GONE WITH THE DEATH? – Teil 3-4
Teil 3 – DIE NETTIGKEIT DER
FRAUEN...
In the forest, in the snow, all those many years ago
Pale stones and epitaphs
In the cemetery where they fell
And now it's just a memory
Spike fuhr aus dem Schlaf empor.
Verfluchte Träume! Sie würden ihn wohl für immer und ewig heimsuchen. Auch
seine Opfer lagen auf Friedhöfen unter blassen Grabsteinen, auch seine Opfer
waren nur noch eine Erinnerung, zerfressen von der Zeit. Er hatte so viele
Leben auf grausame Weise ausgelöscht, hatte die Linien der Generationen genauso
unterbrochen wie ein kleiner Krieg es getan hätte.
A Generation underground – was
hatte er nur getan...
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Zum Termin bei W&H kam Spike nur eine halbe Stunde zu spät, die sollten auf keinen Fall denken, sie hätten ihn schon fest im Sack, wär’ ja noch schöner...
Wieder
ließ ihn der dämonische Türsteher anstandslos passieren, wieder geleitete man
ihn recht flott in die Gemächer der Chefetage, wo sich ihm alsbald der leitende
Typ zuwandte und ihm wieder die Hand reichen wollte, was Spike generös wie beim
erstenmal übersah. Verlegen zog der Typ seine Hand zurück. Wieder...
Spike
nahm Platz und schaute Watson schweigend an.
„Mr.
Castaway, wie geht es Ihnen?“
„Solala“,
brummte Spike.
„Gut,
das freut mich. Wir haben in der Zwischenzeit alles geregelt, was von
Wichtigkeit für Sie wäre.“ Watson kramte in einer Mappe und holte einige
Papiere heraus.
„Dies
ist Ihr Führerschein. Und dies ihr Pass. Er lautet auf den Namen Bill
Castaway“, Watson räusperte sich und rückte seine Brille zurecht. „Nun zu Ihrer
Identität. Sie sind Professor der englischen Geschichte, bevorzugt des 19.
beziehungsweise des 20. Jahrhunderts. Sie haben in Portsmouth studiert. Wir
haben ihre Daten einer anderen Person entnommen, die verstorben ist, und die
auch keine Verwandten mehr in England hat.“
„Hmm,
warum nicht Oxford oder Cambridge?“ Spike setzte ein unverschämtes Grinsen auf.
„Wo ich doch schon Professor bin...“
„Übertreiben
Sie es nicht, Mr. Castaway. Ich meine, wir haben alles in unserer Macht
Stehende getan, um Ihre Identität, ja wie soll ich sagen... sicherzustellen.
Die letzten sechs Jahre haben Sie in Sunnydale verbracht und dort am College
englische Geschichte gelehrt. Da Sunnydale jetzt nur noch ein Riesenkrater ist,
sind natürlich alle Unterlagen und Computerdaten vernichtet worden.“
„Mit
Geschichte kenne ich mich aus“, meinte Spike sarkastisch, „und vielleicht werde
ich auch irgendwann wieder Geschichte lehren...“
„Warum
nicht, Mr. Castaway, wenn Sie sich das zutrauen... Allerdings haben Sie nicht
viel Praxis, denn die meiste Zeit in Sunnydale waren Sie kränklich, und
deswegen haben Sie in den letzten Jahren fast keinen Unterricht mehr erteilt.
Wir mussten nämlich sicherstellen, dass Studenten aus Sunnydale sich NICHT an
Sie erinnern können...“
„Ach
schade, ich war bestimmt sehr gut in meinem Fach Und kränklich? Das stimmt,
irgendwie war ich kränklich... Oder gar tot?“ Wieder grinste Spike. „Wie auch
immer... Ich hab’ jetzt nur noch ein Problem, ich brauche unbedingt ein Haus
mit einem Proberaum. Zum Probieren, wissen Sie.“ Er lümmelte sich provozierend
auf seinem Stuhl herum.
„Ich
glaube, Mr. Castaway, da haben wir etwas für Sie. Sie sollten wissen, dass eine
große Firma wie W&H auch eigene Wohnungen und Häuser besitzt. Ich habe mir erlaubt,
etwas Passendes für Sie herauszusuchen. Hier ist die Adresse des Objekts, und
hier sind auch die Schlüssel.“
„Kaum
gesagt, schon erfüllt. Sie erstaunen mich wirklich, Doctor. Watson“, brummelte
Spike.
Watson
fuhr fort: „Und hier sind die Unterlagen von Ihrem Bankkonto, ferner
Kreditkarten und so weiter...“
„Ich
muss im Himmel sein“, sagte Spike, alias Bill Castaway, seines Zeichens
Professor der englischen Geschichte mit Schwerpunkt neunzehntes beziehungsweise
zwanzigstes Jahrhundert, ferner mit Studium an der Universität von Portsmouth
in Großbritannien. Und im Besitz von diversen Kreditkarten. Geile Gedanken!
„Außerdem“, Watson unterbrach Spikes geile Gedanken, „gebe ich Ihnen die Adresse eines Tonstudios. Sie müssen dort nur noch einen Termin ausmachen, wenn Sie zum Beispiel eine CD produzieren wollen. Wir von W&H haben übrigens ausgezeichnete Beziehungen zu allen Radiosendern in den Vereinigten Staaten...“
„Oh
Gott, das ist einfach...“, Spike riss sich mit großer Anstrengung zusammen, um
seine Aufregung nicht allzu offenkundig zu zeigen, denn er wollte sich vor
diesem bürokratischen Schnösel keine gefühlsmäßige Blöße geben, „nett... Ja das
ist wirklich nett von Ihnen.“
„Keine
Ursache, Mr. Castaway. Wir sind immer für Sie da, falls Sie mal ein Problem
haben sollten.“
Spike
unterdrückte die Eile, mit der er alle Unterlagen an sich raffen wollte, packte
stattdessen alles mit gebührender Langsamkeit ein, erhob sich gemächlich und
verließ gemessenen Schrittes das Büro, nicht ohne Doctor Watson noch einen
‚schönen Tag’ gewünscht zu haben.
Sobald
er allerdings aus der Tür heraus war, rannte er fast in Richtung Ausgang, als
hätte er Angst, man könne ihm alles wieder wegnehmen.
Tatsache
war, er HATTE Angst, man könne ihm alles wieder wegnehmen...
Wie eine Woche zuvor ertönte aus dem Nebenraum eine Stimme: „Wird er jetzt ins Hotel gehen?“
„Vielleicht
sofort, vielleicht später. Es ist bedeutungslos. Wir werden dafür sorgen, dass
alles so passiert wie vorgesehen.“
„Der
Gute fühlt sich doch mit Sicherheit sehr einsam“, spottete die unangenehme
Stimme im Hintergrund.
„Oh ja,
die Konditionierung hat gut angeschlagen... Übrigens haben wir die Prophezeiung
übersetzen können. Es war nicht besonders schwer, obwohl Gälisch nur noch
selten gesprochen wird und die Sprache somit fast ausgestorben ist, aber wie
gesagt, das war kein Problem. Nur der Sinn des Ganzen liegt...“
„Quatschen
Sie nicht rum! Und lassen Sie mich doch mal sehen!“
Papier
raschelte, und kurze Zeit später ertönte ein Ächzen. Dann las die unangenehme
träge Stimme stockend vor sich hin:
Namen
sind nicht
Schall
und Rauch
Der Sohn
des Jägers stark
Auch die
Tochter des Jägers
Der
König und die Fee
Nie
zusammenliegen sollten sie
Niemals
wiederholen sollte sich:
listiger
Rat, die Macht des Bösen
Wäre des
Bösen lang
„Was zum
Teufel soll das bedeuten? Völliger Blödsinn!“, keifte die Stimme. „Die Experten
sollen sich verdammt noch mal damit beschäftigen! Ich will Ergebnisse sehen,
wir haben nicht umsonst so viel Geld in die Sache gesteckt! Dieser miese Exvampir
hat irgendwas mit dem Gral zu tun, denn das Amulett ist ein Teil davon. Aber
was? Wir müssen es herausfinden!“
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Spike
inspizierte kurz die Adresse, die auf dem Zettel stand, den er von Watson
erhalten hatte und fuhr dann los in Richtung Berge. Mittlerweile hatte er sich
einen großen Van zugelegt, ein praktisches Auto, es war dafür ausgelegt, die
Band zu transportieren, und außerdem unternahm Spike damit Ausflüge, um sich
die Gegend um L.A. anzuschauen und nach einem Proberaum zu suchen. Nur hatte er
bisher nichts Passendes gefunden.
Hmm,
warum sollte er hier nicht sesshaft werden? Als alter Sack ohne viel
Hoffnungen. Und er konnte es sich sogar leisten, beim ersten Blick auf seine
Kontoauszüge hatte ihm der Atem gestockt. Er war anscheinend reich.
Das Haus
lag natürlich nicht in Beverly Hills, geschweige denn in Bel Air, aber dennoch
in einer ansprechenden Wohngegend. Alle Häuser hatten lange Zufahrtswege, man
konnte sie von der Straße aus kein bisschen sehen. Die Hausnummern standen aber
feinsäuberlich an den Briefkästen auf der Hauptstraße, und er fand SEIN Haus
auf Anhieb.
Es hatte
keine direkten Nachbarn und wenn, dann waren sie über hundertfünfzig Meter
entfernt, was Spike als zukünftigen Bewohner schwer erfreute, denn er wollte
kein überflüssiges Aufsehen erregen, wenn die Band anfing zu üben.
Das Haus
hatte dicke Natursteinmauern, eine Seltenheit in und um Los Angeles – zumindest
in der mittleren Preisklasse – und es würde drinnen wunderschön kühl sein.
Tatsächlich erinnerte es ihn an ein Häuschen in der Grafschaft Sussex in seiner
ursprünglichen Heimat England.
Spike
nahm den Schlüssel, steckte ihn in das Schloss und öffnete vorsichtig die Tür.
Es war
tatsächlich drinnen wunderschön kühl. Und man stand sofort – wie in
amerikanischen Häusern üblich – in einem großen Wohnraum. Weiter hinten gab es
eine Küchenzeile mit einem Gasherd, und rechts davon führte eine gewundene
Treppe nach oben. Dort befanden sich zwei Schlafräume mit großen breiten Betten
und Fernsehern, noch ein Klo und das Badezimmer.
Verdammt
– es erinnerte ihn irgendwie an das Haus der Bundys. Sogar der Fernseher stand
dort, wo er im Bundy-Haus gestanden hatte. Und das Sofa natürlich auch. Sein
Haus, Spike musste lachen – jetzt war es schon sein Haus – war nur etwas
größer, viel geschmackvoller eingerichtet und vor allem ohne diese ätzende
Nachbarin Marcy Darcy.
Links
neben der Küchenzeile führte eine Tür auf eine verglaste Veranda hinaus, es gab
dort bequeme große Rattansofas und niedrige Tische – ein idealer Platz, um bei
Regen rumzuhängen. Schade, dass es in Kalifornien so selten regnete, außer im
Winter. Spike vermisste den leisen samtigen englischen Regen immer noch, obwohl
er jetzt schon eine halbe Ewigkeit in Amerika war.
Von der Veranda
aus erreichte man durch eine Glasschiebetür den Garten. Er war bewachsen mit
dichtem immergrünen Kirschlorbeer, und durch das grüne Labyrinth führten mit
dickem Kies belegte Wege. Kein Rasen...
Gott sei
Dank, kein Rasen, absolut pflegeleicht!
Und das
Haus hatte einen großen Keller, wiederum eine Seltenheit in L.A. und Umgebung,
dieser Keller flehte Spike förmlich an, ihn als Proberaum zu benutzen. Ach
verdammt, das Haus war gut, fast schon zu gut. Was wollten die von ihm, fragte
er sich. Ach was, was konnten die schon groß von ihm wollen.
Tatsache
war, er fühlte sich sofort hier zuhause. Und am liebsten wäre er sofort hier
geblieben, aber Mist, da waren noch ein paar Sachen von ihm im Hotel, die
brauchte er, und morgen war ja auch noch eine Nacht.
Nach
einer Weile korrigierte er sich: Morgen war ja auch noch ein TAG. So musste er
es jetzt wohl nennen. Also fuhr er zurück.
Er
parkte den Van nicht weit entfernt vom Hotel und schlenderte langsam und in
Gedanken versunken durch die dunkle, menschenleere Gasse.
Plötzlich
hörte er ein leises Wimmern.
Es hörte
sich an wie eine Katze, und er konnte das Geräusch nicht genau lokalisieren,
bis er schließlich mit seinen immer noch nachtaktiven Augen ein dunkles Bündel erspähte,
das fast ganz hinter einem Müllcontainer verborgen lag.
Wieder
ertönte das Wimmern.
Vorsichtig
trat er näher und schaute sich das wimmernde Bündel genauer an. Es war eine
Frau, die da zusammengekrümmt hinter den Mülltonnen lag.
„Haben
Sie keine Angst, ich will Ihnen nur helfen.“ Sie reagierte nicht auf seine
vorsichtigen Worte. Sie sah arg zerschunden aus, Blut lief ihr aus einer Wunde
übers Gesicht, es war am Kinn schon geronnen, sie hatte zahlreiche Schrammen im
Gesicht, und ihr rechter Unterarm stand in einem unnatürlichen Winkel vom
Körper ab. Vielleicht gebrochen. Oder ausgerenkt?
Was zum
Teufel sollte er tun? Ein Telefon war nicht in der Nähe, ein Handy hatte er
nicht, und es war dunkel und menschenleer in der Gasse.
Er
entschloss sich, sie die paar Meter zum Hotel zu tragen. Mit großer
Behutsamkeit wegen des wahrscheinlich gebrochenen Arms hob er sie hoch – sie
war nicht sehr schwer – und trug sie bis zur Rezeption seines Hotels.
„Rufen
Sie sofort einen Arzt an!“, befahl er dem Portier gebieterisch. „Ich bringe sie
in mein Zimmer.“
Der
eingeschüchterte Portier stellte dann auch keine Fragen, sondern schnappte sich
sofort das Telefon und rief den für das Hotel zuständigen Arzt an.
Spike
hatte die Frau auf sein Bett gelegt und betrachtete sie nun nachdenklich. Sie
war immer noch bewusstlos und stöhnte leise vor sich hin. Er konnte nicht
erkennen, ob sie hübsch war, das einzige was er sah, war ihr wundervolles
dunkelbraunes Haar. Üppiges Haar mit Goldreflexen, die entweder das Produkt
einer teuren Frisörsalonsitzung waren oder reine Natur. Die Figur allerdings,
die war, wie er kurz feststellte... Just in diesem Moment klopfte es an der
Tür, und der Arzt trat herein.
Spike
zog sich zurück, setzte sich auf den einzigen Sessel in seinem Zimmer und beobachtete,
was der Arzt tat.
„Sie hat
wahrscheinlich eine leichte Gehirnerschütterung“, stellte dieser fest und fuhr
fort: „Das heißt, sie braucht in den nächsten Tagen viel Ruhe. Eigentlich
müsste sie ja in ein Krankenhaus...“
„Es ist
eine Bekannte von mir.“ Die Worte entschlüpften Spike, ohne dass er es wollte.
Was zum Teufel dachte er sich dabei?
„Wenn
Sie garantieren, dass sie viel Ruhe in den nächsten Tagen hat, kann sie
natürlich hier bleiben“, meinte der Arzt. „Das mit dem Arm ist vermutlich ein
leichter Bruch. Ich werde eine Schiene anlegen. Aber Sie sollten morgen mit ihr
in ein Krankenhaus gehen und den Arm röntgen lassen. Vielleicht muss der Bruch
ja gerichtet werden.“
‚Gerichtet
werden’, das hörte sich nicht sehr nett an, wie Spike fand, es klang so
beängstigend nach Jüngstem Gericht, und da wäre er wohl ziemlich in den Arsch
gekniffen...
„Sie
werden doch öfter vorbeikommen und nach ihr sehen?“, fragte er nach. „Ich geb’
Ihnen mal meine neue Adresse.“ Bei diesen Worten wunderte er sich sehr, denn er
wusste doch gar nicht, ob die Frau mit in sein Haus kommen wollte. Er wusste
überhaupt nichts von ihr, aber trotzdem hatte er das Gefühl, dass sie allein
war und niemanden hatte, der sich um sie kümmerte.
„Ich
werde natürlich jeden Tag nach ihr sehen, wenn Sie Wert darauf legen. Hat sie
eine Krankenversicherung?“
„Ich
habe keine Ahnung! Aber zur Not werde ich die Behandlung in bar bezahlen. Wie
viel bekommen Sie?“ Spike wollte den Kerl loswerden, aus was für Gründen auch
immer.
Man
einigte sich schnell, und nachdem der Arzt die Schiene und den Verband angelegt
und das Geld kassiert hatte, war Spike froh, ihn endlich verabschieden zu
können, denn er wollte mit der Frau alleine sein. Seltsames Bedürfnis!
Er ging
ins Badezimmer, feuchtete mehrere Kleenex-Tücher an und setzte sich dann auf
das Bett, auf dem die immer noch bewusstlose Frau lag.
Langsam,
fast zärtlich begann er ihr Gesicht mit den feuchten Tüchern abzuwischen. Ein
Tuch nach dem anderen wurde verbraucht. Geronnenes Blut, frisches Blut wurde zart
entfernt, und Spike erkannte schließlich, dass er eine Schönheit vor sich
hatte. Einen wahrhaftigen Botticelli-Engel, allerdings nicht mit diesen
ekelhaft goldblonden Löckchen – Spike fand nichts unvorteilhafter als
karottengelbes Haar, das passte zu keinem Teint – sondern mit
sonnendurchflutetem dunkelbraunen Haar.
Das
Gesicht ein köstliches Oval, der Mund vollkommen, nicht zu klein, aber auch
nicht zu groß, Spike hasste mit Silicon aufgespritzte Lippen. Die Mädels sahen
damit aus, als wären sie erst von Hornissen gestochen worden und hätten danach
allergische Schwellungen bekommen.
Die
Augen? Soweit er sehen konnte, waren sie schräg angelegt. Welche Farbe hatten
sie wohl? Hoffentlich keine braunen... Spike hatte natürlich nichts gegen
braune Augen. Die Jägerin hatte wohl die schönsten braunen Augen auf der Welt
gehabt, gesprenkelt mit grün und blau, aber Spikes Bedarf an braunen, grün und
blau gesprenkelten Augen war nachhaltig gedeckt.
Die
Beine? Spektakulär! Die Proportionen stimmten, sogar ihre Knie waren schön .
Wer hatte mal gesagt, die Knie wären das Hässlichste an einer Frau? Mit
Sicherheit irgendein schwuler Modeschöpfer.
Sie trug
einen engen dunklen Rock und ein ärmelloses brombeerfarbenes Top aus Spitzen.
Geschmackvoll, wirklich geschmackvoll.
Auch
ihre Arme waren wundervoll, Spike hatte ein Faible für schöne Arme, sei es bei
Männern, sei es bei Frauen. Ihre waren perfekt! Nicht zu dünn, ein bisschen
trainiert...
Sie war
einfach zu gut – und deswegen bestimmt auch total blöd und arrogant.
Spike hatte
die über hundert Jahre alte Erfahrung gemacht, dass wirklich schöne Frauen es
nicht nötig hatten, irgendwas für ihren Intellekt zu tun, geschweige denn etwas
für die Nettigkeit gegenüber ihren Mitmenschen. Sie hatten es ja nicht nötig,
sie waren schön...
Hässliche
oder besser gesagt, nicht dem aktuellen Schönheitstrend entsprechende Frauen
waren viel netter und interessanter als die wirklich schönen Frauen. Was würde
also passieren, wenn eine hässliche oder besser gesagt eine nicht dem aktuellen
Schönheitstrend entsprechende Frau durch einen Zauber oder durch die neuesten
medizinischen Errungenschaften plötzlich Schönheit erlangte? Würde aus ihr
sofort eine dumme Zicke werden? Vielleicht nicht sofort...
Spike
starrte die Frau gedankenverloren an. Sie hatte eine wunderschöne Haut,
cremefarben und makellos. Und sie sah aus, als wäre sie um die dreißig, na ja,
höchstens Anfang dreißig, also kein junges Mädchen mehr. Gut, von denen hatte
er sowieso die Nase voll.
In
diesem Augenblick wachte sie auf, ihre Blicke schweiften verständnislos im
Zimmer umher, bis sie schließlich auf ihm haften blieben. Ein Funke von Wissen
trat in ihre Augen, bevor sie diese wieder schloss.
„Ich
kenne dich“, flüsterte sie heiser. „Du bist Spike. Sie haben dich
zurückgeholt...“
„Ich
kenne DICH aber nicht“, murmelte er müde, er ließ sich auf die andere Seite des
Bettes fallen, legte sich hinter sie und hielt sie für den Rest der Nacht ganz
leicht im Arm. Sie passten ineinander wie zwei Esslöffel, und er hatte immer
noch nicht die Farbe ihrer Augen gesehen. Das dachte er, bevor er einschlief.
Er
schlief tief und fest – ohne schlimme Lieder und auch ohne schlimme Träume.
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Teil 4 –NARBEN
Als
Spike aus seinem traumlosen Schlaf erwachte, stellte er fest, dass er ganz
allein auf dem Bett lag. War sie weg?
Nein,
sie kam gerade aus dem Badezimmer, sah ihn verlegen an und zupfte an ihrem
Armverband herum.
„Sie
wundern sich bestimmt darüber, dass ich Sie kenne“, sagte sie.
Stimmen!
Das hatte er vergessen. Stimmen sind auch wichtig. Die Jägerin hatte eine etwas
quäkige Stimme gehabt, eine amerikanisch quäkige Stimme. Aber da er die Jägerin
heiß und innig geliebt hatte, war ihm die Stimme egal gewesen, nein, im
Gegenteil, sie hatte noch den Reiz ihrer beider Gegensätzlichkeit erhöht. Doch
diese Frau hatte eine spröde Stimme mit klarer Aussprache.
„Mich
wundert mittlerweile gar nichts mehr...“ Spike hatte sich aufgestützt und
betrachtete sie aufmerksam.
Sie
hatte dunkle blaue Augen, nein, manchmal wirkten sie türkis und manchmal
nilgrün. Außerdem war ihre Haltung seltsam, so als ob sie sich kleiner machen
wollte.
„Sie
sind Spike, auch genannt William the bloody. Sie sind circa einhundertzwanzig
Jahre alt, gemessen in Vampirzeit. Und das sind vielleicht einhundertfünfzig
Jahre in Echtzeit“, fügte sie spöttisch hinzu. „Und anscheinend hat man Sie
zurückgeholt von den Toten.“
„Sie
sind nah dran, Mädel.“
„Sie
haben jede Menge Leute umgebracht!“
„Warm,
Mädel...“
„Sie haben
sich nicht durch besondere Perversitäten hervorgetan, Sie hatten einfach nur
einen Heidenspaß am Morden. Und Sie sind ein sogenannter Verwandter von Angel!“
„Wärmer,
Mädel, das ist richtig“, sagte Spike, dessen Augen sich bei der Erwähnung von
Angel grimmig verengt hatten.
„Gehören
der Aurelius-Familie an, und ihr berühmter Vorfahr ist ein gewisser Johann
Nest, den man auch den Meister nannte“, fuhr sie fort.
„Der
wiederum Angels Großvater war“, gab Spike zu.
„Sie
töteten die letzte Hoffnung ihres Urahnen auf seine neue Macht, nämlich den
sogenannten Gesalbten.“
„Ich
mochte den kleinen Klugscheißer nicht...“
„Sie
waren über hundert Jahre mit einer einzigen Frau zusammen.“ Ihr Tonfall klang
skeptisch.
„Heiß,
Mädel. Soll ich mich etwa deswegen schämen?“
„Diese
Frau hat Sie dann verlassen. So um 1998.“
„Auch
deswegen schäme ich mich nicht. Sie hat mich aus Gründen verlassen, die ich
lange Zeit nicht kapiert habe...“
„Drusilla
hat Sie damals verlassen, weil Ihre Gedanken sich nur noch mit der Jägerin
beschäftigten. Ist das richtig?“
„Stehen
wir hier vor Gericht oder was?“
„Nein“,
sie lächelte entschuldigend, „aber ich liebe nun mal die Kreuzfeuertaktik.
Treibe den Angeklagten in die Enge, konfrontiere ihn mit seiner Vergangenheit.
Konfrontiere ihn mit der Wahrheit. Mach’ ihn einfach fertig!“
„Hören
Sie mal, Schätzchen“, das ‚Schätzchen’ kam ziemlich sarkastisch heraus. „Wir
sind hier nicht bei ’ner Gerichtsshow... Und ebenso gut könnte ich IHNEN ein
paar Fragen stellen.“
„Sie
haben sich wirklich in die Jägerin verguckt?
„Auch
das interessiert hier keinen, ausgenommen übergeschnappte Anwältinnen bei ihrer
Anklageschrift. Wieso lagen Sie bewusstlos hinter einem Müllcontainer?“
„Hmm,
ich weiß es nicht.“
„Sie
sind schon verurteilt, Schätzchen!“, entgegnete Spike fröhlich.
Mittlerweile
waren ihr die Worte ausgegangen, sie hatte sowieso nur aus purer Verlegenheit
herumgequatscht. Stattdessen weilte ihr Blick wie angesaugt auf ihm, glitt über
sein Gesicht – tatsächlich hatte sie im Buch der Wächter einen Schnappschuss
von ihm gesehen – und blieb dann an seinem Mund hängen.
Dieser
Mund war einfach schön, keine zu breiten Lippen wie bei Wesley – sie verspürte
einen leichten Stich in der Gegend ihres Herzens – auch keine zu strengen
Lippen wie bei Angel, nein, diese Lippen waren gerade richtig in Größe und
Form, und sie sahen so sensibel aus, dass es einen verlangte, mit den Fingern
darüber zu fahren, sie zu streicheln und eventuell mit dem Mund darüber zu...
Himmel, was sollte das? Sie kannte den Mann absolut nicht. Und das, was sie aus
den Wächtertagebüchern über ihn wusste, war nicht sehr anziehend und erst recht
nicht vertrauenswürdig.
Aber
diese Narbe, die seine Augenbraue spaltete, die erinnerte sie schmerzlich an
den alten Kater, den sie einst als Kind gehabt hatte und an sein zerfetztes
Ohr, ein ruhmreiches Andenken an seine Kämpfe. Sie hatte ihn zärtlich geliebt.
Was also
fand sie an ihm so faszinierend? Seine arrogante Haltung? Seine Lippen? Seine
raue Stimme? Sie wusste es nicht, wusste nur, dass sie noch niemals solch eine
Verwirrung in der Gegenwart von jemanden empfunden hatte, den sie quasi zum
erstenmal sah, und sie strich sich wieder verlegen über den Verband an ihrem
rechten Arm.
„Der
Arzt hat gesagt, Sie sollten Ihren Arm röntgen lassen, vorsichtshalber.“
Sie
nickte leicht und ließ ihre Blicke unauffällig, wie sie meinte über seinen
Körper gleiten. Sie stellte fest, was er anhatte, er trug ein schwarzes
T-Shirt, das seine Muskeln eher betonte als verbarg und eine sandfarbene
Cargohose, die perfekt auf seinen schmalen Hüften saß. Diese Hüften brachten
einen auf seltsame Gedanken... Er war ein drahtiger Typ, und Lilah musste
unwillkürlich lächeln, als ihr die Worte einer längst vergangenen Freundin in
den Sinn kamen: ‚Die drahtigen Männer sind die besten im Bett. Nicht die großen
Kräftigen, die sind Scheiße. Nein, such’ dir einen Drahtigen aus! Guter Rat,
aber leider gab es für sie trotz ihrer Schönheit nicht viel Auswahl an
Männern...
„Was ist
denn daran so lustig?“, fragte Spike amüsiert, er hatte sehr wohl ihre
abschätzenden Blicke und ihr Lächeln wahrgenommen.
Sie
antwortete ihm nicht, stattdessen sagte sie entschlossen: „Ich werde jetzt ins
Saint Memorial gehen“, sie schaute sich um und entdeckte ihre Handtasche neben
dem Bett. Gut, dass sie noch da war! Ohne ihre Kreditkarten und die Schlüssel
für ihr Apartment wäre sie ziemlich aufgeschmissen.
Hoffentlich
waren ihre Kreditkarten noch gültig, hoffentlich wohnte kein anderer in ihrem
Apartment... Denn alles hatte sich geändert, das kam ihr auf einmal zu Bewusstsein.
Vor Schreck strauchelte sie, gerade als sie sich nach der Tasche bücken wollte,
sie ließ sich unauffällig auf das Bett sinken und stürzte sich mit dem gesunden
Arm ab.
Ihre Aktion
war aber doch nicht so unauffällig verlaufen, Spike beugte sich auf einmal über
sie, mein Gott, war er schnell, eben lag er doch noch und jetzt ergriff er
vorsichtig ihre Füße und hob sie auch auf das Bett. Dann blickte er auf sie
herunter. Sein Haar war länger als auf den Fotos und nicht mehr platinblond,
das ließ ihn verletzlich wirken. War er verletzlich? Wie durch Watte hindurch
hörte sie seine Stimme:„Der Arzt hat auch gesagt, Sie sollten sich ausruhen.“
Sie
fühlte sich plötzlich entspannt und sicher. Aber auch ziemlich verwirrt. Sie
war es nicht gewohnt, dass jemand so mit ihr umging.
„Also,
was ist denn nun passiert? Woher kennen Sie mich? Und wer sind Sie eigentlich? Bitte
nur antworten, wenn Sie nicht gleich in Ohmacht fallen.“ Spike lächelte sie an.
Sie
wusste nicht weshalb, aber sie entschloss sich spontan, ihm alles zu sagen.
„Ich kenne Sie aus den Wächtertagebüchern, genauer gesagt aus UNSEREN Varianten
der Wächtertagebücher. Mein Name ist Lilah Morgan, ich bin Anwältin, bis vor
kurzem war ich einer der leitenden Bosse von Wolfram & Hart. Und ich war...
schrecklich!“
Lilahs Stimme stockte, als sie sich plötzlich wieder mit ihrer Vergangenheit konfrontiert sah. Sie hatte mehrere Leute umbringen lassen, aus Ehrgeiz, sie hatte gelogen, betrogen, manipuliert...
In den letzten Monaten hatte sie sich immer mehr
von ihrer Umwelt isoliert, sie führte ein einsames Leben und hatte kaum soziale
Kontakte, ihre einzige Verbindung zu „normalen“ Menschen war die zu ihrer
senilen Mutter, der sie von ihrem fürstlichen Gehalt eine gute Unterbringung in
einem luxuriösen Altenheim ermöglichte. Dann starb ihre Mutter, und alles was
sie besaß, verlor an Wichtigkeit. Sie begann eine verzweifelte Affäre mit
Wesley, dem ehemaligen Wächter von Buffy, der Jägerin. Er hatte Probleme mit
Angel und dessen Mitarbeitern, zuerst wollte sie seinen Frust und seine Wut
dazu benutzen, um ihn zu Wolfram & Hart hinüberzuziehen, aber er blieb
standhaft. Er war ein Guter, und außerdem liebte er eine andere...
„Man hat mich entlassen. Und ich glaube, ich war tot!“
Die
letztere, sehr schockierende Feststellung schob Lilah erst einmal beiseite. Es
war nicht wichtig, ihr Leben war nicht wichtig. Aber man hatte sie gefeuert.
Also konnte sie gar kein Boss gewesen sein. Eher eine leitende Angestellte, die
in Ungnade gefallen war, weil sie plötzlich ihr Gewissen entdeckt hatte. Das
konnten W&H natürlich nicht dulden.
Und kurz
danach war sie wohl gestorben. Ein gefährlicher Dämon hatte sie getötet. Sie
erinnerte sich vage daran, an ihr Entsetzen und an ihre Angst, als die Klauen
des Monsters ihre Kehle zerfetzten. Vermutlich hatten W&H es auf sie
gehetzt. Doch wieso lebte sie wieder?
„Was
denken Sie, stand der Überfall irgendwie in Zusammenhang mit Ihrer Kündigung“,
Spike schaute sie forschend an. Es interessierte ihn anscheinend gar nicht,
dass auch sie aus dem Reich der Toten zurück gekommen war.
„Ich
weiß es nicht“, Lilahs Stimme nahm einen trotzigen Ton an, „und es ist mir auch
egal. Ich kann ohne die leben!“ Konnte sie ohne die leben? Leben vielleicht,
aber beruflich war sie erledigt, denn jede namhafte Anwaltskanzlei in den
Staaten würde sie bei einer Bewerbung abweisen. W&H besaßen weitreichende
Beziehungen...
„Wie die
Leela aus Futurama?“ Spikes angenehm raue Stimme riss sie recht unvermittelt
aus ihren Überlegungen.
„Was
wie?“, fragte sie verblüfft. Dann verstand sie es. „Nein, mein Name kommt
eigentlich von der Delilah aus der Bibel her“, sie musste unwillkürlich lachen,
„und ich glaube, die aus Futurama schreibt sich auch ganz anders.“
„Ja, das
stimmt. Aber ich find’s gut, dass Sie die aus Futurama überhaupt kennen.“ Spike
war hocherfreut, man traf so selten jemanden, egal ob Mensch oder Dämon, der
sich mit Comic-Serien auskannte. Delilah also. Hatte die nicht einen gewissen
Samson den Philistern oder sonstigen Mordbrüdern ausgeliefert? Spike
betrachtete Lilah mit neuem Respekt. Sie war ein hohes Tier bei W&H
gewesen, diese Firma stand mit bösen Mächten in Kontakt und versuchte schon
seit Ewigkeiten, Angel abzumurksen...
„Eigentlich
stehe ich ja mehr auf Bender, den finde ich einfach sexy“, behauptete Lilah
gerade verwegen.
„Ich
auch!“ Nach einer winzigen Pause fügte Spike grinsend hinzu: „Natürlich mag ich
nur das Stählerne an seinem Hintern...“
Lilah
machte sich aus purer Gewohnheit kleiner, während sie mit Spike durch die
Straßen ging. Bis sie auf einmal begriff, dass sie es gar nicht nötig hatte.
Etwas war mit ihr geschehen, sie war nicht mehr größer als die meisten Männer
und Frauen, denen sie begegneten, und auch Spike überragte sie um ein gutes
Stück. Ihr Rücken streckte sich, und sie gewann eine freiere Haltung.
Sie konnte es zuerst gar nicht glauben, war das ein Traum? Nein, die leichten Schmerzen in ihrem Arm konnten nicht geträumt sein. Wie viele große Frauen hatte sie sich immer gewünscht, einen größeren Mann zu bekommen, aber die wirklich großen Männer waren dünn gesät und hatten meistens eine Vorliebe für zierliche kleine Frauen. Oder sie waren verheiratet. Auch ein gleichgroßer Mann barg so seine Tücken, denn wenn seine gleichgroße Frau Schuhe mit nur minimal erhöhten Absätzen trug, verwandelte ihn das sofort in einen kleineren Mann. Und das bedeutete instinktives Buckeln, eine damit verbundene schlechte Haltung und auf Dauer wahrscheinlich Rückenprobleme.
Aber
warum hatten sie es getan, die von Wolfram & Hart? Egal, es war gut. Es war
sogar phantastisch! Und was konnten die schon groß von ihr wollen...
Während
sie Seite an Seite zum Saint Memorial schlenderten, waren sie automatisch zum
vertrauteren Du übergegangen, es hatte sich einfach so ergeben.
Sie
unterhielten sich über Filme und Fernsehsendungen und stellten fest, dass sie
den gleichen Geschmack hatten. Beide liebten Monty Python und das Leben des
Brian, es war einfach zu geil! Spike erwähnte diverse Trickfilme, unter anderen
auch die Transformers, wobei ihm der Name des Oberguten urplötzlich entfallen
war. Aber Lilah kriegte das sofort hin, triumphierend verkündete sie: „Optimus
Prime! Tss, keinen blassen Schimmer? Hast du etwa BSE oder das
Jakob-Creutzfeldt-Syndrom?“
„Du
meinst wegen Rinderblut oder so? No, ich bin clean. Die haben mich bei W&H
gut getestet. Ich hab’ weder Maul- und Klauenseuche, noch BSE. Ein Glück, sonst
hätten die mich noch als Sondermüll entsorgen müssen...“
Lilah
musste daraufhin lachen, denn die Vorstellung von Spike als Sondermüll war
einfach absurd.
„Außerdem
bin ich nicht HIV-positiv“, legte Spike noch einen drauf.
„Das ist
gut!“
„Warum ist
das gut?“, Spike zog seine zernarbte Augenbraue hoch und grinste..
„Oh, ich
wweiß nicht“, stotterte Lilah verlegen. „Ich mmeine nur, es ist einfach nur
besser, es nnnicht zu haben...“ Und hatte dabei eine Vorstellung von Sex, sehr
viel Sex, und vor allem ohne Kondome...
„Da hast
du wohl recht.“ Das unverschämte Grinsen stand immer noch in seinem Gesicht.
„Da ist
das Krankenhaus“, Lilah war froh über das Auftauchen des Krankenhauses.
Gut eine
Stunde später stand fest, dass ihr Arm, genauer gesagt ihre Elle gebrochen war,
allerdings handelte es sich um einen glatten unkomplizierten Bruch. Nachdem der
Bruch unter örtlicher Betäubung gerichtet wurde - sie war hart im Nehmen, und
kein Schmerzenslaut kam ihr von den Lippen – gipste man sie endgültig ein. Es würde
ein paar Wochen dauern, bis sie den Gipsverband ablegen konnte. Und sie sollte
ab und zu mal vorbeikommen oder einen Arzt ihres Vertrauens konsultieren. Lilah
atmete erleichtert auf, anscheinend waren ihre Kassenprämien pünktlich
abgebucht worden, und sie war als Person noch vorhanden.
„Was
machen wir nun?“, fragte Spike, als sie beide ziemlich unschlüssig vor dem
Krankenhaus standen.
„Ich
sollte in meine Wohnung gehen. Falls sie noch existiert.“ Wieder musste Lilah
lachen.
„Gut,
ich bring’ dich hin!“
„Das
brauchst du nicht.“
„Widerstand
ist zwecklos“, Spike ergriff sanft ihren Arm – natürlich den gesunden – und
fragte: „Na, wo geht’s denn lang?“
„Widerstand
ist zwecklos!“, wiederholte Lilah nachdenklich. „Das ist mein absoluter
Lieblingsspruch!“
„Und
woher kennst du ihn?“ Spike war überrascht.
„Per
Anhalter durch die Galaxis“, Lilahs Antwort kam schnell.
„Dann
ist es der richtige Spruch!“ Spikes Überraschung war jetzt permanent. Diese
Frau war einfach, ja wie sollte er sagen, überraschend, sie war total
überraschend. Eigentlich hatte er erwartet, nein er hatte gar nichts erwartet –
aber wenn er etwas erwartet hätte, dann wäre es das ‚Widerstand ist zwecklos’
von einem Borg aus der Enterprise-Serie gewesen. Genauer gesagt den WIDERSTAND
IST ZWECKLOS. SIE WERDEN ASSIMILIERT!-Spruch, den hätte er erwartet.
Aber
Spike stand nun mal als Brite auf die britische Variante, und die stammte
zweifellos von Douglas Adams. Wobei kein Mensch mehr wusste, wo der Widerstand
zuerst erschienen war. Die Borg, wann waren die aufgetaucht, auf der Enterprise
oder auf der Voyager? Na, und wenn schon... „Dann kennst du doch bestimmt auch
den vogonischen Raumschiff-Kommandanten, den mit dem komischen Namen, so
ähnlich wie Prostata...“
„Klar
doch“, sagte Lilah, „er rühmte sich seiner Prosa und las daraus vor...“
Spike
kannte die Stelle auswendig und inwendig erschauerte er, das wollte er jetzt
nicht hören, zumal er selber als Dichter noch viel schlechter gewesen war „Hm,
dieser Vogone kann niemals so schlecht gewesen sein wie ich im meiner
Poesiezeit.“
„Was zu
beweisen wäre. Du könntest mir deine Gedichte ja mal vorlesen“, schlug Lilah
vor. Hilfe, was tat sie da? Das war ja eine spezifizierte Aufforderung zur
näheren Kontaktaufnahme...
„Damit
du innere Blutungen kriegst?“ Spike ließ es nicht zu, dass seine Poesie in
irgendeiner Form zur Debatte stand und machte nun seinerseits einen
Frontalangriff: „Warum kommst du nicht einfach mit zu mir? Wir sind ja
schließlich beide Auferstandene...“
„Ins
Hotel?“
„Nicht
ins Hotel. Nein, in meine, sagen wir mal Bude. Ist alles noch ein bisschen neu
dort. Und vielleicht könnte eine weibliche Hand,“ bei diesen Worten nahm er
zärtlich ihren gipsgeschienten Arm und drückte einen leichten Kuss darauf,
„dieser Bude den letzten Schliff geben. Nicht, dass sie schon den ersten
Schliff hätte...“
„Okay“,
sagte Lilah kurzentschlossen und versuchte ihre Freude vor ihm zu verbergen.
„Ich muss aber vorher noch ein paar Sachen aus meiner äääh... Bude holen.“
„Lilah, noch
’ne Frage“, nur ein wirklich gut geschultes Ohr hätte den Unterschied in der
Tonlage von Spikes Stimme wahrgenommen. „Warst du jemals in Angel verliebt?“
Lilah
stutzte, wieso machte er sich darum Sorgen, aber dann verstand sie es. „Wir
waren unerbittliche Feinde. Ich fand ihn zwar sexy, aber er war mir einfach zu
gut, wenn du weißt, was ich meine.“
„Ich
glaube, ich weiß, was du meinst“, Spike schaute erleichtert drein.
Sie
schlenderten zu Lilahs Apartment, es war nicht weit entfernt. Und während sie hinaufging,
holte Spike den Van, der auch nicht weit entfernt war, behauptete sich auf
einem Parkplatz, der nur zwanzig Meter von ihrem Haus entfernt lag und wartete
auf sie.
Nach einer Viertelstunde erschien sie schon – das Mädel war flott –
bepackt mit einer mittelgroßen Reisetasche und einem Aktenkoffer. Ihre Bude
schien also noch zu existieren.
„Hoffentlich
hast du nicht viel an Hosen mitgenommen!“ Spike hievte die Reisetasche in den Van.
„Warum?“
„Röcke
kann man viel leichter ausziehen.“
„Wiieee,
was?“ Lilahs Stimme klang etwas wackelig.
„Nein,
ich meinte natürlich anziehen“, Spike grinste hinterhältig. „Mit deinem
kaputten Arm kannst du dich sicher nicht in enge Hosen zwängen. Es sei denn, du
lässt mich dir helfen...“
„Ooh,
ich habe noch etwas vergessen!“ Lilah marschierte zurück in Richtung Haus.
Spike
sah ihr lächelnd nach. Der Aktenkoffer, den er gerade ins Auto legte, lenkte
ihn allerdings ein bisschen von Lilah ab und machte ihn etwas neugierig. Aber
nicht sehr.
© Ingrid Grote 2003/2011
Fortsetzung: GONE
WITH THE DEATH? Teil 5-6