber das war mir ziemlich egal.

Blöde Weiber!

Beschwere ich mich bei Cornelia, weil sie mir den ‚Mann’ weggenommen hat? Nein, das tue ich nicht.

Ich bin ihr dankbar!

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Ich hatte Karen im Klonck abgesetzt und war dann nach Hause gefahren. Irgendwie hatte ich keinen Nerv, ins Klonck zu gehen. Irgendwie fiebert ich dem Wochenende entgegen, obwohl ich doch gar nichts Bestimmtes vorhatte.

Karen rief mich am späten Freitag Nachmittag an.

Ich hatte ihr noch gar nichts über Madames Fest an der Ruhr erzählt und holte es nun nach. Sie war wirklich froh, nicht dabei gewesen zu sein. Sie war aber am Mittwoch mit Madame einkaufen gewesen und machte immer noch einen ziemlich gestressten Eindruck.

"Sie hat dich doch bestimmt dazu verleitet, irgendwas zu kaufen. Irgendwas, was gar nicht dein Stil ist." sagte ich heimtückisch.

"Wo du das jetzt sagst, ich glaube ja", gab sie kleinlaut zu.

Es schellte an der Haustür.

"Ich muss die Tür aufmachen, bin gleich wieder da."

Es ist Hardy, der mit seinem üblichen arroganten Gesichtsausdruck hereinkommt und mit seiner üblichen geraden, irgendwie unbeugsamen Haltung, die ihn so hart und äääh... ja männlich erscheinen lässt. Er sieht mich mit dem Telefon in der Hand, küsst mich auf die Stirn – das ist wohl eine Pflichtübung – und geht dann noch vor mir ins Wohnzimmer. Dort bleibt er vor meinem Bücherregal stehen und examiniert, so kommt es mir jedenfalls vor, meine Bücher. Mist, ich habe ein paar Liebesromane aus der Stadtbücherei dazugelegt, das ist mir irgendwie peinlich, ist so ’ne Frauensache, obwohl sie nicht direkt als Liebesromane zu erkennen sind. Hoffentlich nicht zu erkennen sind.

Ach, was soll’s? Soll er doch denken was er will, Soll er doch denken, ich wäre eine sentimentale Kuh und genauso wie alle anderen dösigen Weiber. Vielleicht hätte er gar nicht so unrecht damit.

Als ich sehe, dass er alleine klarkommt, widme ich mich wieder meiner Telefonpartnerin. Ich habe Karen nichts von Hardy erzählt, deswegen muss ich auch nicht auf das aufpassen, was ich sage und was sie sagt.

"Es ist Hardy. Wo waren wir?"

"Wer ist Hardy?"

"Ein ääähh... Bekannter." Oh, das tut gut, ihn fühlen zu lassen, dass ich nichts von ihm erzählt habe!

Ich merke, wie seine Augen sich verengen und er auf mich zukommt. Er hat so ein sadistisches Grinsen im Gesicht, und ich fürchte schon, er wird mich irgendwo anfassen, so dass ich dann stöhnen muss und dass ich dann nicht mehr weiß, wie ich das Stöhnen meiner Freundin Karen erklären soll. Aber bevor er mich erreicht, überlegt er es sich anders, dreht ab und geht wieder zurück, er greift sich ein Buch aus dem Bücherregal, nimmt sich eine Kassette aus dem Musikregal heraus, legt sie in den Recorder und setzt sich dann aufs große Sofa. Auf der Kassette ist ‚Madame Medusa’ und zwar die Maxiversion. Was für ein Zufall! Und irgendwie bin ich enttäuscht. Weil er mich nicht angefasst hat?

"Also wo waren wir?" fragt Karen.

"Du warst einkaufen mit Madame. Was hast du dir gekauft?"

"Ich habe", es ist Karen hörbar peinlich, das zu gestehen, "mir so seltsame Sandalen gekauft, die überhaupt nicht mein Stil sind. Man muss so Lederbänder an der Ferse zu einer Schleife binden, und das sieht komisch aus."

Oh mein Gott, das geht mir runter wie Öl. Letztens hatte Madame mich dazu verleitet, mir für teures Geld eine Hose zu kaufen, die auch nicht mein Stil war. Es war eine blau-weiß gestreifte, eng taillierte dreiviertellange Hose, die mir zwar sagenhaft gut stand, die aber zu nichts passt, was ich schon an Sachen habe. Und ich komme mir darin ein bisschen vor wie Obelix, nur nicht so dick.

"Du sieht damit bestimmt aus wie Hermes, der geflügelte Götterbote. Der hatte auch immer so kleine Flügelchen an der Ferse." Ich sehe, dass Hardy mich lauernd anschaut und lächle ihm lieb zu, was er natürlich mit einem verächtlichen Blick straft. Ich lächle ihm daraufhin heimtückisch zu, das kann er wohl nicht so richtig einordnen, und er vertieft sich wieder in das Buch, das er sich genommen hat.

"Du hast verdammt noch mal recht. Wie konnte ich das nur tun?"

"Die Frau ist wie die Medusa, du bist wie gelähmt, wenn sie dir ihre Scheiße erzählt."

"Ich glaube, ich sollte nicht so viel Kontakt mit ihr haben", gibt Karen dann kleinlaut zu.

"Sie ist eine Sackgasse", sage ich. "Aber was hältst du denn von Waltraut und wie sie sich benommen hat? Wie den letzten Dreck hat sie dich behandelt."

"Ich fand es echt Scheiße!"

"Und ich fand es gut, dass ich jetzt auch eine Unperson bin. Ich bin auch böse. Ich frage mich nur, was ich denen angetan hab... Nur weil ich nicht zu Hause gesessen und geflennt hab’, wie es sich gehört?" Wieder spüre ich, dass Hardy mich anstarrt. Ich genieße es! Und rede locker weiter: "Und dabei habe ich die blöde Kuh damals mit Parkers Jaguar abgeholt. Da war sie aber fertig, als ich vor ihrem Haus damit ankam...."

"Dein Exfreund hatte einen Jaguar?"

"Er hat ihn gebraucht gekauft. Ziemlich gebraucht. Er liebt ihn heiß und innig. Moment mal, warum hat der Blödmann nicht seinen E-Type verkauft, als er Geld brauchte. Nein, er musste mich anpumpen...."

"Irma, Irma, du bist eben zu weich", meint Karen.

"Das bin ich wohl... War aber ungewohnt, das mit der Schocke. Eigentlich hab ich immer nur Autos mit Startautomatik gefahren, den alten VW-Cabrio, den Dreihunderter-Zigeuner-Mercedes von Parker und natürlich den Karmann. Also, ich hatte ziemliche Angst, der Jaguar säuft mir ab."

"Aber du bist damit klargekommen?"

"Sicher, er ist mir nicht abgesoffen, und wenn auch, es hätten sich genug Leute gefunden, die mich angeschoben hätten. Mit dem Ding fällt man auf wie ein bunter Hund. Aber fahren tut er sich wie ein Mittelding aus einem LKW... und ein paar Rollschuhen."

Karen lacht darüber. Und ich sehe, dass auch Hardy seinen Mund zu einem widerwilligen Lächeln verzieht. Ich sehe auch, dass mein weißer getigerter Kater Billy the Kid sich neben ihn gesetzt hat und ihn anhimmelt. Billy liebt Männer. Und Hardy streichelt ihn tatsächlich.

"Jedenfalls gehe ich da nicht mehr hin. Zu deiner Schwester." sagt Karen.

"Meine Schwester ist gar nicht so übel, sie ist nur ganz anders als ich. Erstens viel jünger." Ich merke, dass Hardy mich interessiert anschaut, vielleicht findet er eine jüngere Ausgabe von mir viel reizvoller als mich selber. Na, der wird sich wundern.

"Und sie ist eine Schönheit, das musst du doch wohl zugeben. Das heißt, sie hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit mir."

"Ich finde sie eher gewöhnlich", sagt Karen.

"Sie ist der absolute Männertyp. Und wir sehen uns deswegen nicht ähnlich, weil wir gar nicht miteinander verwandt sind. Meine Eltern haben sie adoptiert, als ich siebzehn war. Na ja.... ich kannte sie natürlich schon, als sie noch ein Baby war."

"Ich finde es gut, dass ihr überhaupt keine Ähnlichkeit miteinander habt."

"Karen, du bist ein Schatz." Ich spüre, dass Hardy allmählich ungeduldig wird, er steht wieder auf und kommt näher, tritt von hinten an mich heran und berührt mich zart an meinen Brüsten. Was für ein Gefühl. Wieder spüre ich diese Wärme in mir hochsteigen, die ich fühle, wenn er mich berührt.

"Ich muss mich um meinen Gast kümmern. Ich muss Schluss machen. Was treibst du so am Wochenende?"

"Ich glaube, ich habe gleich eine Verabredung mit jemanden, der heute nacht hier geschlafen hat. Glaub’ ich jedenfalls. Bin mir aber nicht sicher."

"Na, denn viel Spaß. Wir sprechen uns...." Ich lege auf und drehe mich zu Hardy um.

Er sieht irgendwie sauer aus. Er hat natürlich seine Hände von mir zurückgezogen und schaut mich mit seinen blauen Augen von oben herab an.

"Was ist???!!!" frage ich gereizt. Ich muss doch wirklich meinen Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu schauen.

"Warum bist du einfach so abgehauen?"

"Weil mir danach war vielleicht?"

"Gut", sagt er schließlich. "Aber du hättest dich ruhig von mir verabschieden können."

"Da hättest du aber blöd geguckt, wenn ich dich morgens um sieben geweckt hätte, nur um mich von dir zu verabschieden."

"Möglich", gibt er zu. "Aber mach’ es trotzdem..."

Oha, er zieht also die Möglichkeit in Betracht, dass ich wieder bei ihm übernachte. Das macht mich ein wenig weicher.

"Ich hab’ dir da eine Zigarettendrehmaschine mitgebracht. Sie ist viel kleiner als dein altes Gerät. Das ging mir ziemlich auf Nerven."

"Äääh was?" Ich traue meinen Ohren nicht. Er hat mir etwas mitgebracht. Das ist unglaublich, auch wenn es wahrscheinlich nur ein paar Mark gekostet hat.

"Ich habe dir auch Blättchen und Filter dazugelegt."

"Oh, zeig’ mal!" Ich bin wirklich aufgeregt, als ich das kleine Gerät sehe, es ist nur ein bisschen größer als eine Zigarette, und Hardy zeigt mir, wie es geht. Man nimmt ein Blättchen Zigarettenpapier, wurstelt es irgendwie da rein, es ist nicht schwer, dann füllt man das Gerät mit Tabak auf, und dann dreht man das Ding einmal um sich selber, leckt kurz über die Klebstelle des Blättchens, und schon hat man eine perfekte Zigarette. Man kann sogar vorher einen Filter reinlegen. Und die fertige Zigarette sieht von der Form her aus wie eine Gauloise.

"Dann brauche ich also nur ein Päckchen Tabak, die Maschine und den Rest und kann mir überall frische Zigaretten machen." Ich freue mich wirklich, denn dieses Prinzip ist einfach genial. Warum habe ich vorher noch nie so was gesehen?

Hardy lächelt und nickt zustimmend.

"Das Ding ist Klasse", sage ich. "Kennst du übrigens Level 42?" Ich habe nämlich auch ein paar Überraschungen für Hardy, allerdings keine richtigen Geschenke.

"Äääh was?" Hardy hat keine Ahnung, wer oder was Level 42 ist.

"Es ist eine Funk-Band, und das forty-two kommt von ‚Per Anhalter durch die Galaxis’. Falls du dich daran erinnerst."

"Klar erinnere ich mich. Zweiundvierzig war die Antwort, aber die Frage war nicht richtig gestellt worden."

"Na also. Sie haben sich danach benannt. Willst du’s mal hören?"

"Sicher doch."

Also lege ich die Platte auf, ich habe sie schon seit zwei Jahren, und es ist eine Platte, die wirklich nur mir allein gehört. Sie ist cool, sie ist fast schon zu cool, sie ist fast schon Jazz, so cool ist sie, aber diese Gruppe spielt einfach perfekt. Und sie wird wahrscheinlich gut zu den Jazz-Platten passen, die ich bei Hardy gesehen habe. Diese Jazzsachen sind gar nicht übel, der ‚Koto Song’ mit Miles Davis und Dave Brubeck ist so traumhaft schön, dass man fast weinen könnte, wenn man weinen könnte...

Hardy ist beeindruckt von Level 42. Er hört sie sich sehr genau und kritisch an und hat nichts daran auszusetzen. Ich soll sie ihm tatsächlich auf Kassette überspielen.

Aber das war noch nicht alles, heute werde ich ihn fertig machen. Natürlich nur rein intellektuell gesehen.

"Die Bücher sind übrigens noch viel amüsanter als die Sache im Fernsehen", sage ich, greife in mein Bücherregal und fördere die beiden Teile der Douglas Adams Saga zu Tage. Ich hatte sie extra bestellen müssen in einer Uni-Bücherei, aber keine zwei Tage später waren sie da. Nämlich:

Per Anhalter durch die Galaxis – und

Das Restaurant am Ende des Universums

Beide frisch aus der Druckpresse gekommen. Und ich glaube, damit habe ich den Oskar gewonnen, Hardy greift sich die beiden Büchern und ist nicht mehr ansprechbar, nun ja, das wollte ich eigentlich nicht so haben, aber ich schaue ihm gerne zu, wie er liest. Er soll sich nur nicht einbilden, ich würde ihm die Bücher ausleihen.

"Die musst du mir unbedingt leihen", meint er schließlich, als er merkt, dass sich die Bücher auf die Schnelle nicht gut lesen lassen.

"Wie wär’s, wenn du sie dir selber kaufst?" schlage ich vor.

Er grinst, legt die Bücher zur Seite, steht auf und kommt wieder auf mich zu.

"Du wirst sie mir leihen", sagt er mit seiner rauen und doch so angenehmen Stimme, und ich fange an zu befürchten, dass er Recht damit behält.

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Zwei Stunden später an einem mittlerweile schon sehr späten Freitag Abend kam ich wieder zu mir. Er war einmalig. Er schaffte mich jedes Mal. Und das so ganz ohne Anfassen. Klar fassten wir uns an, aber nur an den sekundären und primären Geschlechtsteilen. Alles andere vermieden wir, natürlich kam es zu spontanen Berührungen während unserer Bumsereien, aber sobald die vorbei waren, zogen wir uns zurück und vermieden es, uns anzufassen. Von Umarmungen ganz zu schweigen... Und wir küssten uns nie. Auch während der Bumsereien.

Und danach unterhielten wir uns. Und es waren gerade die locker fluffigen Themen, die ich so liebte. Die Themen, bei denen es um nichts ging. Vor allem nicht um irgendwelche Probleme ging, die ich wohl haben sollte seiner Meinung nach. Das Problem von der Frau, die so lange mit einem Mann zusammen war und es jetzt nicht mehr war. Aber das ist kein Problem für mich. Das ist eine Befreiung. Aber das glaubt mir ja keiner.

Er fragt nach dieser ‚Madame’, über die ich mit Karen am Telefon gesprochen hatte.

"Ich glaube, die ist nicht dein Fall", sage ich und schaue ihn danach skeptisch an. Warum glaube ich, dass Madame nicht sein Fall ist? Ich kann das doch gar nicht beurteilen, weil ich ihn kaum kenne. Aber wenn Madame sein Fall wäre, dann würde ich ihn sofort in den Hintern treten. Ich habe da nämlich sehr strenge Grundsätze: Wenn ein Mann, der mich angeblich gut findet, bestimmte andere Frauen auch gut findet, dann ist er für mich gestorben.

Diesen Fehler hat übrigens auch Robert gemacht. Nachdem ich ihn einmal mit zu meiner Schwester genommen hatte, behauptete er hinterher mit verklärtem Blick: Deine Schwester ist genauso wie du... Ich glaube, das war’s dann. Nicht, dass meine Schwester schlechter wäre als ich, nein sie ist okay auf ihre Art, aber sie ist NICHT WIE ICH! Übrigens war Donni total angetan von Robert, wie sie mir hinterher sagte.

"Hmmm, Madame, das ist ein weites Feld.". Ich weiß nicht so richtig, wie ich anfangen soll. "Ich weiß eigentlich gar nicht mehr, wann ich sie kennen gelernt habe,  ich glaube mit sechzehn. Wir haben viel Zeugs miteinander gemacht, allerdings war ich damals noch ein richtiges Unschuldslamm. Ich schätze mal, sie hat in den letzten Jahren viel Scheiße erlebt, bestimmt mehr als ich, aber das gibt ihr nicht das Recht, so fürchterlich besitzergreifend und so dämlich ätzend zu sein." Ich mache eine Pause. Und er schaut mich aufmerksam an. Ich überlege, ob ich schon zuviel gesagt habe, immerhin habe ich zugegeben, auch Scheiße erlebt zu haben, wenn auch nicht so viel wie Madame.

"In den letzten Jahren haben wir uns Gott sei Dank nicht oft gesehen, alle paar Jahre vielleicht mal, in der Zwischenzeit hat sie ein Kind gekriegt, der Typ wollte es nicht haben und so weiter. Große Kacke halt. Psychiatrie, die Nasenbleiche, sie hat Schiss, alleine irgendwohin zu gehen. sie hat sogar Angst, um die Ecke zum Einkaufen zu gehen... Und das nervt mich."

Hardy liegt da mit hinter seinem Kopf verschränkten Armen, betrachtet mich, hört mir zu und sagt nichts.

Ich drehe mich auf den Bauch und stütze mich mit meinen Armen auf das Kopfkissen."Sie hat da ein paar interessante Thesen über Männer aufgestellt. Willst du sie hören?"

"Na klar", grinst er.

"Sie hat da so einen Freund, sie sagt, als Geschäftsfrau braucht sie einen Freund, sonst wird sie in der Geschäftswelt nicht für voll genommen. Geschäftswelt, dass ich nicht lache! Sie hat ’ne Mitfahrzentrale... So ’ne kleine Klitsche, wo sie zwei arme Weiber für ’nen Stundenlohn von vier Mark arbeiten lässt, während sie stöhnend in ihrem ekligen Wohnzimmer angeblich die Geschäfte führt. Das ist wirklich lächerlich. Und sozial ist es auch nicht!"

"Lenk nicht ab", unterbricht Hardy brutal mein Gequatsche. "Was ist denn nun mit den Thesen über Männer?"

"Also, der gute Georg muss für sie kochen und sie bedienen, sie schnauzt ihn bei jeder Gelegenheit an. Er soll absolut Scheiße im Bett sein, sie treiben es angeblich nur einmal im Monate, weil sie sich vor ihm ekelt, aber was soll’s... Gut, die erste These lautet im Originalton", ich mache eine kurze effektvolle Pause, und Hardy schaut mich erwartungsvoll an. "Man sollte diesen Typen nicht das geringste Zugeständnis machen, sonst werden sie übermütig. Die Männer lieben das, eine schwache Frau im Bett und eine starke Frau außerhalb vom Bett. Wie findest du das?"

"Ich weiß nicht, ich glaube, ich kann sie nicht ausstehen." Hardy prustet verächtlich.

"Nein, ich hab dich nicht gefragt, wie du das findest, das war mir schon klar, wie du das findest. Nein, ich hab nur ‘wie findest du das’ drangehängt, weil es der original Wortlaut von ihr war. Sie sagt übrigens nach jedem Satz: Wie findest du das? Wie findest du das?"

"Ich finde das Scheiße."

Wir müssen beide lachen. Und ich glaube, falls Hardy jemals auf Madame treffen wird, dann erschlägt er sie mit einem nassen Handtuch.

"Jedenfalls ist es jetzt Essig mit dem Georg", fahre ich fort. "Denn letzten Samstag auf ihrer Party an der Ruhr, die übrigens total beschissen war, es kamen nur Irre an, da hat sie sich ein bisschen zuviel den Arm abschlecken lassen von einem anderen Typen. Und das ist dem Georg dann wohl zu Kopf gestiegen.

"Hmmm", sagt Hardy nachdenklich.

"Es gab ein Riesentheater inklusive Schlägerei, blutigen Ohrläppchen und kaputter Brille. Und ich bin dann noch besoffen Auto gefahren, erst zu ihr nach Hause, und dann musste sie unbedingt noch zu einer Polizeiwache...."

"Halte dich am besten von der Frau fern. Die ist nicht gut für dich", sagt Hardy nach einer Weile.

"Ach, ist schon okay", natürlich schlage ich seine Meinung in den Wind. Was weiß der schon von Frauen und ihren Problemen? Oder weiß er doch was? Er weiß bestimmt zuviel darüber.

"Die zweite These lautet übrigens: Treib’ es am besten mit drahtigen Männern, die sind wirklich gut im Bett. Die großen und muskulösen, die taugen nichts...."

Hardy grunzt beifällig. Natürlich bezieht er das auf sich selber, er ist zwar muskulös, aber eher drahtig muskulös und ergo ein guter Liebhaber.

"Aber wie sagt man so schön: Außer Thesen nichts gewesen", fahre ich locker fort.

Hardy lacht auf, und er guckt mich seltsam an – mit einem skeptischen Blick, den ich nicht definieren kann. Deshalb gucke ich auch wieder von ihm weg und in mein Kopfkissen.

"Du bist wirklich total bescheuert", sagt er, richtet sich auf, kniet sich hinter mich – ich liege immer noch auf dem Bauch – er fasst mich um meine Taille und zieht mich etwas hoch, dann streichelt er meine Brüste, das ist ein wahnsinnig geiles Gefühl, und ich fühle an meinem Hintern sein aufgerichtetes Glied....

*****************************************************

Nach dem Frühstück blieb er nicht lange. Er musste weg, wie er sagte, ein lange schon geplanter Ausflug mit den Kumpels stand ins Haus.

Na gut, ich würde mich drauf einstellen. Ich konnte auch Sachen vorhaben, am besten jedes Wochenende. Am besten schon dieses Wochenende. Ich würde ihm in dieser Beziehung bestimmt nicht nachstehen. Freie Liebe, nein freier Sex, das traf es wohl besser. Und einen Abschiedskuss auf die Stirn.

Er hatte die Bücher tatsächlich mitgenommen. Ich würde sie mir am nächsten Wochenende wiederholen, da sollte ich nämlich zu ihm kommen.

Ich würde genauso am Samstagmorgen entschwinden, wie er heute entschwunden war.

 

Ende Kapitel 14  LOVE GAMES © Ingrid Grote 2004

 

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