Holidays in Kampodia

 

KAPITEL X - Teil 1 ABGRÜNDE

 

Glaubsalz Version 17* abgekürzt auch GS17 genannt, ist eine neue revolutionäre Substanz, die es ermöglicht, Menschen auch gegen ihre ursprüngliche Meinung dauerhaft von einem anderen Glauben zu überzeugen.

Im Augenblick besitzt das GS17 noch eine Halbwertszeit von vier Jahren. Das bedeutet, dass sich nach vier Jahren die Hälfte des GS17 zersetzt hat und die verbliebene Hälfte nur noch eingeschränkt auf den Probanten einwirkt. Man arbeitet aber an einer gesteuerten Halbwertszeit des GS17.

Gedanken darüber, wie man eine breitere Öffentlichkeit mit dem GS17 erreichen kann, werden zur Zeit erörtert und diskutiert von einem wissenschaftlichen Expertenteam. Man denkt zum Beispiel an die Verbreitung des GS17 im Trinkwasser, um danach durch gezielte unterschwellige Werbung im TV die bestmöglichste und effektivste Wirkung zu erreichen.

Anwendungsbereiche: Im politischen, geschäftlichen, sowie auch im privaten Bereich.

Nebenwirkungen: Keine

Nachteile: Gewisse Kältegrade können die komplizierte molekulare Struktur des GS17 zerstören. Diese Gefahr kann aber vernachlässigt werden, weil die Überlebenschancen gering sind (eintretender Tod oder Fehlfunktion = 80%).

Fazit: GS17 wird kontinuierlich weiterentwickelt, zumal ein großer Bedarf danach besteht (Beispiel: Präsidentschafts- oder sonstige politische Wahlen)

Ein weiterer Bedarf besteht auch bei den großen Kirchen in diesen Zeiten der schwindenden Gläubigen. Der Vatikan hat schon großes Interesse signalisiert.

Unsere Geschäftspolitik ist erfolgreich, und unsere Devise hat sich bestätigt: Nur wer‘s glaubt, ist selig...

 

*Es besteht keine Ähnlichkeit mit dem harmlosen Abführmittel Glaubersalz.

 

(Auszug aus einem hochgeheimen Bulletin der FIRMA)

 

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Frostig ist es, aber nicht unangenehm, in der Tiefe klingelt das Eis melodisch, wie blaue Weihnachtsglöckchen. Ich bin die Eiskönigin, so kalt und herzlos. Ich bin der kleine Junge, der einen Eissplitter ins Auge bekommen hat und dessen Herz sich in Eis verwandelt hat.

Und ich bin das kleine Mädchen, das den kleinen Jungen retten will. Bin ich? Weiß nicht. Jedenfalls ist es frostig, aber nicht schlimm. Alles ist so still, so blau. Kein Gefühl, ich bin so kühl, ist das gut?

Die Königin ruft mich, sie klingelt mit den kühlen blauen Glöckchen. Komm’ zu mir, sagt sie, und du wirst Frieden finden. Denn wo keine Liebe ist, da ist auch kein Schmerz. Ihre Stimme klingt so verführerisch. Vielleicht hat sie Recht. Frostig ist es, aber nicht schlimm. Alles ist so still, so blau, so schön. Irgend etwas knackt. Vermutlich bin ich tot. Bin ich etwa im Himmel? Ein schöner Himmel, wenn es der Himmel ist, so blau und so still, nein nicht still, irgend etwas knackt da. Was ist das, sind es vielleicht die Eisschollen im Herzen?

Plötzlich hört sie das Geräusch von fahrenden Schlittschuhen, sie kratzen auf dem blauen Eis, und es knackt wieder. Sie sieht, dass sich auf dem rauen blauen Eis Risse bilden, die erst klein sind aber dann immer größer werden, daher kommt wohl das Knacken. Und auf einmal sieht sie die Schlittschuhläuferin.

Ich bin es selber, denkt sie, und sie findet es ganz normal.

Sie sieht sich selber in einem großen Riss versinken und spürt auch selber die Kälte des Wassers. Sie geht einfach unter. Sie versucht nichts, um sich aus der Spalte zu befreien.

Rette dich. Rette dich doch. Rebekkas Stimme ist schwach, obwohl sie sich anstrengt, zu schreien.

Aber warum soll sie sich retten? Sie ist doch nichts.

Als der Vater das Kätzchen tötete, sie hofft, dass es aus Versehen war, da hat sie sein Wesen in sich aufgenommen, seine Munterkeit, den Spieltrieb, die Hoffnung auf Liebe, das Nichtwissen um den Tod, aber das alles ist verschüttet worden im Laufe der Zeit durch andere bedrohliche Dinge. Durch die Mutter, die sie nicht liebt und misshandelt. Durch den Vater, der sie auch nicht liebt und sich an ihr vergeht...

Was ist aus ihr geworden, was ist sie? Nur ein Ding, das Gefühle kontrolliert oder gar nicht erst zulässt? Und ist sie auch wie die Mutter? Eine demütige Frau, die alles versucht, um einen Drecksack zu halten und die ihr Kind nicht beschützt...

Nein, ich bin nicht, ich bin das nicht, ich bin... anders. Ich will, dass ich bin... Auch mein Kind will ich, will ich doch lieben...

 

Rebekka erwacht aus ihrer Bewusstlosigkeit, und sie stellt entsetzt fest, dass die Wirklichkeit fast noch schlimmer ist als der Traum. Sie kann es nicht glauben, sie liegt mitten auf dem zugefrorenen See in einer riesigen Pfütze. Ihre Sachen sind total nass, ihre Haare hängen eiskalt in ihr Gesicht und ihren Nacken. Nur die Füße fühlen sich noch einigermaßen trocken an. Vielleicht haben die hochgeschnürten Schlittschuhe noch kein Wasser hinein gelassen, aber kalt sind die Füße trotzdem, und die Zehen tun bohrend weh.

Rebekka weiß nicht, wie lange sie hier schon liegt, aber sie zittert am ganzen Körper, wahrscheinlich hat sie schon gezittert, als sie noch bewusstlos war.

Dann auf einmal wird ihr voll bewusst, wie gefährlich ihre Lage ist. Sie muss weg von hier, denn sonst erfriert sie.

Und ihr Kind auch. Zum erstenmal gibt sie es vor sich zu, sie war doch bei Daniel in dieser Nacht, sie ist schwanger, sie nennt es ihr Kind und nicht mehr nur ‚die Sache’.

Und sie fängt langsam und vorsichtig an, dorthin zu kriechen, wo das Eis im Dämmerlicht des Mondes noch aussieht wie Eis und nicht wie wässrige Suppe. Jetzt tun ihre Hände auch noch weh, sie kann sie nicht schützen, muss immer mit ihnen in das Eiswasser hinein. Sie versucht auf die Ellenbogen auszuweichen, um ihre Hände zu schonen, aber die sind fast noch empfindlicher als die Hände. Sie versucht, ihren Bauch zu schützen, aber sie hat kein Gefühl mehr in den Händen. Auch die Schlittschuhe stören beim Kriechen, die gezackten Stopper schleifen auf dem Eis unter dem Wasser - und das Geräusch gaukelt ihr vor, das Eis wird brechen und sie wird in die eisige Tiefe unter ihr stürzen. Dort wo es so still und melodisch blau ist.

Niemals! Nicht das! Es ist dort nicht still, es ist dort nicht melodisch blau, und es ist dort auch nicht schön. Es ist nur tot! Sie muss weg von hier, aber wo fängt das feste Eis an? Man kann nicht sehen, wo es anfängt. Vielleicht dort hinten?

Rebekka erinnert sich an ein Buch, das sie als Kind gelesen hat: Eine Ratte schwamm in einem Wasserfass herum, Kinder hatten sie dort hineingeworfen. Die Ratte schwamm ruhig im Kreis herum und hörte nie auf, den für sie unerreichbaren Rand des Fasses mit den Augen zu fixieren. Sie fühlt sich jetzt so ähnlich wie diese Ratte, mit dem Unterschied, dass sie den rettenden Rand nicht einmal sieht. Aber er muss doch irgendwo sein, es ist doch nur eine große Pfütze, in der sie wie blind herumtappt.

Nach einer scheinbaren Ewigkeit fühlt sie die Pfütze mit ihren vor Kälte fast tauben Händen allmählich flacher werden, bis endlich gar kein Wasser mehr da ist, sondern nur noch blankes hartes Eis. Sie schleppt sich ein paar Meter weiter weg und bleibt schließlich erschöpft liegen.

Sie hat das Kind und sich gerettet. Erst einmal. Das Leben ist schön, es ist wunderbar. Sie fühlt sich zum ersten Mal seit langer Zeit friedlich.

Sie stellt erstaunt fest, dass der Abscheu auf Daniel verschwunden ist. Sie fühlt sich wie eine Landschaft, über der ein riesiger Gletscher lag, doch der Gletscher ist weitergewandert, und die Landschaft richtet sich allmählich wieder auf. Und sie erkennt, dass sie nach mehr als drei Monaten endlich wieder klar denken kann, wobei es ihr allerdings vorkommt, als hätte sie vor diesen drei Monaten auch nicht ganz klar gedacht. Aber es ist befreiend, es ist herrlich.

Doch da lauert im Hintergrund etwas... Etwas Schlimmes.

Und dann, während ihr Körper krampfhaft zittert, um sich gegen den drohenden Wärmeverlust zu schützen, sieht sie in schrecklicher Deutlichkeit: Daniel hat sie verlassen. Sie hat ihn vertrieben. Sie hat seine Liebe mit Füßen getreten. Sie hat ihn beschuldigt, sie mit Zirza betrogen zu haben. Wieso eigentlich? Das war doch absurd! Er hat es mit ihr ausgehalten, ohne jemals wütend zu werden. Er hat ihr dieses Zimmer zum Geschenk gemacht hat, und sie hat sich noch nicht einmal dafür bedankt. Oh Gott! Sie hat ihn tatsächlich für ein Weichei gehalten, weil er sich nach nur einer Nacht in sie verliebte. In so etwas Dummes und Beklopptes wie sie... Er schien alles zu bestätigen, was sie von Männern dachte. Geil, untreu und schwach waren sie. Oh mein Gott, wie konnte ich nur, wie konnte ich nur... Und innerlich krampft sich alles in ihr zusammen, während sie äußerlich immer mehr zittert.

Ein Wunder, dass er es so lange mit ihr ausgehalten hat. Was war nur los mit ihr? Dabei könnte sie ihn bestimmt glücklicher machen als die anderen Weiber, die er hatte. Sonderbar, darüber hat sie sich noch nie Gedanken gemacht, über das Glück von Männern... Und er hat seine Freiheit aufgegeben, um Morgaines Vater zu sein. Sie will nicht, dass er sich eingesperrt fühlt. Er soll tun, wozu er Lust hat. Er soll mit den Kumpels pokern, er soll mit anderen Leuten zusammen Gitarre spielen, er soll alles mögliche tun.

Aber es ist ja wohl vorbei. So wie sie sich verhalten hat. Sie hat ihn geschlagen! Wenn sie es doch nur rückgängig machen könnte!

Sie zittert mittlerweile heftig am ganzen Körper, sie kann es nicht mehr kontrollieren, aber sie muss aufstehen! Sie sollte vielleicht die Schlittschuhe loswerden, dann kann sie besser laufen. Ihre Finger sind steif... Es geht nicht... Versuchen, versuchen...

Aber sie kann die Finger nicht mehr richtig bewegen, und jetzt fühlt sie die langen Schnürsenkel nicht einmal mehr. Sie gibt es auf und streift sich mühevoll die mit Wasser voll gesogene Jacke ab. Soll sie den Pullover auch noch ausziehen? Er ist nass und schwer. Aber sie schafft es nicht... Stattdessen drückt sie ihre nassen Haare aus, sie tut es mit den Unterarmen, aber die langen Haare hängen ihr immer noch eiskalt ins Gesicht. Sie versucht, um Hilfe zu schreien, aber ihr Hals ist kratzig, und es kommt nur ein leiser klagender Laut heraus, den bestimmt niemand hören wird.

Sie kniet sich mühsam auf das Eis und richtet sich taumelnd auf. Macht einen vorsichtigen Schritt – und knickt trotz der schützenden knöchelhohen Schlittschuhe um. Irgendetwas ist mit ihrem rechten Fuß nicht in Ordnung.

Dann wird sie eben kriechen, auf dem Eis ist das sowieso besser. Sie schafft ein gutes Stück, dann versucht sie wieder, ihren Pullover loszuwerden, aber die steifen Finger fühlen sich an, als wären sie dick geschwollen, und sie lassen sich nicht mehr krümmen.

Und alles fängt an, furchtbar weh zu tun, ihre Ohren, ihr Kinn, ihre Beine, ihr Arme, ihre Hände.

Aber die Schmerzen machen ihr nichts aus, sie muss sich jetzt nur ein wenig ausruhen, bevor sie sich auf den Weg nach Hause macht. Nach Hause zu Daniel und Morgaine.

Sie legt sich zusammengekrümmt auf das Eis und betrachtet den vollen Mond, der tief am Horizont steht und der heute irgendwie leicht bläulich aussieht. Sie ist einfach glücklich. Denn irgendetwas ist geschehen, irgendetwas ist anders als sonst. Vielleicht weil sie erkannt hat, dass sie Daniel liebt. Aber da ist noch etwas anderes, etwas in ihrem Wesen hat sich verändert, nein, das stimmt nicht, es ist etwas hinzu gekommen. Und das ist das Wesentliche, es versöhnt und vereint sie. Es ist, als wäre sie heute zum ersten Mal in ihrem Leben richtig vollständig, so wie sie eigentlich sein sollte – und nicht mehr so zerrissen, wie sie sich manchmal gefühlt hat. Gibt es so etwas wie das Gegenteil von Schizophrenie? Aber wie auch immer das heißen mag, jetzt ist es zu spät dafür, denn es wird allmählich bedrohlich.

Rebekka spürt, dass sie hier auf dem See sterben könnte. Sie sieht in das Angesicht des Todes, aber noch fühlt sie sich so klar, dass sie darüber lächeln kann, wenn auch mit vor Kälte klappernden Zähnen. In das Angesicht des Todes, wie dramatisch. Aber wenn es stimmen sollte, wenn sie stirbt, dann... Nein, sie will nicht sterben, nicht an diesem Tag. An einem anderen fernen Tag vielleicht...

Noch einmal versucht sie, auf die Beine zu kommen, aber es geht nicht, der rechte Fuß knickt einfach weg. Sie stöhnt vor Verzweiflung auf und will wieder schreien. Doch es kommt nur ein Krächzen aus ihrem Mund heraus. Mein armes Kleines, es tut mir so leid. Ich bin ja verrückt gewesen, wie konnte ich dich nur verleugnen...

Du musst dich bewegen, sonst erfrierst du!

Sie hört eine Stimme. Hat sie schon Halluzinationen? Die Stimme hat gut reden. Sie kann nicht mehr, oder doch? Sie richtet sich auf, und etwas hält sie fest und stützt sie. Halluzinationen... Aber es fühlt sich warm an. Das kann nur eine Täuschung sein. Erfrierende reißen sich die Kleider vom Körper, weil ihr Körper die Kälte nicht mehr als Kälte, sondern als Hitze ansieht. Das hat sie einmal gelesen. Ist es schon soweit mit ihr? Und sie denkt an Morgaine, wer wird sich um sie kümmern?

„Morgaine, mein kleines Mädchen...“ stammelt sie mit zitternden, vor Kälte steifen Lippen vor sich hin.

 

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KAPITEL X - Teil 2 BLUE MOON

 

Andromeda fand ihn in einer Kleinstadt, die mitten auf dem Lande und östlich des Ruhrgebiets lag. Daniel hatte recht gehabt. Max hielt sich immer noch hier auf. Aber leider war er im Augenblick nicht da, sondern trieb sich wohl woanders herum.

Sie nahm sich ein Zimmer im selben kleinen Hotel, und sie wartete fast zwei Tage lang geduldig, bis der Portier des Hotels sie über seine Rückkehr informierte.

Sie gelangte ohne Probleme in sein Zimmer. Die Tür war nicht von innen abgeschlossen.

Er befand sich nicht im Zimmer, aber nebenan hörte Andromeda die Dusche rauschen.

Sie setzte sich auf das Bett und wartete.

Als er schließlich aus dem Badezimmer kam, musste sie lächeln, denn er hatte nichts an außer einem Handtuch um seine schlanken Hüften, und er blieb wie erstarrt stehen, als er sie auf seinem Bett sitzen sah.

„Komm’ her, Max. Und setz’ dich neben mich.“ sagte sie freundlich, als er sich nicht bewegte, sondern weiterhin wie gelähmt dastand und sie anschaute.

Er setzte sich vorsichtig einen Meter von ihr entfernt auf die Kante des Bettes, und er sah so aus, als hätte er sich am liebsten unter der Bettdecke verkrochen.

„Du bist so ein Kindskopf, Lakosta“, sagte Andromeda schließlich. Und sie sah ihn voll an, während er ihrem Blick auswich.

„Einfach so wegzulaufen...“ Ihre Stimme klang vorwurfsvoll. „Wer ist denn nun der Vernünftigere von uns beiden? ICH vermutlich, auch wenn du älter bist.“

Regungslos starrte Max vor sich hin, und Andromeda konnte aus seinem verständnislosen Gesichtsausdruck erkennen, dass er nicht kapierte, was sie ihm sagen wollte. Na ja, wie auch... Sie lächelte vor sich hin.

„Übrigens bin ich nicht gekommen, um dir zu verzeihen“, sagte sie nach einer kleinen Weile.

„Wie könntest du auch...“, murmelte Max fast unhörbar.

Andromeda hatte es aber trotzdem gehört, und sie lächelte wieder. „Ich bin gekommen, damit du MIR verzeihst...“

„Was?“ Unglaube spiegelte sich in Max’ Augen.

„Ach bitte Max! Ich kenne dich nun schon mein ganzes Leben lang. Na gut, fast mein ganzes Leben lang... Ich weiß, wozu du fähig bist, und ich weiß, wozu du nicht fähig bist. Der Max, den ich kenne, der liebt mich und wäre nicht fähig, mir irgend etwas anzutun.“

Bei diesen Worten erhob sich Andromeda vom Bett, trat langsam an Max heran, beugte sich über ihn und fing an, zärtlich seine Brust zu streicheln, was ihn ganz schön durcheinander brachte.

„Hör’ auf, Andy“, sagte er schließlich stockend und versuchte, ihre Hände weg zuschieben.

„Ich habe folgende Bedingung“, sagte sie mit strenger Stimme und ließ sich nicht von ihm beirren. Eine Hand streichelte weiterhin seine Brust – sein Körper fühlte sich so sagenhaft gut an – und die andere Hand wanderte hinunter zu dem Handtuch, das seine Männlichkeit mehr oder weniger verbarg. Er war schwer verunsichert und nicht so beherrscht und kontrolliert, wie er sich normalerweise gab, und das war gut so. Sie würde dafür sorgen, dass er in dieser Nacht jegliche Kontrolle und Beherrschung über sich aufgab und nur ihr gehorchen würde. Ihr und der Lust, die sie ihm gnadenlos verschaffen würde.

„Aber was ist...“ stammelte er.

„Pssst... Leg’ dich einfach hin und entspann’ dich. Das ist nämlich die Bedingung. Und ich weiß ja schließlich, wie du aussiehst...“ Andy musste bei diesen Worten lachen, denn sie erinnerte sich noch gut an den Abend, als sie ihn beim Sex mit der Frau beobachtet hatte. Damals schon hatte sie so ein seltsames Ziehen verspürt, aber sie hatte nicht geahnt, dass Max und sie eines Tages ein Paar sein würden. Und dass sie ihn einmal so wahnsinnig begehren würde...

Max ließ sich vorsichtig nach hinten auf das Bett sinken. Er schaute sie dabei angstvoll an.

Und sie fühlte, dass er tatsächlich Angst davor hatte. Er hatte noch nie mit einer Frau geschlafen, die er wahrhaftig liebte, und er hatte Angst, die Beherrschung zu verlieren. Sie wusste, er würde in dieser Nacht seine Kontrolle und seine Beherrschung verlieren. Sie würde in dieser Nacht auch alle Erinnerungen an alle Frauen, mit denen er es jemals zu tun gehabt hatte, auslöschen. Halleluja und Amen. So würde es sein.

„Ich konnte es dir nie sagen, weil ich solche Angst hatte... Aber ich habe dich immer geliebt.“ Max wollte sich wieder aufrichten, aber Andromeda zwang ihn mit sanfter Hand zurück.

„Das sagt man doch nicht, Max.“

„Warum nicht, Andy?“ Max’ Stimme war so leise, dass sie ihn kaum hören konnte.

„Man soll das nicht sagen, sondern tun.“

Andromeda beugte sich über ihren Geliebten, küsste ihn auf seine Lippen, küsste dann seine Brust – und löste langsam das Handtuch von seinen Hüften.

 

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Das mit der Liebe war dann wohl vorbei. Oder besser gesagt hatte es gar nicht erst angefangen. Und sein Leben, nebenbei gesagt, war auch vorbei, na gut, vorbei vielleicht nicht, aber verkorkst war es.

Warum hatte er Rebekka aufgegeben? Wahrscheinlich aus Feigheit, aus Frust und aus Resignation.

Es war bestimmt besser für sie, ohne ihn zu leben. Und für ihn war es vielleicht auch besser. Denn sie verabscheute ihn und würde ihm nie eine Chance geben.

Trotzdem konnte er den Gedanken nicht ertragen, ohne Rebekka zu sein. Vielleicht wäre es besser, ihren Abscheu hinzunehmen, als ohne sie zu leben. Ja, vielleicht, aber jetzt war es zu spät...

Daniel lief ziellos auf den Straßen herum, die am See lagen. Die Kälte spürte er kaum. Er wusste nicht, wie er das alles durchziehen sollte. Er vermisste sie jetzt schon, Er vermisste ihr vorwurfsvolles starres Gesicht, er vermisste ihre beißenden Kommentare. Kurz, er vermisste sie. Aber sie würde ohne ihn glücklicher sein.

Morgaine würde bei ihrer Mutter bleiben, und Daniel fühlte sich deswegen furchtbar. Er liebte sein kleines Mädchen so sehr, aber auch für Morgaine wäre es besser, wenn er ginge. Der Hass, den Rebekka ihm entgegenbrachte, und auch ihre Streitereien, das war bestimmt nicht gut für Morgaine – auch wenn sie es wohl irgendwie abblocken konnte.

Vielleicht würde Rebekka ihm ja erlauben, das Kind manchmal zu sehen. Er spürte, wie seine Augen feucht wurden. Tränen? Warum nicht, auch Männer mussten manchmal weinen. Aber er schüttelte unwillig den Kopf, um die Tränen zu vertreiben.

Er lief jetzt schon seit Stunden ziellos durch die Straßen, er hatte keine Idee, was er tun sollte. Er war einfach nur verzweifelt. Er hatte den Gedanken verworfen, in eine Kneipe zu gegen, um sich dort sinnlos oder sinnvoll zu besaufen. Nein, das würde es nicht besser machen. Er überlegte, ob er ins Geschäft gehen sollte, um dort zu übernachten, in seinem Zimmer stand ein klappriges Sofa. Oder sollte er besser zu Sammy gehen? Aber menschliche Gesellschaft konnte er jetzt nicht ertragen.

Und auch irgendetwas anderes würmelte in ihm, irgendetwas war falsch, und er überlegte krampfhaft, was es sein könnte.

Und dann fiel es ihm schließlich ein: Diese ominöse Unterhaltsklage war doch vollkommen absurd, kein seriöser Anwalt würde so etwas verfassen. Sie hatten keine Gütertrennung vereinbart, und Rebekka gehörte die Hälfte von allem, was er besaß. Sie konnte jederzeit auf ihr gemeinsames Konto zugreifen. Was sie natürlich nie getan hatte. Was also sollte der Scheiß? Oder ahnte jemand, dass die Heirat nicht ganz astrein war? Hatte Zirza vielleicht ihre Hand im Spiel? Stellte sie immer noch eine Bedrohung für seine Familie dar? Daniel erstarrte und schüttelte bestürzt den Kopf. Wenn das alles ein Plan war, um ihn von Rebekka zu trennen... Oh Gott! Er musste zurück, er konnte sie und Morgaine nicht allein lassen. Wie hatte er nur darauf reinfallen können!

Wo befand er sich überhaupt? Daniel sah sich um und stellte fest, dass er nahe am See sein musste. Er schaute kurz zum Himmel empor und musste trotz all seiner Ängste und Zweifel den tief stehenden Mond bewundern, der riesengroß war und der leicht bläulich schimmerte. Er erinnerte sich an die alte Volksweisheit: Wenn der Mond bläut, dann werden bedeutsame Dinge geschehen.

Das stimmt auf jeden Fall, dachte er höhnisch. Bedeutsame Dinge waren geschehen. Und beschissene Dinge auch... Hatte sie den Kuss eigentlich erwidert? Nein, ihre Lippen, ihr Körper, alles an ihr war bewegungslos gewesen, wie tot...

Dennoch war der Anblick zauberhaft. Der eisbedeckte See lag vor ihm, voll vom Mond beschienen, und keinerlei Blattwerk behinderte den Blick auf ihn.

Daniel stutzte. Der Anblick schien ihm vertraut zu sein, ähnlich wie ein Bild, das man schon oft im Museum gesehen hat. Doch er konnte sich keinen Reim auf dieses Gefühl machen.

Schau es genau an, sagte eine innere Stimme zu ihm, du kennst es. War es Morgaine, die zu ihm sprach? Sie hatte lange nicht mehr mit ihm auf diese Weise gesprochen, und er bildete es sich bestimmt nur ein. Trotzdem sah er noch mal genauer hin. Es kam ihm wirklich bekannt vor, doch etwas schien zu fehlen. Aber was?

Seufzend wandte er sich um und wollte nach Hause gehen. Er warf noch einen letzten Blick über die Schulter zurück, um den seltenen Anblick zu genießen, den der hellblaue Mond am dunklen Himmel über der bläulich wirkenden Eisfläche bot.

Und dann stutzte er wieder. Denn verdammt noch mal, er kannte ihn, den Anblick! Gestern Nacht hatte er es wieder geträumt. Dieses wie er zuerst gedacht hatte, symbolische Zeugs von Yin und Yang, hell und dunkel. Die obere Hälfte war dunkel mit einem hellen Kreis darin, und die untere Hälfte war hell mit einem dunklen Kreis...

Aber es war überhaupt nicht symbolisch! Es war nur eine einfache Darstellung des Nachthimmels mit dem Mond, dem zugefrorenen See und mit... ja mit was? Auf der vom Mond erleuchteten Eisfläche fehlte etwas. Der dunkle Kreis fehlte!

Daniel strengte seine Augen an, um die vom Mondlicht erleuchtete Eisdecke besser sehen zu können. Und schon nach kurzer Zeit sah er tatsächlich etwas. Einen verschwommenen dunklen Fleck.

Was zum Teufel war das? Er kannte es, denn er hatte es schon oft geträumt. Es konnte nur von Morgaine kommen. War es vielleicht eine Warnung, die jetzt zur Realität geworden war? Aber was zum Teufel hatte es zu bedeuten? Und warum konnte Morgaine nicht ein wenig deutlicher werden...

Daniel strengte seine Fantasie an. Dieser dunkle Fleck, was könnte er darstellen? Sah fast aus wie ein Mensch, der zusammengekrümmt auf dem Eis lag.

So ein Blödsinn!

Aber wenn doch? Daniel lief so schnell er konnte in Richtung des Flecks, und der Fleck wurde allmählich größer und verwandelte sich in einen dunklen Kreis. Oh Gott!

Sie versuchte gerade, sich aufzurichten, aber sie schaffte es anscheinend nicht.

Ein paar Meter weiter glitzerte eine riesige bedrohliche Wasserlache auf dem See. Daniel näherte sich Rebekka auf den letzten Metern kriechend. Er musste vorsichtig sein, das Eis konnte brechen, und das wollte er nicht riskieren. Aber das Eis hatte sich wohl wieder verfestigt. Kein Wunder bei dieser Kälte...

Ihr Pullover war schon am Eis festgefroren, und er riss ihn los. Er schleifte sie am Pullover ein Stück hinter sich her, denn er wusste nicht, ob das Eis sie beide zusammen tragen würde. Sie war mit Sicherheit unterkühlt. Und wenn er sie ins Krankenhaus brachte, würde er bestimmt zu lange dafür brauchen, dann lief er bestimmt Gefahr, dass sie starb...

Während er sich vorsichtig mit ihr über das Eis bewegte, überlegte er, was er über Unterkühlungen wusste. Solange die Person noch zitterte und ansprechbar war, war es gut, und man konnte sie so schnell wie möglich wieder erwärmen. Wenn sie aber erstarrt war und keinerlei Reaktionen mehr zeigte, dann wurde es kritisch. Wie gut, dass er damals bei den Johannitern Rettungsdienst gemacht hatte und sich ein bisschen auskannte.

Er hielt an, er musste unbedingt wissen, ob sie noch ansprechbar war. Vorsichtig streifte er ihr den mit Wasser voll gesogenen und eisverklumpten Pullover über den Kopf – und das nasse Sweatshirt auch, das sie darunter trug. Dann zog er ihr seine eigene Jacke an. Die Jacke hatte eine Kapuze, und die schob er ihr über den Kopf. Das musste fürs erste reichen.

Er sah im Mondlicht, wie Rebekka die Lippen bewegte.

„Du musst dich bewegen, sonst erfrierst du!“ herrschte er sie an, aber sie reagierte nicht, sondern zitterte nur heftig.

„Rebekka, hörst du mich?“

Nach einer endlos langen Stille hörte er sie murmeln: „Morgaine, mein kleines Mädchen...“

Er atmete erleichtert aus. Sie war also nicht ganz weggetreten. Ein gutes Zeichen!

„Daniel wird auf dich aufpassen, ich vielleicht auch...“ stammelte sie leise vor sich hin.

„Wird er, Rebekka! Aber ich stelle dich jetzt auf deine Beine, und dann musst du selber laufen!“ Er zog sie behutsam hoch und lehnte sie an sich.

„Vvvvon oben, wwwenn es ein oooben gibt...“ Rebekka fing wieder an zu zittern und klapperte mit den Zähnen.

„So ist es gut!“ sagte Daniel. „Halte dich an mir fest und laufe!“

Sie bewegte sich nicht, und nach einer scheinbar endlos langen Stille hörte er sie murmeln: „Und wwweine nnnicht um mich...“

„Keiner weint um dich, Rebekka! Noch nicht. Aber wenn du dich jetzt nicht sofort bewegst, dann vielleicht doch! Also mach’ hin und reiß’ dich endlich zusammen, Mädel!“

Sie fing immer noch zitternd an, taumelige Schritte zu machen, und sie knickte immer dabei um. Er stützte sie so gut er konnte, hielt sie fest, wenn sie stolperte und hoffte, dass sie nicht schon Erfrierungen hatte. Wo waren ihre Schuhe? Egal, er hatte keine Zeit, sich drum zu kümmern. Und wie lange hatte sie dort schon gelegen? Hoffentlich nicht zu lange.

Während er sie stützte, überlegte er wieder krampfhaft, was er tun musste. Wenn die Person noch bei Bewusstsein war, dann konnte man sie erwärmen, mit Decken vielleicht. Wenn sie aber schon bewusstlos war, dann durfte sie nicht heftig bewegt werden. Man sollte sie auf keinen Fall massieren, weil dann die restliche Wärme des Rumpfes in die massierten Gliedmaßen ging, und es konnte zu einem Kollaps kommen. Sie konnte dabei sterben. Nein, das würde er nicht zulassen! Bei Bewusstsein war sie aber noch. Und es ging alles viel zu langsam!

Als sie das Seeufer erreicht hatten, hievte er sie sich vorsichtig über die Schulter. Es war natürlich ein Risiko, aber was sollte er sonst tun. Das Handy hatte er blöderweise nicht dabei, er benutzte es nur beruflich. Er würde vom Bunker aus den Notarzt anrufen.

Ihre Schlittschuhe hämmerten auf seinen Rücken ein, aber er spürte nicht viel davon, während er sie zügig nach Hause trug.

Im Haus angekommen, brachte er sie ins Wohnzimmer und legte sie neben den Kamin auf den Berberteppich. Der Kamin war natürlich aus seit ein paar Stunden, aber es gab ja immer noch die Heizung – Gott segne die Fußbodenheizung – und der Fußboden war schön warm. Er überlegte, ob er heißes Wasser in die Badewanne einlaufen lassen sollte, aber dann erinnerte er sich daran, dass es gefährlich sein könnte, sie mit heißem Wasser zu erwärmen. Aber die nassen Klamotten mussten runter!

Er streifte ihr seine Jacke ab, darunter trug sie nur noch einen BH. Weiter, die Schlittschuhe, lieber Himmel, ellenlange Schnürsenkel! Dafür war keine Zeit. Er lief in die Küche, holte eine Schere und schnitt die Schnürsenkel einfach von oben bis unten durch. Die Socken waren kein Problem. Zuerst wollte er ihre Jeans vorsichtig herunterziehen, aber sie war zu nass und ließ sich kaum bewegen, obwohl sie nicht sehr eng war. Also Schere! Auch der Slip und der BH wurden Opfer der Schere. Und dabei versuchte er, so behutsam wie möglich vorzugehen, denn heftige Bewegungen sollte man auf jeden Fall vermeiden. Er hoffte aber immer noch verzweifelt, dass sie nur leicht unterkühlt war und nicht schon Erfrierungen hatte.

Kostbare Minuten waren vergangen, und ihre Lippen hatten immer noch diese ungesunde bläuliche Farbe. Als er die grässlich eisigen Sachen endlich von ihr entfernt hatte und sie nackt vor ihm lag, untersuchte er ihren Körper mit den Augen. Waren irgendwelche Blasen zu sehen? Stellen, die weiß aussahen? Nein, sie sah normal aus, nur die Lippen halt... Er holte eine weiche Decke, bettete sie vorsichtig darauf und deckte sie ein wenig zu.

Er fing an, Rebekkas Füße, Beine und sonstige Gliedmaßen mit seinen Händen zu wärmen, er durfte sie nicht massieren, das wäre gefährlich gewesen, er durfte ihr nur vorsichtig etwas von seiner eigenen Wärme abgeben.

Was war, wenn alles umsonst war? Er wollte nicht daran denken. Er bildete sich aber ein, dass ihre Lippen nicht mehr ganz so bläulich aussahen? Vielleicht war das aber auch nur Wunschdenken.

In seinem Zimmer drehte er das Heizungsthermostat hoch bis zum Anschlag – das kostete nur ein paar Sekunden – und rief endlich die Notarztnummer an. Hatte er richtig gehandelt? Oder hätte er zuerst den Notarzt anrufen sollen? Jetzt war es sowieso egal, er konnte nur noch hoffen.

Er lief mit dem Telefon in der Hand zurück zu Rebekka und ergriff ihre rechte Hand, die ihm zwar kühl vorkam, aber nicht kalt. Oder war sie doch kalt? Er konnte es nicht einschätzen.

Eine scheinbar endlose Zeit lang ging niemand ans Telefon. Dann endlich wurde den Hörer abgenommen, und nachdem eine quäkende Stimme Daniels Maßnahmen für richtig erklärt hatte, versprach man, so schnell wie möglich zu kommen.

Daniel atmete erleichtert auf. Er hob Rebekka vorsichtig hoch, und sie klammerte sich an ihn, also spürte sie noch etwas. Er trug sie in sein Zimmer und legte sie auf sein Bett. Sie stöhnte, öffnete aber nicht die Augen.

Er griff sich seine Pyjamahose – er hatte sie doch tatsächlich in der vergangenen Nacht getragen, weil es so kalt gewesen war – und streifte sie ihr über. Vielleicht sollte er ihr die Jacke auch noch... Es konnte nicht schaden. Während er Rebekka die Pyjamajacke anzog, fiel ihm siedendheiß ein, dass er vergessen hatte, ihr ein heißes Getränk einzuflößen, um sie von innen aufzuwärmen. Hoffentlich war dieses blöde Versäumnis nicht ausschlaggebend...

Er legte sie auf eine neue und vor allem trockene Wolldecke – die Wolldecken gingen ihm allmählich aus – und zum Schluss deckte er sie mit dem leichten Federbett zu.

 

Wenig später erschien der Notarzt. Er untersuchte Rebekka und stellte fest, dass sie keinerlei Schäden davongetragen hatte, sie war nicht bewusstlos, sondern nur erschöpft. Ihre Temperatur war fast normal, genauso wie ihr Puls, und nichts an ihrem Körper deutete auf Erfrierungserscheinungen hin. Allerdings hatte sie eine dicke Beule am Hinterkopf – und eventuell eine Gehirnerschütterung. Der Arzt verordnete ihr für die nächsten Tage gemäßigte Ruhe, aber sie sollte unbedingt eine Röntgenuntersuchung des Gehirns vornehmen lassen. Ihr rechter Knöchel war leicht angeschwollen, und der Arzt legte eine Bandage an. Auch das sollte sie untersuchen lassen. Nur kalte Kompressen würde sie nicht brauchen, zumindest nicht im Moment, denn Kälte hatte sie wohl genug gehabt...

Der Arzt ließ ein Medikament für Rebekkas Kreislauf da. „Sie wird bald aufwachen“, sagte er zum Abschied.

 

Daniel atmet erleichtert auf. Er kniet sich neben das Bett und betrachtet Rebekka zärtlich.

Er fühlt sich hin- und her gerissen. Er ist über alle Maßen glücklich darüber, dass sie lebt. Andererseits wird er wieder den Abscheu in ihren Augen sehen, wenn sie aufwacht, und davor hat er Angst. Er streichelt ihr Gesicht, jetzt darf er es noch ungestraft tun...

Doch dann geht ein Ruck durch seine Gestalt. Er fürchtet diese Angst nicht mehr. Er wird Rebekka davon überzeugen, dass er sie liebt, egal wie lange es dauert.

 

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KAPITEL X - Teil 3 MYSTERIUM

 

Andromeda erwachte, und ihr Blick fiel automatisch auf die Wände des Hotelzimmers. Sie waren in einer grässlichen hellgrünen Farbe gestrichen, die an Krankenhauskorridore erinnerte, und die wenigen Möbel sahen geschmacklos und zusammengewürfelt aus. Man hatte außerdem Puzzles auf Pappe geklebt und an die Wände gehängt, um den Raum zu verschönern, aber diese Bemühungen verstärkten den Eindruck der Hässlichkeit noch.

Aber sie fühlte sich trotzdem wunderbar. Dieses Hotelzimmer hatte etwas Kostbares an sich.

Home is where my heart is... Dieser Spruch kam ihr in den Sinn, und sie änderte ihn automatisch um in: Home is where Max is.

Sie spürte Max’ Körper hinter sich. Max schlief fest und hatte sie auch im Schlaf noch umarmt. Ein Arm von ihm lag unter ihr, und den anderen hatte er leicht um ihre Taille gelegt. Andromeda lächelte. Endlich hatte er seine Zurückhaltung aufgegeben. Endlich hatte er die Kontrolle verloren. Und das sogar mehrere Male.

Sie nahm seine Hand und küsste sie zärtlich. Er murmelte ihren Namen im Schlaf, wachte aber nicht auf. Er war in Wirklichkeit so verletzlich, der starke coole Max, aber sie würde dafür sorgen, dass er nie mehr verletzt werden würde, denn Andromeda wusste, sie war die einzige, die ihn verletzen konnte.

Was würden sie nun tun? Sie hatte Daniel und Rebekka versprochen zurückzukommen, wenn alles klar wäre. Sie musste ihr Versprechen halten. Und die beiden würden sich bestimmt schon Sorgen machen.

Wie würde ihre Zukunft aussehen? Am liebsten hätte sie ja Max in Kampodia, aber sie wusste nicht, ob er dorthin zurück wollte.

Es war egal. Sie würde ihn nicht unter Druck setzen, er sollte selber entscheiden, was zu tun war. Es war vollkommen egal, sie waren so eng miteinander verbunden... Wenn er etwas Eigenes kaufen wollte – er hatte sich hier in der Gegend ein Objekt angeschaut – dann sollte er das tun. Sie würden sich trotzdem sehen können, das war überhaupt kein Problem. Sie würde mit ihm gehen, wohin er auch wollte. Sie war nämlich jetzt nicht mehr sein Mädchen, sondern seine Frau. Und das war bedeutend besser!

Andromeda lächelte wieder. Sie küsste noch einmal die Innenfläche seiner Hand und legte sie dann zwischen ihre Brüste.

Nur wo Max war, da war auch Kampodia.

Und es war es doch ein Mysterium! Das mit der Liebe.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~

 

Sie spürt, wie sie hochgehoben wird. Sie atmet den Geruch ein, sie hat ihn nie vergessen, und sie hält sich ihm fest.

Er trägt sie irgendwo hin, wo es weich und warm ist. Natürlich ist sie schon wach, zumindest ein bisschen, aber sie will es nicht zeigen. Und dann kommt auch noch jemand, es ist wahrscheinlich ein Arzt, der sie peinlichst untersucht. Er grabscht sie überall an und ab, und Daniel sieht bestimmt dabei zu.

Sie schiebt die dummen Gedanken beiseite. Sie lebt. Ihr Kind lebt auch, und sie wird es auf die Welt bringen und lieben. Sie wird Morgaine wiedersehen. Und Daniel vielleicht auch.

Sie lebt, und sie fühlt sich wunderbar, obwohl ihre Beine und ihre Hände immer noch wehtun. Aber das ist ein Schmerz, den sie gut aushalten kann. Sie schließt die Augen und tut nicht mehr so, als ob sie schläft, sondern sie schläft wirklich ein, eingehüllt von dem Glück, einfach nur lebendig zu sein.

„Rebekka, wach’ auf! Wach’ endlich auf!“ Sie hört eine leise aber eindringliche Stimme, und sie kennt diese Stimme.

Sie öffnet mühsam die Augen.

Sie sieht Daniel, der vor dem Bett kniet und ihre Handgelenke hält, er hat sein Gesicht in ihre Hände gelegt, und sie fühlt, dass er ihren Puls mit seinen warmen Lippen sucht und liebkost.

Armer Daniel, sie hat ihn geschlagen, fällt ihr wieder ein. Das kann er ihr nicht verzeihen. Sie würde es ihm ja auch nicht verzeihen, wenn es umgekehrt passiert wäre.

Sie stöhnt auf, wehrt seine Hände ab und kriecht in etwas hinein, was sich als lockerleichte Bettdecke herausstellt.

Aber da kann sie nicht lange bleiben. Sie fühlt, dass ihre Haare nass sind und erinnert sich plötzlich an alles. An den See, an den Sturz, an die kühlen blauen Glöckchen und das Aufwachen im eiskalten Wasser. An ihr Entsetzen, an ihre Gedanken, an ihre Angst. Und dann auf einmal war da etwas, es hat gesprochen, es hat sie gestützt und gewärmt. Das hat sie wohl nicht geträumt. Daniel war da...

Jetzt liegt sie hier, und Daniel ist immer noch da. Sie verabscheut ihn nicht mehr, ganz im Gegenteil. Sie grübelt darüber nach, wieso sie ihn verabscheut hat und seit wann sie ihn verabscheut hat. Und wirklich fällt es ihr ein: Nämlich als sie nach dem Ball bei ihm war, in seinem Bett... Da ist es passiert. Sie war so erregt, dass sie den leichten Stich in ihren Hals fast gar nicht spürte – dann sagte er diesen schrecklichen Satz, und kurz danach sah sie zum ersten Mal das Bild.

In Wahrheit hat sie die beiden nie zusammen gesehen. Das ist ihr auf einmal klar. Auch Daniel war nicht er selber gewesen. Er machte den Eindruck eines mit unsichtbaren Schnüren Gefesselten. Hatte es mit Zirza zu tun? War Zirza die Person, die alles steuerte und die vielleicht sogar hinter Morgaines Entführung steckte?

Sie fühlt sich erneut kalt werden, aber diesmal ist es ein innerliches Frösteln.

Schließlich taucht sie unter der Bettdecke hervor, es hat ja keinen Sinn, es hinauszuzögern, er weiß bestimmt, dass sie wach ist. Und sie hat Angst. Sie hat ihn geschlagen. Sie schaut ihm ins Gesicht, unsicher natürlich, aber sein Blick ist nicht unversöhnlich, sondern liebevoll und vor allem besorgt. Auch ein wenig Angst meint sie darin zu erkennen. Wovor kann er Angst haben?

„Wenn du in dein Zimmer willst, dann brauchst du es nur sagen.“ Daniels Stimme klingt sperrig, als hätte er einen Kloß im Hals.

Rebekka schaut ihn entsetzt an. Das fängt ja gut an, er will sie wohl loswerden. Kein Wunder!

Sie schließt wieder die Augen. Es ist schön, in Daniels Zimmer zu sein und in seinem Bett zu liegen. Sie trägt sogar einen Pyjama von ihm, er ist wunderbar weich, er riecht nach Daniel, so gut, so angenehm. Und sie möchte so gerne hier bleiben. Hier bei ihm.

„Nein“, ihre Stimme zittert. „Ich möchte hier bleiben.“ Sie öffnet die Augen, sieht ihn zögernd an und wartet auf seine Reaktion. Sein Blick ist immer noch liebevoll und besorgt, aber jetzt ist eine gewisse Fassungslosigkeit dazu gekommen. Er sagt nichts, sondern starrt sie nur an.

Sie spürt, wie ihr Tränen in die Augen steigen. Es ist klar, er will sie nicht. Warum auch? Aber sie muss es versuchen. Das Kind wird seinen Vater brauchen, auch wenn er IHR nicht verzeihen kann...

„Ich habe dich geschlagen“, sie berührt sanft seine Wange, auf der ein leichter blauer Fleck zu erkennen ist. „Es tut mir so leid. Ich weiß nicht, warum ich das...“ Sie bricht ab. Eigentlich möchte sie etwas anderes sagen, nämlich dass sie ihn liebt. Aber alles was auf dem Eis so leicht war, das mit den Gefühlen und den Erkenntnissen, das ist auf einmal furchtbar schwer auszusprechen. Und sie hat ihn doch geschlagen... Was wird er tun? Was wird er sagen? Jedenfalls zuckt er nicht vor ihrer Hand zurück.

Er sieht ihr in die Augen, erst zweifelnd, dann erstaunt. Da ist kein Abscheu mehr, sondern etwas anderes, ein inniges Gefühl. Daniel wagt es aber nicht, genauer drüber nachzudenken – oder sich gar Hoffnungen hinzugeben.

„Da warst du ziemlich daneben“, sagt er schließlich. „Was ist mit dir passiert, Rebekka?“

„Ich glaube, ich weiß es jetzt“, sagt sie zaghaft. „Aber trotzdem ist es ist keine Entschuldigung für das...“ Sie zieht ihre Hand zögernd von seinem Gesicht zurück und schaut ihn verzweifelt an.

„Ach Rebekka…“ Daniels Stimme klingt erleichtert und befreit. „Das ist doch nicht so schlimm!“

„Doch, es ist schlimm“, murmelt Rebekka vor sich hin.

„Wenn’s das letzte Mal war...“ Daniel nimmt sie kurzentschlossen in seine Arme und drückt sie vorsichtig an sich.

Und sie lehnt sich an ihn und atmet wieder seinen Geruch ein. Es ist ein herrlicher Geruch, er ist so lebendig und so verführerisch... „Versprochen.“ Jetzt hört ihre Stimme sich sperrig an, als hätte sie einen Kloß im Hals. Wie Daniel vorhin. Vielleicht bekommt sie eine fürchterliche Erkältung, aber vielleicht ist sie einfach nur verlegen.

„Oh nein, du weinst doch nicht etwa“, sagt Daniel gerührt und beugt sich über sie, um sie auf die Stirn zu küssen.

„Nein, nein, es sind nur die Haare...“

„Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist.“

„Du hast uns wohl das Leben gerettet.“ Rebekka dreht sich leicht zur Wand, damit er ihre etwas nassen Augen nicht sehen kann.

„Und jetzt bin ich für dich verantwortlich. So ist es doch, wenn man jemanden das Leben rettet...“

„Du bist nicht nur für mich verantwortlich“, sagt Rebekka leise.

Daniel hat absolut keine Ahnung, was sie damit meint, und er schaut sie erstaunt an.

Und Rebekka hat keine Ahnung, wie sie es ihm beibringen soll. Sie druckst herum: „Das wollte ich dir noch erzählen... Ich bin doch bei dir im Zimmer gewesen, in der Nacht nach dem Ball...“

„Oh tatsächlich!“ Daniel lächelt. „Und es war wunderschön mit dir, obwohl ich nicht ganz ich selber war.“

„Das hab’ ich gemerkt. Dieser Satz, den du von dir gegeben hast, der hat mich verfolgt. Aber das ist erledigt...“

„Das ist erledigt, aber was sonst...“

„Ich bin schwanger!“

Daniel schüttelt den Kopf, nicht unsicher, sondern triumphierend, als hätte er es geahnt. „Rebekka, mein Liebes...“ er drückt sie noch fester an sich und sagt: „Weißt du, dass ich ein furchtbar schlechtes Gewissen habe?“

„Nein...“ ihre Lippen berühren seinen Hals.

„Ich konnte damals nicht dabei sein, als du mit Morgaine schwanger warst. Du hast es bestimmt verdammt schwer gehabt, und ich hätte dir so gerne geholfen und es miterlebt...“

„Dass ich fett, hässlich und absolut unausstehlich war? Das können wir ja nachholen...“ Rebekka muss lachen und streichelt automatisch seine überaus attraktive Brust. Sie schmiegt sich noch enger an ihn, sie spürt seinen sehnigen Körper und auch, dass er... Upppss, das ist überaus gut!

„Rebekka, meine Liebste, du weißt doch, für mich wirst du immer die Schönste sein, egal was passiert.“ Er schiebt sie ein wenig von sich, um sie anzuschauen, denn er kann einfach nicht genug von ihrem Anblick bekommen. „Da ist aber noch etwas, das wir tun müssen...“

„Und was?“ Rebekka sieht ihn misstrauisch an.

„Wir werden unsere Hochzeit in Campodia nachfeiern, am besten zu Weihnachten. Du wirst ein weißes Kleid tragen und weiße Blüten im Haar haben. Du wirst wunderschön aussehen... Und sag’ jetzt nicht nein, vertrau’ mir einfach!“

„Okay, wenn du willst, dann machen wir das...“ Rebekka versucht, sich im Bett aufzurichten, und es klappt. Doch als sie den rechten Fuß bewegt, tut er ziemlich weh, obwohl er bandagiert ist. Sie stößt einen leisen Schmerzenslaut aus, und Daniel blickt sie besorgt an. „Es ist nichts“, sie schiebt entschlossen die Bettdecke beiseite.

Mühsam kniet sie sich auf die Kante des Bettes und unterdrückt einen weiteren Schmerzenslaut. Daniel, der vor dem Bett kniet, ist nun fast auf gleicher Höhe wie sie, nur ein bisschen tiefer. Rebekka schlingt die Arme um seinen Hals und schmiegt sich mit ihrem Körper an ihn.

Der Knöchel tut zwar weh bei jeder Bewegung, aber das macht ihr gar nichts aus. Sie will Daniel nur ansehen, sie will ihn nur spüren, sie will ihn nur küssen und vielleicht auch... Ihre Brüste berühren auf erregende Weise, nein nicht seine Brust, sondern irgendwas oberhalb. Fast ist es sein Mund, und dieser Mund könnte sie fast küssen, ihre Brüste... Sie atmet heftig ein.

Daniel sieht sie auch an, und auch er atmet heftig. Er kann nicht anders, er schiebt seine Hände unter die Pyjamajacke, die sie trägt. Und die Hände entwickeln ein Eigenleben und streicheln verlangend ihren Rücken, während Rebekka vor Wonne erschauert.

Und eigentlich könnte er ja... Rebekka zieht sich ein Stück von ihm zurück und windet sich verlangend. Vielleicht erreichen seine Hände ja ihre Brüste. Und sie ächzt auf, als es wirklich passiert.

„Bist du sicher, dass wir es tun sollen?“ Sie hört seine Stimme leicht verschwommen, und sie reißt sich zusammen. „Der Kreislauf... darf nicht vernachlässigt... werden, das hat der... Arzt gesagt“, ächzt sie.

„Hat er das wirklich gesagt?“ Daniel fängt wie in Trance an, ihre Pyjamajacke aufzuknöpfen. Einen Augenblick starrt er sie an, weil sie so schön ist, sie ist alles, was er sich jemals gewünscht hat, und er will sich in ihr verlieren. Fieberhaft fängt er an, ihre Brüste zu küssen und zu streicheln.

„Oh Gott“, stöhnt Rebekka atemlos.

Dann auf einmal hört er abrupt damit auf, und sie will sich schon beschweren, weil er nicht mehr da ist. Aber er ist nur aufgestanden und blickt auf sie herunter. „Ich werde vorsichtig sein“, sagt er.

Dann beugt er sich vor, hebt sie vorsichtig hoch und legt sie wieder auf das Bett.

Rebekka schließt die Augen und wartet auf ihn.

Bis er zu ihr kommt und sie ihn endlich spürt.

Sie empfängt ihn mit ihren Armen und mit ihrem Körper. Und dann, nachdem sie dieses Gefühl voll ausgekostet hat, mit ihren Lippen.

Sie will noch etwas sagen, bevor sie ganz in ihm versinkt, aber sie vergisst es, bevor sie es aussprechen kann...

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~

 

KAPITEL X - Teil 4 DANIELS TRÄUME

 

~*~*~*~ Er träumt von einem blendend weißen Strand, er geht mit Rebekka dort entlang, und sie küssen sich...

Er träumt von der Geburt eines Kindes. Rebekka ist die Mutter, und sie sieht erschöpft aber glücklich aus. Er sitzt vollkommen aufgelöst an ihrem Bett und küsst ihre Hand...

Er träumt von dem kleinen Büro in seiner Firma. Rebekka besucht ihn dort, und sie treiben es auf seinem Schreibtisch...

Er träumt von einer innen gefliesten Badewanne. Er liegt mit Rebekka darin und sie kichern und bewerfen sich mit Badeschaum...

Er träumt von einem Streit. Sie stehen sich erbittert gegenüber und schreien sich an. Danach versöhnen sie sich grandios. Im Bett...

Er träumt von Kampodia und von Max und Andromeda. Ihre Kinder spielen mit seinen Kindern...

Er träumt von einem Krankenbett. Er selber liegt darin, und Rebekka beugt sich über ihn und flüstert: Du wirst nicht gehen! Ich lasse dich nicht gehen!“

Er träumt von seinem Büro. Rebekka sitzt an seinem Schreibtisch und gibt Anweisungen. Wo ist er zu dieser Zeit?

Er träumt von Rebekka, wie sie von einem anderen Mann umarmt wird. Sie weint.

Er träumt von einem Haus. Es ist ein recht großes Haus, es zeugt von Wohlstand. Er sieht sich selber auf einem Sofa mehr liegen als sitzen. Er scheint älter zu sein, wie alt, kann er nicht einschätzen, er hat aber silbernes Haar. Sein rechtes Bein liegt wie ein Fremdkörper auf dem Sofa, und er sieht eine Krücke auf dem Fußboden.

Jetzt dreht sich der Blickwinkel, ein aus Marmorsteinen gemauerter Kamin kommt ins Bild. Über dem Kamin hängt ein gerahmtes Foto, das ein Hochzeitspaar darstellt. Der Mann ist er selber, die Frau ist Rebekka, sie sieht wunderschön aus in ihrem weißen Kleid, und in ihr Haar sind weiße Blüten eingeflochten...

Lässig angelehnt an den Kamin steht ein großer junger Mann mit dunklem Haar und blauen Augen. Er hat sehr viel Ähnlichkeit mit Daniel.

Sie wollen mich, sagt er fröhlich, aber ich weiß nicht, ob ich es machen soll...

Eine andere, jedoch helle Stimme sagt: Du bist der Richtige dafür, David. Jeder der nicht nach der Macht strebt, ist der Richtige dafür. Die helle Stimme gehört einer jungen Frau, die vor einem Klavier sitzt und jetzt einige Töne anspielt. Sie scheint überaus begabt zu sein. Sie ist klein und zierlich, und lockiges helles Haar steht um ihren Kopf wie ein Heiligenschein.

Morgaine, denkt er. Es muss Morgaine sein. Und das hat sie nicht von Rebekka geerbt, das Klavierspielen. Die Töne kommen ihm bekannt vor. Tatsächlich, Morgaine spielt Jimmy Somervilles Stück, nämlich das Klaviersolo aus ‚Ain't necessarily so’. Und sie spielt es unglaublich gefühlvoll.

Er hört den älteren Daniel sagen: Mein Sohn, möge die Macht dann mit dir sein.

Woraufhin alle in Gelächter ausbrechen.

Wieder ändert sich der Blickwinkel, und eine gewundene Treppe ist zu sehen, die wohl in die obere Etage führt. Gerade kommt jemand herunter. Rebekka...

Auch sie ist nicht mehr ganz jung, aber sie sieht blendend aus. Sie hält ein Buch in der Hand. Hinter ihr taucht Claudia Mansell auf, und an ihrer Seite geht ein älterer, etwas exotisch aussehender Mann. Die beiden deuten auf das Buch in Rebekkas Hand und unterhalten sich angeregt.

Die Rebekka aus der Zukunft will sich neben Daniel setzen, aber er erlaubt es nicht, sondern zieht sie einfach auf seinen Schoß und küsst sie auf den Mund.

Rebekka schlingt die Arme um seinen Hals und erwidert seinen Kuss leidenschaftlich. ~*~*~*~

 

Der Traum ist wie ein alter Bekannter. Er träumt ihn nun schon seit Jahren. Am Anfang unverständlich, vervollständigte er sich im Laufe der Zeit, und das Ende ist wunderschön. Vorausgesetzt, er wird in die Wirklichkeit überführt werden...

Er träumt, dass er Rebekka immer noch in seinen Armen hält.

Aber diesmal ist kein Traum, sondern Wirklichkeit. Und er kann es immer noch nicht fassen. Sie sieht friedlich und schön aus, während die Morgendämmerung sich langsam in das Zimmer schleicht.

„Es ist nicht so wie damals“, murmelt sie, während ihre Körper eng aneinander liegen. Sie hat ein Bein leicht um ihn geschlungen, ihr Kopf liegt an seiner Brust, ihre Arme umklammern sanft seine Taille. „Es ist besser...“

„Und warum ist es jetzt besser?“

„Weil es jetzt richtig ist“, flüstert sie. „Und damals war es falsch.“

„Ich liebe dich“, sagt er leise.

Rebekka öffnet kurz die Augen, sie leuchten kristallblau auf, angestrahlt von der aufgehenden Wintersonne. Geblendet legt sie ihren Kopf an seine Schulter „Ich liebe dich doch auch, Daniel.“ Es ist gar nicht schwer, diese Worte auszusprechen, und dazu ertönt leise Klaviermusik, es klingt wie Ain't necessarily so’...

„Hast du das auch gehört?“ Sie schaut Daniel fragend an.

„Was meinst du?“ Daniel fährt zart mit dem Finger die Konturen ihres Gesichts nach.

„Da spielt doch jemand Klavier. Und so gut!“

„Das wird Morgaine sein“, sagt er vieldeutig, bevor er sich über sie beugt, um sie zu küssen.

 

ENDE  Holidays in Kampodia   © Ingrid Grote 2008/2010

 

 

 

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Ich danke allen, die diesen Roman gelesen haben. Mir selber hat es viel Spaß gemacht, ihn zu schreiben, und wenn ein bis zwei Leutchen ihn lesen würden, wäre das die größte Belohnung für mich.

 

Also liebe Grüße von Ingrid, die sich derzeit mit einem Kurzroman namens ‚TOPP, die Wette...’ beschäftigt – und sich köstlich damit amüsiert.

Also demnächst in diesem Theater...

 

PS: Mittlerweile ist er fertig, er hat sich zu einer Langgeschichte entwickelt und ist natürlich auch auf   LANGGESCHICHTEN/ÜBERBLICK>>>   zu finden.
















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